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Zentrale Insulinresistenz

Wenn das Abnehmen einfach nicht klappen will

Ähnlich wie bei Fett-, Muskel- oder Leberzellen können auch die Insulinrezeptoren im Gehirn insulinresistent werden. Professor Dr. Hubert Preißl von der Universität Tübingen, der zum Thema forscht, berichtete beim Pharmacon in Schladming über die neuesten Erkenntnisse zur zentralen Insulinresistenz.
Laura Rudolph
19.01.2023  17:00 Uhr

Bei Menschen mit Diabetes mellitus sprechen die Insulinrezeptoren nicht mehr ausreichend auf das blutzuckerregulierende Hormon Insulin an. Folglich ist die Aufnahme von Glucose in die Zellen gestört. Auch im Gehirn gibt es Insulinrezeptoren. Diese können, wie die peripheren, insulinresistent werden.

In hoher Dichte finden sich zentrale Insulinrezeptoren im Hypothalamus, der die Schaltstelle zwischen peripheren und zentralen Signalen bildet, im Striatum, das einen Teil des Belohnungssystems darstellt, sowie in der Inselrinde, die an der Verarbeitung von sensorischen Reizen beteiligt ist.

Werden die zentralen Insulinrezeptoren unempfindlich gegenüber Insulin, könne dies verschiedene Hirnaktivitäten beeinflussen, erklärte  Dr. Hubert Preißl, Professor im Fachbereich Pharmazie und Biochemie der Universität Tübingen, beim Pharmacon in Schladming. Mögliche Folgen seien etwa ein vermehrter Heißhunger, eine verminderter kognitive Funktion oder eine beeinträchtigte Regulierung von Emotionen. Menschen mit zentraler Insulinresistenz seien zudem meist übergewichtig und hätten eine ungünstige Fettverteilung. Preißl forscht mit seiner Arbeitsgruppe am Institut für Diabetesforschung und metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München unter anderem zu diesen Zusammenhängen.

Weniger erfolgreich beim Abnehmen

»Die zentrale Insulinresistenz ist ein Prädiktor, wie gut Personen abnehmen und ihr Gewicht halten können«, sagte Preißl. Neben einem zu hohen Körpergewicht und weniger erfolgreichen Gewichtsreduktionen zeigten Personen mit zentraler Insulinresistenz einen erhöhten Anteil an viszeralem Fett. Dieses produziert vermehrt Entzündungsmediatoren, die die Entstehung von Typ-2-Diabetes fördern. Ein erhöhter viszeraler Fettanteil ist laut Preißl mit einer geringeren Insulinsensitivität im Hypothalamus assoziiert. Daher entwickelten Diabetiker meist eine Resistenz der Insulinrezeptoren im Gehirn, bevor sich ein Typ-2-Diabetes in der Peripherie manifestiere, so der Experte.

Bestimmen lasse sich die zentrale Insulinsensitivität in zwei Schritten, erklärte Preißl. Zunächst werde intranasales Insulin per Spray verabreicht. Das Insulin gelange direkt ins Gehirn und könne so isoliert betrachtet werden. Etwa 30 Minuten nach der Applikation entschlüssele eine funktionelle Magnetresonanztomografie, wie gut bestimmte Areale im Gehirn auf Insulin ansprechen.

Sport und SGLT-2-Hemmer als Intervention

Lässt sich eine zentrale Insulinresistenz therapieren? Ähnlich wie bei Typ-2-Diabtes können Änderungen des Lebensstils zu einer Besserung beitragen. So habe Preißl zufolge eine Sportintervention mit circa einstündigen Trainingseinheiten dreimal pro Woche bei Studienprobanden zwar keine Gewichtsreduktion bewirkt. Die Insulinempfindlichkeit im Striatum habe aber zugenommen.

Eine pharmakologische Therapieoption könnte zudem die Behandlung mit dem SGLT-2-Hemmer Empagliflozin sein. In einer Studie war die tägliche Gabe von 25 mg des Wirkstoffs über insgesamt acht Wochen mit einer verbesserten Insulinwirkung im Hypothalamus assoziiert. Der protektive Effekt im Gehirn, dessen genauer Wirkmechanismus noch nicht entschlüsselt wurde, hielt allerdings nur so lange an, wie Empagliflozin verabreicht wurde. Nach Therapieabbruch verschwinde die schützende Wirkung wieder, erklärte Preißl. In der Studie wirkte sich der SGLT-2-Hemmer zudem positiv auf das viszerale Fett aus.

Wichtig sei Preißl zufolge auch der Zeitpunkt der Intervention. Der Experte betonte: »Maßnahmen, die erst in einem höheren Alter begonnen werden, müssen intensiv sein, um ausreichend zu wirken. Die Erfolgschancen sind umso größer, je früher damit begonnen wird.«

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