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Festvortrag

Wie Demokratien sich behaupten können

Als Kontrapunkt zum pharmazeutisch-wissenschaftlichen Programm hielt der Richter am Verfassungsgericht a.D. Professor Dr. Udo Di Fabio ein feuriges Plädoyer für einen leistungsorientierten und prinzipientreuen demokratischen Rechtsstaat.
Theo Dingermann
17.01.2023  12:30 Uhr

Es ist der traditionelle Kontrapunkt während einer anspruchsvollen Fortbildungswoche im Rahmen der Pharmacon-Winterkongresse: der sogenannte Bankenabend, zu dem die Apobank nicht nur ihre Kunden, sondern auch einen namhaften Referenten einlädt. In diesem Jahr sprach der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Dr. Udo Di Fabio.

Die westlichen, liberalen Demokratien seinen offensichtlich unter Druck geraten. Und so stelle sich die Frage, wie diese liberalen Demokratien ihr Gesellschaftsmodell verteidigen können, so Di Fabio. Dieses Gesellschaftsmodell sei aktuell bedroht – und zwar von außen und von innen.

Bedrohung von innen und außen

Die Bedrohung von außen ist ein neuer aggressiver Imperialismus, wie dies aktuell der Konflikt in der Ukraine demonstriert. Im Inneren sind die Demokratien durch Lagerkämpfe gefährdet, die mehr Hass als Argumente untereinander austauschen, wie uns ein Blick über den Atlantik in die USA und nach Mexiko zeigt. Auch habe das Internet eine volatile Öffentlichkeit geschaffen, die omnipräsent sei und unverhohlen das politische System im Inneren der Demokratie in riskanter Art und Weise zu verändert drohe.

Lange galten westliche Demokratien als stabil und sie waren damit sehr erfolgreich – so erfolgreich, dass man nahezu ausschloss, dass dieses Modell in Gefahr geraten könnte. »Wer zu lange steht, kann sich nicht mehr vorstellen, auch einmal fallen zu können«, verdeutlichte Di Fabio.

Die Demokratien hätten verlernt, wehrhaft zu sein, auch Risiken einzukalkulieren, die einen Plan B erfordern falls ein Geschäftspartner die Regeln verletzt. Arroganz, nicht ehrliche Souveränität, bestimmten mehr und mehr das politische Handeln. Man habe sich auf eine Weltordnung verlassen, die derzeit drohe, verloren zu gehen und für deren Wiederherstellung man nun hart arbeiten müsse, so Di Fabio.

Staat soll Leistungsbereitschaft fördern und fordern

Dies erfordere Leistungsbereitschaft der Bevölkerung, und diese Leistungsbereitschaft müssten die Regierungen durch eine kluge Ordnungspolitik fördern, um sie dann auch einfordern zu können. Das passiere aber heute nur teilweise, auch weil man über seine Verhältnisse lebe. Zudem werde Leistung teils auch verunglimpft und als »Meritokratie« abgewertet. Dabei werde allerdings vergessen, dass das Leistungsprinzip eine der Kraftquellen der westlichen Gesellschaften sei. Der Staat solle Leistungsbereitschaft fördern, statt ihr auch dadurch Attraktivität zu nehmen, dass Anreize zur Leistungsbereitschaft durch übertriebene Sozialleistungen marginalisiert würden, sagte Di Fabio.

Natürlich habe der Staat die Pflicht, Bedürftigen zu helfen. Ein solches soziales Sichereitssystem drohe jedoch zu kollabieren, wenn ein Versorgungsanspruch dem Leistungsprinzip, durch das Versorgung erst möglich wird, übergeordnet werde. Zwar gebe das Grundgesetz dem Sozialstaat die Möglichkeit, dem Erfolgreichen etwas zu nehmen, um es den Bedürftigen zu geben. Allerdings dürfe dieses Recht nicht dahingehend missbraucht werden, dass der wirtschaftliche Erfolg des Leistungserbringers zerstört werde.

Di Fabio plädierte für eine stärkere Kanalisierung des öffentlichen Reichtums in die Infrastruktur statt in den Direkttransfer an die Bürger. Es gehe dabei nicht darum, den Sozialstaat infrage zu stellen, sondern sukzessiv Prioritäten zu verlagern. Deutschland solle seinen Ruf als Ankündigungsweltmeister abstreifen und mehr durch Taten als durch Worte auffallen.

Letztlich sei mehr Konsistenz zwischen Staat und Gesellschaft anzustreben. Politik solle wieder als ein Gebilde der einzelnen Bürger und einer Gemeinschaft wahrgenommen werden, das aus individueller Freiheit und dem Verfolgen gemeinsamer Interessen besteht.

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