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Gesundheitswesen in Asien

Von KI-Ministern und Roboter-Apothekern

Die Coronavirus-Krise hat Regierungen weltweit dazu gebracht, schneller und deutlich mehr in Digital-Health-Lösungen sowie Künstliche Intelligenz zu investieren. Die Gesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) informiert unter anderem über den aktuellen Stand und einige Trends in Asien.
Jennifer Evans
21.10.2020  09:00 Uhr

In Singapur verfolgt die Regierung schon seit Jahren eine Digitalisierungsstrategie, die sie zusammen mit Künstlicher Intelligenz (KI) als eine der vier Kernanliegen des Stadtstaats definiert hat. Bis 2022 sollen rund 112,5 Millionen US-Dollar (etwa 96 Millionen Euro) in diesen Bereich fließen. Das berichtet die GTAI. Als Vorteil hatte sich während der Coronavirus-Krise herausgestellt, dass viele der Technologien bereits implementiert sind und dort praktisch jeder Einwohner ein Smartphone besitzt.

Seit 2011 gibt es in Singapur beispielsweise ein nationales elektronisches Gesundheitsregister, das Patientendaten in einer Cloud unter anderem Ärzten und Krankenkassen bereitstellt. Mehr als 40.000 Personen im Gesundheitswesen haben GTAI-Angaben zufolge derzeit Zugriff auf diese Informationen. Aus Sicht der Bevölkerung überwiegen vor allem die Vorzüge der Vernetzung.

Smarte Kliniken

Smart vernetzt sind auch viele Krankenhäuser in Singapur. Einige zeichnen über ein sogenanntes C3-System (Command, Control and Communications) die Bewegungen der Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung auf. Damit würden in Echtzeit etwa Bettenkapazitäten genauso angezeigt wie der jeweilige Ort, an dem sich der Patient aufhält, heißt es in dem Bericht. »Dadurch wird der gesamte Behandlungsprozess sehr transparent und Ineffizienzen können recht schnell erkannt und beseitigt werden.« In der Pandemie kamen in Kliniken auch verstärkt Roboter zum Einsatz, um Medikamente oder Essen auszuliefern. Ziel war es, den Verbrauch von Schutzausrüstungen zu reduzieren.

Roboter spielen in Singapur außerdem bei der Überwachung älterer Menschen eine immer größere Rolle. Über Sensoren können sie etwa Stürze melden, lernen diese vorherzusehen oder zu verhindern. »Die Senioren, beispielsweise mit Parkinson, werden durch die Roboter mobiler und trauen sich öfter, ihr Haus zu verlassen. All dies führt dazu, dass sie länger zu Hause leben können, und entlastet somit die Krankenhäuser und Altenheime«, heißt es.

Immer mehr Start-ups widmen sich mit neuen Apps außerdem dem Bereich Prävention. Allerdings sind die Patienten laut GTAI oft noch skeptisch, wenn sie von einer App oder einem Roboter eine erste Diagnose oder einen Behandlungsplan bekommen. Dasselbe gilt demnach für viele Ärzte in Singapur, die »erst noch überzeugt werden müssen, dass neue Technologien ihren etablierten Methoden überlegen sein können«.

In den VAE gibt es einen KI-Minister

Die Effizienz in ihrem Gesundheitssystem wollen auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erhöhen. Unter anderem dafür hat der Wüstenstaat als einziges Land der Welt einen eigenen Minister für KI, Omar Sultan Al Olama. Ziel der KI-Strategie der Emirate ist es, vor allem chronische Krankheiten zu reduzieren. Am meisten investiert hat nach Angaben der GTAI der öffentliche Sektor in Digital Health- und KI-Lösungen. Dessen Budget ist jedoch durch die Pandemie sowie den Ölpreis-Abfall sehr geschrumpft. Für den gesamten KI-Markt waren demnach ursprünglich Investitionen von umgerechnet knapp 1,8 Milliarden Euro vorgesehen. Nun werde eine stärkere Beteiligung des Privatsektors auschlaggebend sein, heißt es. Zumal die Krise die Nachfrage nach intelligenten Gesundheitsdiensten noch verstärkt habe.

Software-Lösungen kommen jedoch oft von ausländischen Gesundheitsdienstleistern in die VAE. Deutsche Produkte gelten als »überragend im Hinblick auf Qualität und Technik«. Darüber hinaus sind amerikanische IT-Lösungen sowie Produkte aus Südkorea gefragt. Aufgrund der Verluste während der Pandemie könnten nach GTAI-Eischätzungen nun zudem preisgünstigere Alternativen aus China relevanter werden.

Kosten für digitale Hilfsmittel hatten bereits vor der Pandemie immer häufiger die Krankenkassen übernommen. Während der Coronavirus-Krise dann stellte die Regierung der Bevölkerung telemedizinische Dienste sogar kostenfrei zur Verfügung. Ein umfassendes Gesetz für Digital Health existiert in den VAE allerdings aktuell nicht. In diesem Jahr ist lediglich ein Gesetz erlassen worden, das der GTAI zufolge den Umgang mit elektronischen Patientendaten »sehr lax« reguliert, »keine Kontrollen für die Umsetzung« vorsieht sowie »Vorschriften sehr lückenhaft« definiert. Zuvor hatte nur das Gesundheitsministerium in Abu Dhabi 2013 einen eigenen rechtlichen Rahmen für die Telemedizin abgesteckt. Darin war geregelt, dass die Anbieter keine Medikamente verschreiben dürfen. Ausnahmen existieren in Dubai, wo die Diagnose und die Ausstellung von E-Rezepten erlaubt ist.

Ein Roboter stellt Rezepte aus

Besonders schnell beim Erstellen von Verordnungen ist ein Roboter-Apotheker, der seit 2017 unterstützend im Dubai Hospital zum Einsatz kommt. Er kann demnach bis zu 35.000 Medikamente lagern und zwölf Rezepte pro Minute erstellen. Von Interesse ist KI in den Emiraten aber ebenfalls im Bereich der Früherkennung von Augenerkrankungen wie diabetischer Retinopathie. Der Technologie gelinge es, diese mit 96-prozentiger Sicherheit frühzeitig zu erkennen, heißt es.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen steht ebenfalls in Vietnam ganz weit oben auf der Regierungsagenda. Telemedizin sowie eine elektronisch stärkere Anbindung von regionalen Satellitenkrankenhäusern sollen die Gesundheitsversorgung insbesondere auf dem Land verbessern, um die städtischen Krankenhäuser zu entlasten. Mobiltelefone seien in Vietnam auch in den entlegensten Regionen verbreitet und die überwiegend junge Bevölkerung sei sehr internetaffin, heißt es. Sie stünden neuen Versorgungsmöglichkeiten und virtueller Unterstützung beim gesundheitlichen Selbstmanagement offen gegenüber. Daher dürfte das Land laut GTAI trotz seines eher unteren Einkommensniveaus gut für digitale Reformen aufgestellt sein. Viele Vietnamesen scheuen den Arztbesuch. Für einen Großteil der Untersuchungen müssen sie nämlich selbst aufkommen. Außerdem sind die Wartezimmer meist überfüllt. Da sind digitale Angebote beliebter, weil sie deutlich komfortabler und günstiger sind, obwohl die Patienten auch diese Hilfsmittel oft selbst bezahlen müssen.

Hauptsache günstig und modisch

Aber junge Vietnamesen lieben Apps. Vor allem die Chat-Funktion, mit der sie bestenfalls rund um die Uhr Gesundheitspersonal erreichen können wollen. Und sie schätzen jegliche Wearables – solange diese günstig und modisch sind. Es überrascht also kaum, dass während der Krise die Corona-Tracking-Apps in Vietnam großen Zulauf hatten. Bereits nach wenigen Wochen habe etwa die Anwendung »Suc Khoe Viet Nam«, hinter der das Gesundheitsministerium steht, mehr als 500.000 Downloads gehabt, heißt es in dem GTAI-Bericht. Im Falle einer Erkrankung muss die betroffene Person in der App ihren vollen Namen und Adresse angeben. Zudem werden der Gesundheitsstatus sowie Daten zu den Familienangehörigen veröffentlicht. Dies scheine den Nutzern angesichts der Pandemie gleichgültig zu sein. Als bequeme Möglichkeit gilt darüber hinaus die App »Doctor Anywhere«, die sowohl Online- und Videountersuchungen anbietet als auch die anschließende Verordnung und Lieferung von Arzneimitteln übernimmt.

Die Strategie des vietnamesischen Gesundheitsministeriums sieht vor, bis zum Jahr 2025 Krankenakten von 95 Prozent der Patienten elektronisch zu führen. Die Zeichen stehen gut: Derzeit sind bereits 99,5 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen an das Internet angebunden und mit dem vietnamesischen Sozialversicherungsträger des Landes vernetzt.

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