Was bei Älteren zu beachten ist |
Brigitte M. Gensthaler |
19.01.2023 18:00 Uhr |
»Die meisten älteren Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sind untertherapiert«, konstatierte Professor Dr. Harald Burkhardt, Abteilung Rheumatologie der Goethe-Universität Frankfurt. / Foto: PZ/Alois Müller
Etwa 500 Krankheitsbilder werden umgangssprachlich als »Rheuma« zusammengefasst. Bei den entzündlichen Gelenkerkrankungen dominiert die Rheumatoide Arthritis (RA), die auch als »Late-onset RA« auftreten kann, gefolgt von der Polymyalgia rheumatica (PMR). »Eine RA führt unbehandelt zu schwersten Deformationen der Gelenke«, warnte Burkhardt, Abteilung Rheumatologie der Goethe-Universität Frankfurt. Die RA betrifft zunächst symmetrisch die Fingergrund- und -mittelgelenke sowie Handgelenke und Vorderfuß und manifestiert sich auch systemisch, zum Beispiel in Lunge, Haut und Gefäßen. Bei älteren Patienten könnten polymyalgieforme Schmerzen im Schulter- und Beckengürtel sowie Oberschenkelbereich auftreten.
Leitlinienkonform wird zunächst mit Steroiden wie Prednisolon und krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) wie Methotrexat (MTX) behandelt. Alternativen zu MTX sind Leflunomid und Sulfasalazin. Wird trotz Dosisoptimierung und DMARD-Kombination kein Erfolg erzielt, kommen Biologika wie das Fusionsprotein Abatacept, TNF-α-Antagonisten wie Infliximab und Adalimumab oder IL6-Rezeptor-Antikörper wie Tocilizumab zu MTX hinzu. Eine neue Option bieten die peroral einzunehmenden Januskinase-(JAK)-Inhibitoren wie Baricitinib oder Tofacitinib. Erst in dritter Linie folgt Rituximab. Gemäß einer Sicherheitsbewertung der EMA sollen antiinflammatorische JAK-Inhibitoren bei Patienten ab 65 Jahren sowie bei kardiovaskulär stark vorbelasteten Patienten nur eingesetzt werden, wenn es keine Therapiealternativen gibt. »Die Warnung ist berechtigt, aber man muss sie in die richtige Relation setzen«, stellte Burkhardt klar. Jakinibe seien keine saugefährlichen Arzneimittel.
»Die meisten älteren Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sind untertherapiert«, konstatierte der internistische Rheumatologe. Sie bekämen weniger Biologika, sprächen aber gleich gut an wie jüngere Patienten und hätten keine erhöhten Risiken.
Fast nur ab dem 50. Lebensjahr und vor allem bei Frauen tritt eine PMR auf. Die entzündliche Erkrankung beginnt plötzlich mit starken Schmerzen im Schulter- und Hüftgürtel sowie Entzündung der Schleimbeutel. Viele Patienten leiden an Fieber, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit. Laut Burkhardt spricht eine PMR »super und sehr schnell« auf eine Prednisolon-Stoßtherapie an (initial 15 bis 30 mg/Tag). Zur Dauerbehandlung über eineinhalb Jahre sollte die Steroiddosis auf unter 5 mg abgesenkt werden. Gelingt dies nicht ohne Re-Exazerbation, kann MTX hinzugefügt werden.
Bei jedem fünften PMR-Patienten tritt eine Riesenzellarteriitis der Temporalarterie auf. Die Patienten fühlen sich krank, klagen über Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust. Kau- oder Kopfschmerzen (oft Analgetika-refraktär) sind Alarmzeichen. Erfasst die Entzündung die Aorta und die Blutgefäße im Bereich der Augen, droht Sehverlust bis zur Erblindung. Um das Sehvermögen zu retten, werden hochdosiert Prednisolon (50 bis 60 mg/Tag) oder Methylprednisolon intravenös gegeben. Zur Langzeittherapie und zum Steroidsparen dienen MTX (off label) und Tocilizumab (in label).
Bei Patienten im höheren Alter sind laut Burkhardt engmaschigere Kontrollen unter MTX (zwei- bis vierwöchentlich) zu Therapiebeginn und bei Dosissteigerung nötig. Bei einem Serumkreatinin-Wert ≥ 1,5 mg/dl werde MTX nicht begonnen.
Steroide wie Prednisolon sollten möglichst niedrig dosiert werden (5 mg), denn ab einer Dauerdosis von 8 bis 15 mg steige die Gesamtmortalität. Burkhardt wies dringend auf eine Knochendichtemessung vor Therapiebeginn und eine Osteoporose-Prophylaxe sowie regelmäßige Augenkontrollen auf Katarakt und Glaukom hin. »Bei einer Langzeittherapie mit niedrig dosiertem Prednisolon überwiegt der Nutzen die potenziellen Risiken.«