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Weniger Atemnot, mehr Fitness

Was Lungensport bewirken kann

Körperliche Betätigung ist nicht nur für COPD-Patienten ein echter Gewinn. Auch Menschen mit Asthma, Mukoviszidose oder Lungenkrebs profitieren von speziellen Übungen. Worauf kommt es dabei an?
dpa
27.10.2021  09:30 Uhr

Sport treiben tut gut. Das gilt auch für Patientinnen und Patienten mit Lungenkrankheiten wie COPD. Doch manche meiden aus Angst vor Atemnot körperliche Aktivitäten. Schonung ist aber der falsche Ansatz. Zumal die Atemnot von COPD-Patienten nicht allein auf die eingeschränkte Funktion der chronisch verengten Lunge zurückzuführen ist, sondern auch darauf, dass der Körper nicht trainiert genug ist. Damit können alltägliche Aktivitäten wie das Einkaufen oder der Weg ins Café schon eine Atemnot auslösen.

Damit es nicht soweit kommt, gibt es den sogenannten Lungensport. Dieser hat viele Facetten. «Wichtig ist, sich zunächst von Profis individuell anleiten zu lassen», sagt der Fürther Lungenfacharzt Professor Dr. Heinrich Worth. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Lungensport. Ziel des speziellen Trainings ist es, die Koordination von Muskeln, Bändern und Gelenken zu verbessern. Dabei übt man unter anderem, die Atmung an die körperliche Belastung anzupassen. «Man lernt zum Beispiel, wie man beim Treppensteigen oder Tragen von Lasten atmen muss», sagt Worth. Zudem gehe es darum, Kraft und Beweglichkeit des Brustkorbs zu erhalten – so könne der Patient oder die Patientin besser abhusten. 

Wie läuft Lungensport ab?

Das Training in Lungensportgruppen, die es vielerorts gibt, ist angepasst an die jeweilige Schwere der Erkrankung der Teilnehmenden. Es dauert etwa 60 bis 90 Minuten. Das Gruppentraining beginnt mit einer Aufwärmphase. Anschließend werden Kraft, Ausdauer und Koordination geübt. Manche Trainingsleiter bieten ergänzend Atem- und Entspannungstechniken an. Diese können und sollen die Übungen von Atmungstherapeutinnen und Krankengymnasten allerdings nicht vollständig ersetzen. Es sind nicht nur COPD-Patienten, die vom Lungensport profitieren. Auch für Patienten mit Asthma bronchiale, Lungenfibrose, Mukoviszidose oder Lungenkrebs ist das Training von Vorteil.

Lungensportgruppen treffen sich meist einmal pro Woche. «Patienten können auch daheim üben, wenn es ihr Gesundheitszustand erlaubt und sie Lust dazu haben», sagt Professor Dr. Adrian Gillissen, Direktor der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Ermstalklinik Bad Urach, der stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Lungenstiftung ist. Die AG Lungensport zum Beispiel bietet einmal pro Woche übers Internet eine Einheit Lungensport an, für die Patienten sich anmelden können. Das virtuelle Training erfolgt in Eigenverantwortung. Die AG stellt online auch Übungsvideos bereit, die man sich jederzeit anschauen kann.

Dran bleiben statt Höchstleistungen

Wichtig ist die Kontinuität. «Es kommt nicht darauf an, immer neue Höchstleistungen zu erbringen, sondern sich regelmäßig körperlich zu betätigen», sagt Worth. Häufig ist das in einer Gruppe motivierender als alleine. Zudem hilft der Trainingsleiter, wenn plötzlich Probleme auftreten. Zu Hause ist das nicht möglich.

«Schon relativ wenige körperliche Aktivitäten am Tag bewirken einen enormen gesundheitlichen Zugewinn für Lungenpatienten – wenn sie denn regelmäßig erfolgen», so Gillissen. Wer zu Hause oder draußen im Park  alleine lungensportmäßig aktiv ist, sollte seine Grenzen kennen und sie nicht überschreiten. Dort kann es unter Umständen schwierig sein, im Notfall Hilfe zu holen oder überhaupt einen nahenden Notfall zu erkennen, gibt Gillissen zu bedenken.

Ärztlicher Check-up unverzichtbar

Vor einer Teilnahme am Lungensport muss ein Arzt oder eine Ärztin attestieren, dass der Patient oder die Patientin dafür fit genug ist. Dabei sind auch Begleiterkrankungen zu beachten. COPD-Patienten haben zum Beispiel durch jahrzehntelanges Zigarettenrauchen oft auch eine koronare Herzkrankheit.

«Ischämiezeichen im EKG, also Anzeichen für eine gestörte Durchblutung des Herzen, oder bedrohliche Rhythmusstörungen während der Belastung sind natürlich Ausschlusskriterien», sagt Gillissen. Aber wenn es von ärztlicher Seite grünes Licht für die Teilnahme am Lungensport gibt, gilt laut Worth: «Das Training führt in jedem Fall zu einem Plus an Lebensqualität für die Patienten.»

Reliever und Medikationsplan gehören in die Sporttasche

Asthma- oder COPD-Patienten, die alleine trainieren, sollten immer ein Bedarfsspray griffbereit haben. Hilfreich ist außerdem, wenn sie einen aktuellen Arztbrief oder zumindest eine Medikamentenliste mit sich führen, damit sich im Ernstfall ein Notarzt schnell einen Überblick über die Krankheitsvorgeschichte machen kann. Gillissen rät Patienten, die weniger als 50 Prozent ihrer allgemeinen Sollleistung (dieser Wert wird ärztlich ermittelt) erreichen, davon ab, alleine zu trainieren. Sie seien in ambulanten Reha-Sportgruppen mit speziell ausgebildeten Übungsleitern besser aufgehoben.

Was gilt in Corona-Zeiten? «Lungensportgruppen können sich derzeit zumeist wieder ohne weiteres treffen», sagt Worth. Wichtig bei solchen Treffen ist, dass alle eine Maske tragen (außer während der Übungen) und Abstand halten. Gemeinsames Umkleiden etwa sei pandemiebedingt aktuell in der Regel nicht möglich, so Worth. Das heißt, dass Gruppenteilnehmer oft schon im Sportdress gekleidet zum Training erscheinen müssen. «Manche Lungensportgruppen treffen sich auch virtuell», sagt Gillissen, «so dass die Mitglieder zu Hause online ihre Übungen mit Anleitung durchführen.»

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