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T-Zellen

Wie das Immunsystem bei Covid-19 aus der Bahn gerät

Sogenannte MAIT-Zellen, ein T-Zelltyp, der darauf spezialisiert ist, infizierte Zellen zu erkennen, werden bei Menschen mit mittelschweren bis schweren Covid-19-Verläufen stark aktiviert. Diese Beobachtung ist ein weiterer Baustein zu einem besseren Verständnis der Covid-19-Pathologie.
Theo Dingermann
06.10.2020  09:30 Uhr

Es wird immer deutlicher, dass eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu einer komplexen Fehlregulation des Immunsystems durch ein gestörtes Gleichgewicht zwischen protektiven und pathologischen Immunreaktionen führen kann. Das hat bei ungünstiger Ausprägung unter anderem eine Hyperinflammation der unteren Atemwege zur Folge.

Das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen der Immunstörung ist nach wie vor rudimentär. Einen Aspekt, der für die Kontrolle der Immunregulation von Bedeutung zu sein scheint, untersuchten nun Forscher um Dr. Tiphaine Parrot vom Center for Infectious Medicine am Karolinska University Hospital in Stockholm. Ihre Arbeit wurde jetzt in »Science Immunology« publiziert.

MAIT, ein spezialisierter T-Zelltyp

Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf sogenannte Schleimhaut-assoziierte invariante T-Zellen (Mucosa-associated invariant T-cells; MAIT). Dieser spezialisierte T-Zelltyp macht 1 bis 10 Prozent der T-Zellen im Blutkreislauf aus. Man findet diese Zellen aber auch in unterschiedlichen Geweben, darunter vor allem in der Leber und der Lunge.

Die Rezeptoren der MAIT-Zellen erkennen vor allem mikrobielle Vitamin-B2-(Riboflavin-) Metabolite, die von einer Reihe von Mikroben produziert werden. Diese bakteriellen Metabolite werden durch MHC-Ib-verwandte Protein-1-Moleküle (MR1) präsentiert. Binden die Metabolite an die T-Zell-Rezeptoren, werden die MAIT-Zellen aktiviert. Sie produzieren dann verschiedene Zytokine, darunter IFN-γ, TNF- α und IL-17. Dieses breite Effektorprofil bildet eine Schutzfunktion vor bakteriellen Lungeninfektionen. MAIT-Zellen fungieren also als Sensoren für bakterielle Metaboliten.

Starke Aktivität bei Covid-19-Erkrankungen

Zudem scheinen sie aber auch als Mediatoren antiviraler Reaktionen zu agieren. Die schwedischen Forscher konnten zeigen, dass bei Patienten mit einer aktiven Covid-19-Erkrankung MAIT-Zellen stark aktiviert werden und dass deren Zahl in der Zirkulation deutlich abnimmt. Zudem zeigten Transkriptionsanalysen eine signifikante Anreicherung von MAIT-Zellen in den Atemwegen. Dadurch wird dort ein stark proinflammatorisches Milieu erzeugt.

In der Rekonvaleszenzphase normalisierten sich die MAIT-Zellspiegel wieder. Diese Befunde weisen darauf hin, dass MAIT-Zellen an der Immunantwort gegen SARS-CoV-2 beteiligt sind, und deuten eine mögliche Beteiligung an der Covid-19-Immunpathogenese an.

MAIT-Zellen scheinen eine facettenreiche Rolle bei Covid-19 zu spielen, die sich von der der adaptiven konventionellen T-Zellen unterscheidet. Denn MAIT-Zellen erkennen keine HLA-präsentierten Peptidantigene. Ihre antivirale Funktion ist daher wahrscheinlich angeboren und inhärent weniger wirksam als die MHC-restringierte CD8-T-Zell-Antwort. Andererseits stehen MAIT-Zellen bei Bedarf sofort zur Verfügung, um ohne klonale Expansion schnell in großer Zahl reagieren zu können. Man kann spekulieren, dass ihre antivirale Wirkung bei einer frühen Infektion eine signifikante Rolle spielen kann.

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