Wenn Schwitzen zur Belastung wird |
Schwitzen dient der Thermoregulation und ist essenziell. Übermäßiger Schweißfluss ist belastend und kann pathologisch werden. / Foto: Adobe Stock/Victor Koldunov
Die Körpertemperatur liegt bei einem gesunden Menschen konstant zwischen 36,5 und 37,4 Grad Celsius (homoiotherm). Temperaturen unter 28 oder über 42,6 Grad Celsius sind lebensgefährlich. Körperwärme entsteht durch den Stoffwechsel der inneren Organe, durch Muskelarbeit wie beim Sport, bei fieberhaften Erkrankungen oder äußerer Hitzezufuhr (starke Sonneneinstrahlung, erhöhte Außentemperatur, zu warme Kleidung), durch heiße Nahrungsmittel, Sauna oder Bad.
Schwitzen ist ein wichtiger Regulationsmechanismus des Körpers zum Schutz vor Überhitzung. Dabei kann die gebildete Schweißmenge einige Liter pro Tag betragen. Der Hypothalamus ist das Zentrum für die Temperatur- und Stoffwechselregulation und steuert die Thermoregulation. Informationen über Außen- und Innentemperatur (Kälte- und Wärmerezeptoren) des Körpers werden dem Hypothalamus zugeführt und Istwert-Abweichungen sowie Sollwert-Vorgaben abgeglichen. Wird ein Schwellenwert überschritten, muss ein Zuviel an Wärme abgeführt werden. Dies geschieht sehr effektiv durch Verdunstung von Feuchtigkeit über die Haut.
Schwitzen ist in der Regel eine sinnvolle Reaktion, um den Körper vor Überhitzung zu schützen. / Foto: Adobe Stock/Antonioguillem
Neben der Thermoregulation spielt emotional bedingtes Schwitzen eine wichtige Rolle. Das limbische System hat Einfluss. Bei Stress wird vermehrt körpereigenes Cortisol ausgeschüttet und das sympathische Nervensystem aktiviert. Nervosität, Wut, Schreck oder starke Anspannung lassen Handflächen, Achseln, Fußsohlen und Stirn tropfen. Oft entsteht ein Teufelskreis aus heftigem Schwitzen und daraus entstehender psychischer Belastung.
Die vermehrte Schweißbildung kann sich auf Achseln, Hände oder Füße (fokale Hyperhidrose) beschränken oder den ganzen Körper betreffen (generalisierte Hyperhidrose).
Der Übergang von physiologischem zu pathologischem Schwitzen ist fließend und individuell verschieden. Die permanente Hautfeuchte stört die Hautbarriere. Die Hornschicht (Oberhaut) weicht auf und Erreger wie Viren, Bakterien und Pilze können sich leicht ansiedeln. Damit steigt das Risiko für Folgeerkrankungen wie Hautausschläge und -rötungen, Pickel, Juckreiz sowie Feigwarzen (Verrucae vulgares), Infektionen der Fußsohle (Keratoma sulcatum) oder Fußpilz (Tinea pedis).
Bei der primären essenziellen Hyperhidrose liegt eine Fehlfunktion der Schweißdrüsen vor (Kasten). Diese sind weder vergrößert noch liegen sie in erhöhter Anzahl vor, vielmehr sind sie durch Acetylcholin überstimuliert. Die Symptome machen sich bereits in der Pubertät bemerkbar und begleiten die Betroffenen oft ein Leben lang. Kleinste körperliche Anstrengungen oder geringe Nervosität verursachen heftige Schwitzattacken von dünnflüssigem Schweiß aus ekkrinen Drüsen, besonders fokal in Regionen mit großer Schweißdrüsendichte wie an Handflächen, Fußsohlen, Achselhöhlen und Stirn.
Der Mensch hat etwa zwei Millionen Schweißdrüsen, die wegen ihres Aussehens als Knäueldrüsen bezeichnet werden. Diese Hautanhangsgebilde verteilen sich über den gesamten Körper.
Die zahlreichen ekkrinen Schweißdrüsen (Glandulae sudoriferae merocrinae) mit einem Durchmesser von 0,4 mm werden vom sympathischen Nervensystem cholinerg innerviert. Sie finden sich an Ellenbeugen, Stirn, Handtellern und Fußsohlen; nur Lippenrot und Eichel sind ausgespart. Ihr Sekret (Sudor) besteht zu 99 Prozent aus Wasser und zahlreichen Elektrolyten (Natrium, Kalium, Magnesium, Chlorid) sowie Lactat, Amino-, Capron-, Capryl-, Zitronen-, Essig- und Propionsäure. In Spuren sind Harnstoff, Harnsäure, Zucker und Ascorbinsäure enthalten. Der pH-Wert liegt im sauren Bereich bei pH 4,5.
Die Verdunstung von Schweiß trägt zur Wärmeregulation bei. Die Bildung eines antibakteriellen Hydrolipidfilms ergänzt den Säureschutzmantel der Haut und die Sezernierung von harnpflichtigen Stoffwechselprodukten und Elektrolyten (NaCl) unterstützt die Entgiftung. Schweiß schmeckt leicht salzig. Menschen, die stark schwitzen, verlieren Flüssigkeit und viele Mineralien. Darauf kann die Apotheke aufmerksam machen und den Ausgleich empfehlen.
Die größeren apokrinen Drüsen (Glandulae sudoriferae apocrinae) mit einem Durchmesser von 3 bis 5 mm sind in geringerer Zahl vorhanden und münden in den Achselhöhlen und in der Urogenitalregion an den Ausführungsgängen der Haarfollikel. Ihre Funktion entwickelt sich in der Pubertät. Sie geben ein milchiges, viskoses Sekret mit Proteinen und Lipiden und einem pH-Wert von 7,2 ab und werden als Duftdrüsen bezeichnet. Außerdem sezernieren sie Pheromone und sind an der Entwicklung des individuellen Körpergeruchs beteiligt. Bei der Hyperhidrose spielen sie eine untergeordnete Rolle.
Frischer Schweiß ist zunächst geruchlos; erst die Zersetzung durch Bakterien der natürlichen Hautflora lässt den typisch stechend-unangenehmen Schweißgeruch entstehen. Dabei werden langkettige Fettsäuren zu kürzeren Ketten wie Buttersäure oder Ameisensäure abgebaut. In der Pubertät kann durch hormonell bedingte Vorgänge im Körper auch frischer Schweiß schon riechen.
Verschiedene Ursachen regen das Schwitzen an. Die Ursachen einer primären Hyperhidrose sind weitgehend unbekannt. Eine familiäre Veranlagung und ein überaktives sympathisches Nervensystem werden angenommen.
Die sekundäre Hyperhidrose ist Symptom einer internistischen oder neurologischen Erkrankung oder einer Arzneimittelnebenwirkung. Auch der Lebensstil spielt eine Rolle. Starkes Übergewicht oder Mangelernährung belasten den Stoffwechsel. Schwitzen kann auch ein Zeichen bei Alkoholabbau sein. Einige Sonderformen nennt die Tabelle 1.
Sonderform der Hyperhidrose | Beschreibung, Auftreten |
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kalter Schweiß | starkes Schwitzen bei körperlicher Stressreaktion mit gleichzeitiger Vasokonstriktion der Gefäße. Haut ist kalt, keine Maßnahme der Temperaturregulierung, Begleitsymptom bei schwer kranken Patienten (Herzinfarkt, Lungenödem, Schock, Hypoglykämie), Entzugserscheinung bei Alkoholmissbrauch oder Drogenproblemen, Panikattacke bei einer Angststörung |
nächtlicher Schweiß | Begleitsymptom der primären oder sekundären Hyperhidrose,ungünstige Bedingungen im Schlafzimmer (erhöhte Temperatur, ungeeignete Kleidung), verbunden mit Schlafstörungen |
gustatorisches Schwitzen (Frey-Syndrom) | verstärkte Wärme- und Schweißproduktion vor allem im Gesicht (Stirn, Wangen, Oberlippe) durch scharf gewürzte Speisen, heiße Getränke oder Alkohol |
Bromhidrose | übermäßiges Schwitzen in Kombination mit einem sehr strengen, unangenehmen Schweißgeruch |
apokrine Chromhidrose | vermehrter Schweiß unter den Achseln, deutlich erkennbar farbig (gelb, grün, blau, schwarz) durch Ablagerung des Pigments Lipofuscin mit variierenden Konzentrationen oder Oxidationsstadien |
ekkrine Chromhidrose | Schweißfärbung durch wasserlösliche Farbstoffe aus der Nahrung |
Ochronose | Defekt im Aminosäurestoffwechsel färbt den Schweiß braun |
Veränderte Konzentrationen von Sexualhormonen können zu individuell heftigem Schwitzen in der Pubertät, bei Menstruation oder Schwangerschaft führen. Der Estrogenabfall in den Wechseljahren und ein Mangel an Testosteron (Hypogonadismus) bei älteren Männern sind verbunden mit schweißtreibenden Hitzewallungen. Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion haben neben anderen Symptomen eine erhöhte Körpertemperatur und schwitzen deshalb häufig.
Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis führen zur Überaktivität des Immunsystems, oft mit verstärkter Schweißsekretion. Bei abklingenden fieberhaften Infektionskrankheiten erfordert die sinkende Körpertemperatur die Neueinstellung des Soll-Ist-Werts im Hypothalamus, begleitet von Schwitzen.
Bei Diabetespatienten kann die Hyperhidrose eine beginnende Nervenstörung (Polyneuropathie) im vegetativen Nervensystem anzeigen. Zunächst ist die Schweißneigung erhöht, mit fortschreitender Neuropathie allerdings problematisch verringert. Kalter Schweiß kann ein wichtiges Warnzeichen für eine beginnende Hypoglykämie sein. Morbus Parkinson, starke Schmerzen, Hypertonie oder Tumor- oder Krebserkrankungen beeinflussen das vegetative Nervensystem und können ebenfalls starkes Schwitzen auslösen.
Die Behandlung einer sekundären Hyperhidrose richtet sich hauptsächlich nach deren Ursache. Wird die Primärerkrankung behandelt, verringert sich die Schweißdrüsenaktivität. Ergänzend sind lokale oder systemische Optionen zur Reduktion der Schweißbildung sinnvoll. Weitere Unterstützung bieten Psychotherapie, Naturheilverfahren oder Akupunktur. Ein veränderter Lebensstil mit gesunder Ernährung, ausreichender Bewegung und Entspannungsmaßnahmen verbessert den Stoffwechsel und dämpft das vegetative Nervensystem.
Übermäßige Schweißbildung ist eine Nebenwirkung von Medikamenten, die das vegetative Nervensystem, die Hormonproduktion oder die Kreislauffunktion beeinflussen.
Direkte oder indirekte Parasympathomimetika werden zur Behandlung von Erkrankungen wie Glaukom, Muskelschwäche, Darmproblemen, Mundtrockenheit und Demenz eingesetzt. Durch ihre cholinerge Wirkung kommt es zur Sekretionsförderung der Schweißdrüsen.
Einige Antidepressiva (Venlafaxin, Duloxetin) sowie Opioide regen die Sympathikusaktivität an. Werden mehrere serotonerge Arzneimittel kombiniert, steigt das Risiko für ein Serotonin-Syndrom; ein wesentliches Symptom ist die erhöhte Schweißbildung (Fallbeispiel). Acetylsalicylsäure regt die Schweißdrüsentätigkeit bei entsprechend disponierten Menschen an. Sind Schilddrüsenpräparate nicht richtig dosiert, kann sich eine unzureichend behandelte Hyperthyreose durch starkes Schwitzen bemerkbar machen.
Eine Reihe von Arzneistoffen kann die Schweißproduktion anregen. / Foto: Adobe Stock/Printemps
Ebenso greifen Arzneimittel zur Therapie hormonsensitiver Tumoren von Brust oder Prostata in den Hormonstoffwechsel ein: Hitzewallungen sind die Folge. Bei einer Endometriose verringert die Hormontherapie mit GnRH-Analoga den Einfluss der Estrogene auf die Gebärmutterschleimhaut mit für den Estrogenmangel typischen Schweißausbrüchen.
Da auch Corticoide in die körpereigene Hormonregulation eingreifen, kommt es vor allem unter länger andauernder und höher dosierter oraler Therapie zu verstärktem Schwitzen.
Manchmal äußern Patienten in der Apotheke, dass sie nach einer Rabattvertrag-bedingten Umstellung eines ihrer Medikamente auf ein anderes mit verstärktem Schwitzen reagieren, ohne dass sich eine konkrete Erklärung finden lässt. Hier kann die Apotheke pharmazeutische Bedenken anmelden, um die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern.
Ein Kunde, der nicht in der Stammdatei der Apotheke registriert ist, verlangt einen Dextromethorphan-haltigen Hustenstiller. Die Apothekerin fragt, ob und welche Arzneimittel er als Dauermedikation einnimmt. Der Kunde antwortet, dass er seit ein paar Wochen aufgrund von Knieproblemen Tramadol bekomme. Daraufhin empfiehlt die Apotheke ein pflanzliches Hustenmittel sowie Lutschtabletten zur Reizlinderung.
Hintergrund: Dextromethorphan kann ebenso wie Johanniskraut und L-Tryptophan zu Interaktionen mit MAO-hemmenden Wirkstoffen, Antidepressiva (SSRI wie Citalopram, SNRI wie Venlafaxin) und Schmerzmitteln wie Tramadol führen. Eine Kombination von zwei oder mehr dieser Substanzen erhöht die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt, sodass es dosisabhängig zu einem Serotonin-Syndrom kommen kann. Typisch ist die stark erhöhte Schweißbildung. Leichtere, eher unspezifische Symptome mit Durchfall oder Tachykardie können sich zu lebensbedrohlichen Formen mit Bewusstlosigkeit, Hyperthermie und Krämpfen entwickeln. Die Medikamente müssen umgehend abgesetzt werden.
Für die Umwelt unübersehbar sind feuchte Stellen an Achseln, im Gesicht, auf Rücken oder Brust. Verschwitzte Hände lassen einen Händedruck peinlich werden oder behindern sogar die Berufsausübung (Physiotherapeuten, Handwerker). Schweißnasse Füße werden kalt, Schweiß kann zur Geruchsbelästigung führen. Etwa 2 Prozent der Menschen schwitzen unkontrollierbar übermäßig stark.
Laut der S1-Leitlinie »Definition und Therapie der primären Hyperhidrose« wird diese nicht aufgrund der gebildeten Schweißmenge, sondern der Fehlfunktion des Schwitzens definiert. Die Dermatologen haben verschiedene Stadien jeweils für das Schwitzen in den Achselhöhlen sowie an Händen und Füßen definiert. Danach unterscheidet man leichte (Grad I), mäßig starke (Grad II) und starke (Grad III) Hyperhidrose (Tabelle 2). Der diagnostizierte Grad bestimmt die Kostenübernahme durch die Krankenkasse.
Schweregrad | Beschreibung |
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Axillare Hyperhidrose (Achselhöhlen) | |
I | Schwitzflecken an der Kleidung mit bis zu 10 cm Durchmesser, mäßig feuchte Haut |
II | Durchmesser der Schwitzflecken 10 bis 20 cm, deutlich erkennbare Schweißtropfen an der Haut |
III | Durchmesser der Schwitzflecken größer als 20 cm, von der Haut fallen Schweißtropfen ab |
Palmare und plantare Hyperhidrose (Hände und Füße) | |
I | mäßig feuchte Handflächen und/oder Fußsohlen |
II | erkennbare Schweißtropfen, auf Hand- oder Fußsohle beschränkt |
III | Schweiß breitet sich auf der Oberseite von Fingern oder Zehen aus |
Bei so heiklen Themen wie Hyperhidrose ist Diskretion im Beratungsgespräch gefragt. / Foto: Adobe Stock/Minerva Studio
Neben der Anamnese der möglichen Grunderkrankung oder Arzneimitteltherapie erfolgt die Diagnostik durch verschiedene Messverfahren. Diese ergeben aber keine eindeutige Aussage, da es keine einheitliche Abgrenzung zwischen Norm- und Hyperhidrose gibt. Beim Jod-Stärke-Test werden Jodlösung und Stärkepulver aufgetragen und das vom Schwitzen betroffene Areal durch Verfärbung definiert. Mit Filterpapier und Feinwaage kann der Arzt während eines akuten Schweißausbruchs die ausgeschiedene Schweißmenge messen (Gravimetrie); dies kann mit eingeschränkter Aussagekraft zur Dokumentation einer Therapie hilfreich sein. Die Messung des Hautleitwerts erlaubt die genaue Zuordnung des Schweregrads.
Entscheidend ist aber das subjektive Befinden des Betroffenen, ob sein Schwitzen als Krankheit gewertet wird. Allerdings scheuen viele Patienten den Gang zum Arzt. In der Apotheke gilt es, die Grenzen der Selbstmedikation zu beachten. Diese sind erreicht bei:
Deodoranzien sind Körperpflegemittel, die unangenehmen Körpergeruch verringern. Sie enthalten vor allem Duftstoffe sowie Substanzen mit antibakterieller Wirkung. Dagegen sollen Antitranspiranzien dafür sorgen, dass der Schweiß erst gar nicht fließt (Tabelle 3).
Schweißbildung | mögliche Ursache | Behandlung |
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Handschweiß (Hyperhidrosis palmaris) | Arthritis, Schilddrüsenüberfunktion, Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, Diabetes, Stress, psychische Erkrankungen | Antitranspiranzien in Cremeform, Iontophorese,Botulinumtoxin,Operation |
Achselschweiß (Hyperhidrosis axillaris) | körperliche Anstrengung, Thermoregulation, hormonelle Schwankungen, Übergewicht, Arzneimittelnebenwirkung | Antitranspiranzien, Schweißshirt, Iontophorese,Botulinumtoxin, Operation |
Kopfschweiß (Hyperhidrosis facialis) | primäre Hyperhidrose, Wechseljahre, ungesunder Lebensstil, Übergewicht | Botulinumtoxin, Anticholinergika |
Fußschweiß (Hyperhidrosis plantaris) | luftundurchlässiges Schuhwerk und Synthetikstrümpfe, Veranlagung,alle Ursachen einer primären oder sekundären Hyperhidrose | Fußbäder mit Gerbstoffen (Phenol-Methanal-Harnstoff-Polykondensat, sulfoniert, Natriumsalz), Schuhwerk aus luftdurchlässigem Material regelmäßig desinfizieren und täglich wechseln, Baumwollsocken, schweißbindende Einlegesohlen,Antitranspiranzien in Cremeform, Iontophorese, Botulinumtoxin, Operation |
Schwitzen am Rumpf (Hyperhidrosis truncalis) | sportliche Anstrengung, ungeeignete Kleidung, Stress, Infektionen, Grunderkrankungen wie Diabetes, Schilddrüsenüberfunktion, Herz-Kreislauf-Erkrankungen | Antitranspiranzien, Iontophorese, Anticholinergika |
Schwitzen im Intimbereich | Übergewicht, primäre Hyperhidrose | Intimpflege ohne Aluminiumchlorid |
Aluminiumsalze wie Aluminiumchlorid-Hexahydrat oder -acetat sind Mittel der Wahl. Sie verringern die Schweißbildung, indem sie in den Gängen der ekkrinen Schweißdrüsen einen Komplex mit Mucopolysacchariden bilden, der die Ausführungsgänge abdichtet. Das Apothekenpersonal sollte darauf hinweisen, dass die Wirkung verzögert eintritt und die Anwendung am Abend wegen der besseren Haftung sinnvoll ist. Die morgendliche Reinigung der Haut reduziert Überempfindlichkeitsreaktionen. Bei einsetzender Wirkung kann die Häufigkeit der Anwendung schrittweise reduziert werden. Nächtliches Tragen von Handschuhen oder Strümpfen intensiviert die Therapie an Handflächen und Fußsohlen.
Das Neue Rezeptur-Formularium enthält die Rezeptur »Hydrophiles Aluminiumchlorid-Hexahydrat-Gel 15 %/20 %« (NRF 11.24.). Rezepturbestandteile sind der Wirkstoff Aluminiumchlorid-Hexahydrat (Ph. Eur.), der Gelbildner Hydroxyethylcellulose 250 und Gereinigtes Wasser. Frei verkäufliche Antitranspiranzien mit 1- bis 2-prozentiger Konzentration der Aluminiumsalze werden mehrmals täglich angewandt.
Seit einigen Jahren wird kontrovers diskutiert, ob Aluminiumsalze in Kosmetikprodukten das Risiko für Brustkrebs oder Morbus Alzheimer erhöhen. Dies ist durch keine Studien erhärtet und wird intensiv erforscht.
AWMF S1-Leitlinie »Definition und Therapie der primären Hyperhidrose«. Reg. Nr. 013-059, Stand: November 2017, gültig bis Oktober 2022: www.awmf.org
Privates Informationsportal zum Thema Schwitzen, Schweiß & Hyperhidrose: www.ratgeber-schwitzen.de
Deutsche Dermatologische Gesellschaft, Aufklärungsportal »Stark gegen Schwitzen«: www.stark-gegen-schwitzen.de
Aluminium ist ein sehr häufiges Element, das täglich über die Nahrung (Getreideprodukte, Tee), sogar über die Luft aufgenommen wird. Aus Aluminium-haltiger Verpackung gerät die Substanz zusätzlich in die Nahrung, wenn diese salz- oder säurehaltig ist. Sehr hohe Dosen von Aluminium führen zur Vergiftung mit Schädigung von Knochen und Gehirn. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) empfiehlt einen Höchstwert von 1 mg/kg Körpergewicht und Woche. Das BfR riet in einer Stellungnahme vom November 2019, die Aufnahme von Aluminium möglichst gering zu halten und Aluminium-haltige Antitranspiranzien vor allem bei gestörter Hautbarriere (lokale Hauterkrankung, frische Rasur der Achselhöhle) zu vermeiden.
Seit März 2020 gibt es eine neue Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit der EU (SCCS) mit der Bewertung aktueller Studien (Ergebnisse bei Al-Konzentrationen von bis zu 10,6 Prozent in Sprüh-Antitranspiranzien und bis zu 6,25 Prozent in anderen Antitranspiranzien). Im Vergleich zur Aufnahme von Aluminium über die Nahrung seien die Mengen, die durch Antitranspiranzien in den Körper gelangen, vernachlässigbar. Der SCCS schreibt, dass »die große Mehrheit der angewandten Dosis außerhalb des Körpers bleibt«. Da die Aluminiumsalze Reizungen und Trockenheit der Haut verursachen können, ist es ratsam, diese Produkte nicht täglich, sondern nach Bedarf anzuwenden.
Besser verträglich, aber schwächer wirksam sind natürliche und synthetische Gerbstoffe (Phenol-Methanal-Harnstoff-Polykondensat, sulfoniert, Natriumsalz) mit adstringierenden Eigenschaften als Sitzbad oder Creme. Methenamin trocknet übermäßige Schweißbildung durch Freisetzung von Formaldehyd. Überempfindlichkeitsreaktionen, Kontaktekzem und lokale Reizungen sind jedoch möglich.
Foto: Informationszentrale Deutsches Mineralwasser (IDM)/Peter Rees
In der Apotheke kann die Beratung mit einigen Tipps abgerundet werden. So ist auf lockere luftige Kleidung vorzugsweise aus Baumwolle oder Leinen zu achten. Synthetikware ist zu vermeiden. Schuhe und Strümpfe sind täglich zu wechseln. Socken mit Silber- oder Kupferfäden wirken antibakteriell. Häufiges Barfußlaufen oder geruchshemmende Einlegesohlen können empfohlen werden.
Individuelle Trigger (Gewürze, Kaffee, Alkohol) sind zu meiden. Heiße Getränke oder Mahlzeiten regen ebenfalls die Schweißbildung an. Unerlässlich ist der Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten über Getränke und stark wasserhaltige Speisen.
Die Geruchs- und Schweißbildung wird durch Deodoranzien und Antitranspiranzien verringert. Das Apothekenpersonal kann mit Informationen über regionale Selbsthilfegruppen oder seriöse Internetadressen die Scham der Betroffenen mindern.
Bei der Leitungswasser-Iontophorese wird mittels Stromwasserbädern die Schweißbildung reversibel reduziert. Füße oder Hände werden in ein Wasserbad getaucht oder mit feuchten Elektroden versehen. Für die Anwendung an Achseln, Gesicht oder Rumpf gibt es spezielle Masken. Die Behandlung erfolgt dauerhaft mehrmals die Woche über 20 bis 30 Minuten (Tabelle 3).
Laut Leitlinie ist die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A zwei- bis dreimal jährlich in mehrere definierte Injektionspunkte in Achseln und off Label an Händen und Füßen sehr effektiv. Botulinumtoxin blockiert reversibel die cholinerg innervierten Nervenfasern.
Mit Radiofrequenz, Mikrowellen und fokussiertem Ultraschall erfolgt eine thermische Schädigung der axillaren Schweißdrüsen. Dabei können auch umgebende Haut und Nerven verletzt werden. Chirurgische Maßnahmen blockieren die Nervenleitung oder entfernen die Schweißdrüsen.
Bewährte pflanzliche Hilfe: Salvia officinalis / Foto: Adobe Stock/DOC RABE Media
Die systemische Behandlung mit Medikamenten kontrolliert für kurze Zeit das Schwitzen. Bei milder Hyperhidrose kann das Apothekenteam Salbeitee oder -extrakt empfehlen. Tees und Zubereitungen aus Salvia officinalis hat der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelagentur bei vermehrter Schweißsekretion positiv bewertet (Traditional use).
Systemisch wirksame Anticholinergika wie das Parkinsonmedikament Bornaprin (Sormodren®) sowie Methantheliniumbromid (Vagantin®) sind zugelassen für (axillare) Hyperhidrose. Sie hemmen die Acetylcholin-Freisetzung an den Muskarin-Rezeptoren der Schweißdrüsen mit typisch anticholinergen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen, Tachykardie und Miktionsstörungen. Sie werden einschleichend dosiert, die Studienbelege sind jedoch dürftig.
Psychopharmaka, Tranquilizer, Sedativa und Betablocker werden ohne kontrollierte Studien bei Hyperhidrose versucht.
Eine Hyperhidrose ist für die Betroffenen sehr belastend, sogar oft beschämend, sodass Lebensqualität und Berufsausübung eingeschränkt sind. Trotzdem sucht nur ein kleiner Teil der Betroffenen einen Arzt auf. In der Apotheke ist wertvolle Unterstützung möglich. Es gilt, empathisch mit dem Patienten nach Ursachen zu suchen und über Möglichkeiten der Diagnose, Therapie und Erstattungsmöglichkeiten der Krankenkasse aufzuklären. Nicht zuletzt ist der Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten wichtig.
Barbara Staufenbiel studierte Pharmazie in Münster. 16 Jahre lang leitete sie die Rabenfels-Apotheke in Rheinfelden. Seit ihrer Rückkehr nach Münster arbeitet sie in einer öffentlichen Apotheke und engagiert sich für die Fortbildung als Referentin und Autorin mit Schwerpunkt Apothekenpraxis.