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Wiederbelebung

Was muss bei Erster Hilfe in Corona-Zeiten beachtet werden?

Abstand halten ist das Gebot der Stunde. Aus 1,5 Meter Entfernung Erste Hilfe zu leisten, geht jedoch schlecht. Für die Corona-Pandemie gibt es neue Regeln, die zum eigenen und zum Schutz des anderen Menschen beitragen sollen.
Christiane Berg
13.10.2020  18:00 Uhr

Ob im Beruf oder privat, im Haushalt oder auf der Straße: Auch in Corona-Zeiten ist Erste Hilfe zum Beispiel im Falle eines Unfalls, einer Verletzung oder eines Herz-Kreislauf-Versagens selbstverständlich und unumgänglich. »Muss entsprechende Hygiene bei der Ersten Hilfe schon immer besonders beachtet werden, so heißt das für Zeiten der Pandemie, dass nicht nur das Tragen eines Mundschutzes, sondern auch von Handschuhen stets oberste Prämisse ist«, so hat der ADAC bereits im Mai dieses Jahres deutlich gemacht.

Mit Blick auf Erste-Hilfe-Maßnahmen galt es bislang als professionell, die verunglückte, verletzte oder kollabierte Person als erstes anzusprechen, an den Schultern zu rütteln und bei fehlender Reaktion die Atmung zu überprüfen, indem man sich so nah wie möglich über das Gesicht des/der Betroffenen beugte. Letzteres wird derzeit nicht empfohlen.

Atmung wird jetzt anders überprüft

»Seit Corona wird die Atmung anders kontrolliert. Ohne, dass man dicht an das Gesicht des möglicherweise auch Bewusstlosen herangeht, wird lediglich durch Hinschauen geprüft, ob sich der Brustkorb regelmäßig auf und ab bewegt«, macht die Deutsche Herzstiftung in einem aktuellen Newsletter deutlich. Ist dies nicht der Fall, so sei umgehend zunächst der Rettungsdienst zu alarmieren und sodann mit der Herzdruckmassage zu beginnen. Während dieser Massage sollte zum Schutz vor Infektionen ein Tuch über Mund und Nase gelegt werden, sofern eine Maske nicht zur Hand ist.

»Helfer müssen sich derzeit nicht dem Gesicht des Betroffenen nähern, um Atemgeräusche zu hören oder einen Luftzug zu spüren«, sagt auch der Deutsche Rat für Wiederbelebung (German Resuscitation Council). In der aktuellen Corona-Situation soll sich die Atemkontrolle auf das Überstrecken des Nackens mit Anheben des Kinns und die Beobachtung etwaiger Brustkorbbewegungen beschränken.

»Die Wiederbelebungsmaßnahmen durch Laien und Ersthelfer können sich bei unbekannten Hilfsbedürftigen auf die Herzdruckmassage und den Einsatz öffentlich zugänglicher Automatisierter Externer Defibrillatoren (AED) beschränken«, so der Rat in der nach wie vor aktuellen Version seines entsprechenden Statements vom April dieses Jahres.

Mund-zu-Nase-Beatmung ist keine Pflicht, aber…

Wie bereits vor Beginn der Corona-Pandemie könne auf die Atemspende verzichtet werden, wenn man diese nicht durchführen kann beziehungsweise will. Die Durchführung einer Atemspende sollte und könnte jedoch immer sorgfältig situationsbezogen abgewogen werden.

So sei bei Personen aus dem häuslichen Umfeld – anders als bei Unbekannten im öffentlichen Raum – durch das sowieso enge Zusammenleben von einer geringen zusätzlichen Covid-19-Ansteckungsgefahr auszugehen. Bei Kindern, die wiederbelebt werden müssen, habe die Durchführung der Atemspende besondere Relevanz insbesondere dann, wenn dem Atem-Kreislauf-Stillstand eine respiratorische Ursache zugrunde liegt. Hier sollte sich jeder bewusst sein, dass die lebensrettende Atemspende quasi unausweichlich sein kann.

Medizinisches Fachpersonal müsse die Durchführung von Defibrillationen erwägen, bevor die Schutzausrüstung angelegt wird – selbstverständlich nur dann, wenn der Defibrillator ohne jede Zeitverzögerung sofort verfügbar ist. Keinesfalls dürfe der Patient verlassen werden und der Beginn der Reanimation verzögert werden, um einen Defibrillator zu holen. Nach wie vor gelte die grundlegende Regel, dass der Patient zu keiner Zeit allein sein darf.

Wiederbelebung immer wieder trainieren

Auch Laien können einen Automatisierten Externen Defibrillatoren einsetzen. Die Deutsche Herzstiftung betont, dass das Sprachprogramm der heutigen AEDs so klar und verständlich sei, dass auch Nichtausgebildete die einzelnen Schritte zur erfolgreichen Defibrillation vornehmen können.

Dennoch: Die Herzstiftung empfiehlt jedem, sich in den Basismaßnahmen der Ersten Hilfe und einer Wiederbelebung einschließlich der Bedienung eines AED ausbilden zu lassen, auch in der jetzigen Zeit. Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, sich immer mal wieder vorzustellen, was man tun müsste, wenn jemand plötzlich vor den eigenen Augen kollabiert oder einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleidet.

Wie wichtig aktive Hilfe ist, zeigen Zahlen des ADAC: Mehr als 50.000 Menschen erleiden deutschlandweit außerhalb eines Krankenhauses jährlich einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand, circa 60 Prozent davon zu Haus. Nur jeder zehnte Betroffene überlebt, denn ohne Hilfe kommt es innerhalb von drei bis fünf Minuten zu irreversiblen Schäden am Gehirn. Der Rettungsdienst benötigt jedoch durchschnittlich acht bis zehn Minuten zum Einsatzort.

Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte könne jeder mit einer Herzdruckmassage lebensrettende Maßnahmen einleiten – aber nur 42 Prozent der Deutschen helfen. In anderen europäischen Ländern liegt die Quote bei bis zu 75 Prozent.

Und: Nur für etwas mehr als die Hälfte der befragten Personen ohne medizinische Fachkenntnisse ist AED ein Begriff. Je älter die Befragten sind, desto unbekannter sei der Automatische Externe Defibrillator. Zudem wissen 84 Prozent nicht, wo sich der nächste AED befindet, weder im häuslichen Umfeld noch am Arbeitsplatz. Hier bestehe großer Aufklärungsbedarf.

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