Vergiftungen im Haushalt |
Vergiftungen, Verätzungen, Verletzungen: Das häusliche Umfeld birgt zahlreiche Gefahren. / Foto: Adobe Stock/FotoHelin
Dass sich die meisten Vergiftungsunfälle im häuslichen Umfeld ereignen, zeigen nicht nur die jahrzehntelangen Erfahrungen der Giftinformationszentren. Diese Erkenntnis wird auch durch die statistische Auswertung der Anfragezahlen der letzten zehn Jahre des Giftnotrufes Erfurt bestätigt (Grafik 1).
Die Anfragestatistik zeigt außerdem, dass Kleinkinder im häuslichen Umfeld am häufigsten von Vergiftungs(verdachts)fällen betroffen sind (Grafik 2). Diese gelten somit als besondere Risikogruppe. Allerdings stellen auch Senioren mit Demenz sowie Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zusätzliche Risikogruppen dar, bei denen vermeintlich harmlose Noxen unter Umständen zu schweren Vergiftungen führen können.
Grafik 1: Eine statistische Auswertung der Anfragezahlen von 2010 bis 2019 des GGIZ belegt, dass die meisten Unfälle im Haushalt und im Garten passieren (Quelle: GGIZ). / Foto: PZ/Pfeifer
Grafik 2: Von Vergiftungs(verdachts)fällen sind insbesondere Kleinkinder betroffen (Quelle: GGIZ). / Foto: PZ/Pfeifer
Mit dem Begriff »Noxe« bezeichnet man die Stoffe oder Chemikalien, aber auch Pflanzen, Tiere und weitere Umwelteinflüsse, die bei einer (möglichen) Vergiftung als Auslöser genannt werden. Hier umfasst der Begriff »Chemikalien« sämtliche Haushaltsprodukte wie zum Beispiel Wasch- und Reinigungsmittel, Blumendünger, Raumduftmittel, Grillanzünder, Klebstoffe, Farben und Lacke. Eine Übersicht über die am häufigsten angefragten Noxen bei Kindern findet sich in Grafik 3.
Grafik 3: Top Ten der Haushaltsprodukte, die – neben Arzneimitteln – beim GGIZ mit Blick auf Kinder als die am häufigsten angefragten Noxen gelten (Quelle: GGIZ) / Foto: PZ/Pfeifer
Im Folgenden kann nur ein Teil der vielfältigen, möglicherweise im Haushalt relevanten Noxen beschrieben werden. Wenngleich Arzneimittel die am häufigsten angefragte Noxengruppe darstellen, sollen diese hier nicht Thema sein. Detaillierte Informationen zu ausgewählten Wirkstoffen sowie weiterführende Informationen finden sich auf der Webseite des Giftnotrufs Erfurt.
Im akuten Vergiftungsfall sollte der Giftnotruf immer telefonisch kontaktiert werden. Alle deutschsprachigen Giftinformationszentren sind 24 Stunden am Tag und an jedem Tag im Jahr erreichbar. Die Rufnummer des regional zuständigen Giftnotrufes sollte in jeder Apotheke für alle Mitarbeiter schnell zugänglich sein. Eine Übersicht der Zentren in Deutschland mit den jeweiligen Notrufnummern ist unter anderem auf der Homepage des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie auch unter www.pharmazeutische-zeitung.de/service/giftinfo aufgezeigt.
In jedem Haushalt finden sich viele verschiedene Putzmittel, die häufig nicht zuletzt wegen ihres ansprechenden und bunten Produktdesigns insbesondere Kleinkinder dazu verlocken, mit ihnen zu spielen oder diese gar zu »probieren«. Jedoch auch Erwachsene der genannten Risikogruppen werden oft von diesen Mitteln angezogen. Reiniger oder Spülmittel mit Verpackungen, auf denen bunte Früchte abgebildet sind und die gar entsprechend fruchtig riechen, können so zur Gefahr werden – zumal Erwachsene oft größere Mengen als Kleinkinder verschlucken. So kam es bereits zu Todesfällen bei Senioren nach Ingestion tensidhaltiger Produkte (1).
Mit Konzentrationen von etwa 10 bis 20 Prozent sind Tenside die Hauptinhaltsstoffe der meisten haushaltsüblichen Wasch- und Reinigungsmittel, also Spülmittel, Waschmittel und Allzweckreiniger. In Bad- und WC-Reinigern sowie auch WC-Steinen und ähnlichen Produkten sind zusätzlich schwache Säuren enthalten.
In jedem Haushalt finden sich viele verschiedene Putzmittel, die nicht zuletzt wegen ihres ansprechenden und bunten Produktdesigns Kleinkinder dazu verlocken, sie zu »probieren«. / Foto: Adobe Stock/Vladimir Voronin
Alle diese Erzeugnisse wirken reizend auf die Haut und Schleimhaut und können nach Verschlucken neben Halskratzen auch Brechreiz und Durchfall auslösen. Zudem führen sie im Körper zu einer Schaumbildung. Bei vermehrtem Schäumen im Magen und anschließendem Erbrechen besteht daher die Gefahr einer Schaumaspiration, also dem Einatmen des Schaumes in die Lunge.
Keinesfalls sollte jetzt ein Erbrechen ausgelöst oder provoziert werden. Auch sollte nur wenig Flüssigkeit nachgetrunken werden. Viel trinken ist nicht indiziert, da dies zu einer vermehrten Schaumbildung führen kann. Wird hingegen gar nichts getrunken, ist die Reizwirkung im Mund- und Rachenraum stärker und es kommt unter Umständen vermehrt zum Brechreiz.
Wenn vorhanden, sollten Kinder einen bis zwei Teelöffel eines entschäumenden Mittels wie einer Simeticon-Suspension erhalten. Simeticon verhindert aufgrund seiner Oberflächenaktivität die Schaumbildung und kann so das Risiko einer Schaumaspiration reduzieren. Bei Erwachsenen wird statt eines Teelöffels ein Esslöffel verwendet.
Falls größere Mengen verschluckt wurden oder schwere Symptome wie anhaltendes Erbrechen und starker Hustenreiz auftreten, sollte immer eine ärztliche Konsultation erfolgen beziehungsweise im Notfall unter der Rufnummer 112 der Rettungsdienst alarmiert werden. Bei Unklarheiten ist eines der Giftinformationszentren zu konsultieren.
Neben den oben genannten Wasch- und Reinigungsmitteln gibt es weitere Erzeugnisse, die aufgrund ihres etwas höheren Risikos noch gesondert aufgeführt werden sollen. Dazu zählen die inzwischen vielerorts angebotenen Waschmittel-Gelkissen, also Waschmittel-Caps, -Pods und -Pads. In diesen beträgt die Tensidkonzentration oft über 70 Prozent, was zur Folge hat, dass sie deutlich stärker reizend wirken als Produkte mit geringeren Konzentrationen.
Hier sind nicht nur die Magen-Darm-Symptome stärker ausgeprägt. Bei Augenkontakt kann es zudem zu einer sehr starken Reizwirkung bis hin zur Hornhautschädigung kommen. Generell gilt, dass nach Kontakt einer Noxe mit den Augen umgehend mit reichlich lauwarmem Wasser für mindestens zehn bis zwanzig Minuten gespült werden muss. Bei anhaltender Augenreizung sollte immer ein Augenarzt aufgesucht werden.
Bei Augenexpositionen muss für mindestens zehn bis zwanzig Minuten mit lauwarmem Wasser gespült sowie gegebenenfalls ein Augenarzt konsultiert werden. / Foto: Adobe Stock/triocean
Zusätzlich finden sich in vielen Haushalten Reinigungsmittel, die ätzend wirken. Diese Produkte sind meist Abfluss- und Rohrreiniger, es gibt allerdings auch andere Reiniger, wie Grill- und Backofenreiniger sowie einige Hygiene- oder Desinfektionsreiniger, die zu Verätzungen führen können. Nach Verschlucken solcher Reiniger ist immer der Rettungsdienst zu alarmieren. Verdünnungs- und Neutralisationsversuche sind zu unterlassen. Nach Haut- oder Augenkontakt sollte auch hier sofort mit Wasser gespült werden. Ohne Beschwerden kann anschließend Rücksprache mit dem Giftinformationszentrum erfolgen. Bei Symptomen wird eine umgehende Arzt- oder Klinikvorstellung empfohlen.
Ausdrücklich gewarnt werden muss vor dem Umfüllen von Reinigern oder anderen Chemikalien in Getränkeflaschen. Auch wenn bekannt sein sollte, dass in Lebensmittelbehältnisse inklusive Flaschen keine »artfremden« Substanzen eingefüllt werden sollen, kommt dieses nur allzu häufig vor, sodass entsprechende Unfälle keine Seltenheit sind.
Besonders gefährlich wird es, wenn gewerbliche Reinigungs- oder Desinfektionsmittel in gar nicht oder nur unzureichend beschriftete Getränkeflaschen umgefüllt werden. Da diese Erzeugnisse in der Regel deutlich gefährlicher als haushaltsübliche Produkte sind, kann es bei einer versehentlichen Ingestion zu schweren Vergiftungen kommen. Hier sollte in jedem Fall ein Giftinformationszentrum konsultiert beziehungsweise notfalls der Rettungsdienst alarmiert werden.
Wie die bereits oben genannten Putzmittel enthalten auch Seifen, Duschgels, Schaumbäder, Shampoos und andere Reinigungsmittel für die Haut vor allem Tenside in Konzentrationen von maximal 20 Prozent. Bei diesen Kosmetika sind sowohl die Gefährdung als auch das Vorgehen nach Verschlucken in Analogie zu betrachten.
Auch Cremes und Lotionen werden häufig durch Kinder und andere Angehörige der beschriebenen Risikogruppen »ausprobiert«. Der angenehme, oft fruchtige Duft sowie bisweilen auch die Konsistenz, die an Pudding oder Milch erinnern kann, verleiten geradezu zum Naschen.
Auch Cremes und Lotionen verleiten Kinder häufig zum »Naschen«. / Foto: Adobe Stock/GreenArt
Da diese Kosmetika per Gesetz (2) keine giftigen Inhaltsstoffe enthalten dürfen, besteht in diesen Fällen keine Vergiftungsgefahr. Nach Ingestion größerer Mengen kann es zu Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen oder Durchfall kommen und, ähnlich wie bei Erbrechen nach einer Tensidingestion, unter Umständen zu einer Aspiration. Aus diesem Grund sollten insbesondere Patienten mit Brechreiz hinsichtlich des Auftretens von Atemwegssymptomen beobachtet und gegebenenfalls einem Arzt vorgestellt werden. Cremes und andere Mittel, die einen oder mehrere arzneilich wirksame Inhaltsstoffe enthalten, sind hier ausgenommen und müssen anhand der Wirkstoffe toxikologisch beurteilt werden.
Sehr oft sind auch Nagellackentferner Auslöser entsprechender Anfragen. Da es viele verschiedene Produkte mit unterschiedlicher Zusammensetzung gibt, kann hierzu keine pauschale Empfehlung gegeben werden. Die häufigsten Inhaltsstoffe sind Lösungsmittel beziehungsweise Alkohole in höherer Konzentration, die mengenabhängig einen Rauschzustand, aber auch Organschäden auslösen können.
Gleiches gilt für die besonders in der aktuellen Corona-Situation vermehrt genutzten Haushalts- und Händedesinfektionsmittel. So gehen beim Giftnotruf Erfurt immer häufiger auch Anfragen zu Händedesinfektions- und Handhygiene-Gels ein. Seit 2009 gab es insgesamt 380 Anfragen, davon 360 zu Babys und Kleinkindern, die von den zu Marketingzwecken meist attraktiv gestalteten Produkten gekostet haben.
Besonders Produkte, die auffällig bunt beziehungsweise mit einem speziellen Duft versehen sind, verleiten Kleinkinder zum Spielen und auch zum Probieren. Eltern und Angehörige sollten daher darauf hingewiesen werden, dass selbst Desinfektionsmittel »für unterwegs«, wie alle anderen Hygiene- und Reinigungsprodukte auch, unbedingt außer Reichweite von Kindern aufbewahrt werden müssen – und keinesfalls, wie in der Werbung empfohlen, am Griff des Kinderwagens. Nach Ingestion dieser Mittel sollte immer ein Giftinformationszentrum kontaktiert werden.
Wie sich ebenfalls in der Abbildung 4 erkennen lässt, finden sich neben Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika in jedem Haushalt eine Vielzahl anderer Erzeugnisse, die zu Vergiftungsunfällen führen.
Tabakprodukte scheinen zwar auf den ersten Blick unattraktiv für Kinder, werden aber dennoch häufig gekostet oder verschluckt. Eine mögliche Erklärung dafür ist das Nachahmungsverhalten insbesondere von Kleinkindern: Diese beobachten, wie sich Erwachsene – in den meisten Fällen die Eltern – oftmals mehrmals täglich eine Zigarette in den Mund stecken. Da sie das Rauchen noch nicht vom Essen unterscheiden können, denken sie folglich, das müsse etwas sehr Leckeres sein – und wollen auch probieren. Da das in Tabak enthaltene Nikotin gut wasserlöslich ist und bereits in geringen Mengen Symptome auslösen kann, ist in jedem Fall ein Giftinformationszentrum zu kontaktieren.
Tabakprodukte scheinen zwar auf den ersten Blick unattraktiv für Kinder, werden aber von ihnen bei dem Versuch, Erwachsene nachzuahmen, dennoch häufig gekostet oder verschluckt. / Foto: Adobe Stock/Bette Ennen
Kohlenanzünder ist gerade in den Sommermonaten in fast jedem Haushalt zu finden. Meist wird die feste Variante verwendet, aber auch flüssiger Grillanzünder kommt häufig vor. Hier unterscheidet sich das von den verschiedenen Varianten ausgehende Risiko signifikant. Während bei festen Anzündprodukten der Brennstoff – in der Regel aliphatische Kohlenwasserstoffe – an eine feste Matrix gebunden ist und nach Verschlucken maximal Magen-Darm-Beschwerden verursacht, besteht bei den flüssigen Anzündern erhebliche Aspirationsgefahr.
Generell sollte auch hier kein Erbrechen ausgelöst werden. Denn: Nach dem Erbrechen, unter Umständen aber aufgrund ihrer niedrigen Oberflächenspannung bereits beim Verschlucken, können die Erdöldestillate in die Atemwege gelangen und dort eine sogenannte chemische Pneumonitis hervorrufen. Dieses Krankheitsbild tritt auch nach Ansaugen von Benzin aus Fahrzeugtanks sowie bei Feuerschluckern häufig auf und bedarf immer einer Behandlung im Krankenhaus.
Knicklichter oder Leuchtstäbe sind besonders im Herbst und Winter beliebt und ziehen gerade Kleinkinder auf der Suche nach Spielzeug magisch an. In den meisten Fällen wird das Knicklicht aufgebissen, sodass ein Teil der Flüssigkeit in den Mund gelangt beziehungsweise geschluckt wird.
Zwar besteht die Leuchtflüssigkeit aus Chemikalien wie Phthalaten und Wasserstoffperoxid, die reizend wirken können, aufgrund der geringen Mengen ist jedoch bis zum Inhalt eines ganzen Knicklichtes selbst beim Kleinkind nicht mit schweren Vergiftungssymptomen zu rechnen. Gastrointestinale Beschwerden sind möglich, können meist aber auch durch Laien behandelt werden.
Gelangt die Flüssigkeit ins Auge, so ist dort die Reizwirkung unter Umständen deutlicher ausgeprägt. Wie bei allen Expositionen am Auge sollten eine sofortige Augenspülung – wie oben beschrieben – und bei anhaltender Reizung auch die Vorstellung beim Augenarzt erfolgen.
Haushaltsentkalker enthalten meist schwache organische oder anorganische Säuren in nicht ätzenden Konzentrationen. Es gibt jedoch auch einzelne Konzentrate mit höheren Säureanteilen, die unverdünnt ätzend wirken können.
Zumeist kommt es zu Expositionen, wenn die Kaffeemaschine oder der Wasserkocher mit einem Entkalker behandelt und anschließend nicht ausgeleert beziehungsweise ausgespült wurde. In diesen Fällen ist das Mittel schon verdünnt und kann beim Verschlucken maximal reizend auf den Magen-Darm-Trakt wirken.
Vorsicht ist jedoch geboten, wenn mit der gebrauchten Entkalkerlösung Säuglingsnahrung zubereitet wird. Insbesondere bei jungen Säuglingen, die mit größeren Säuremengen konfrontiert wurden, kann es zu einer resorptiven Azidose kommen. Bei größeren Säuglingen und Kleinkindern besteht diese Gefahr maximal bei Verwendung sehr konzentrierter Lösungen. Zur Einschätzung der Gefährdung sollte deshalb immer eine Dosisrechnung erfolgen und Säuglinge mit einer aufgenommenen Säuremenge von rechnerisch über 200 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht zur Kontrolle der Blutgase in die nächste Kinderklinik geschickt werden.
Auch Knopfbatterien, wie sie in Spielzeug, Taschenlampen oder Hörgeräten verwendet werden, können eine Gefahr darstellen, wenn sie verschluckt werden. Meist sind Kleinkinder betroffen. Allerdings kommt es auch vor, dass Senioren kleine Hörgerätebatterien mit Tabletten verwechseln und »einnehmen«.
Beim Verschlucken von Knopfbatterien sind schwere Symptome möglich. / Foto: Adobe Stock/NorGal
Beim Verschlucken können Knopfbatterien in der Speiseröhre steckenbleiben und dort zu einer Schädigung führen. Zum einen kann es durch den Druck auf die Schleimhaut eine Gewebeschädigung bis hin zur Drucknekrose geben, zum anderen kann – im Übrigen auch noch bei bereits entladenen Batterien – durch Stromfluss am negativen Pol (Kathode) der Knopfzelle Natronlauge (NaOH) entstehen, wodurch eine Laugenverätzung möglich ist.
Wird dies nicht rechtzeitig bemerkt und die Batterie entfernt, sind schwere bis lebensbedrohliche Symptome möglich und auch Todesfälle wurden beschrieben (3). Daher muss auch schon beim Verdacht auf eine Ingestion immer eine Vorstellung im Krankenhaus erfolgen, damit die Knopfzelle lokalisiert sowie gegebenenfalls geborgen werden kann. Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, sollte besonders bei Risikopatienten immer der Rettungsdienst alarmiert werden.
Im Gegensatz dazu besteht bei anderen haushaltsüblichen Batterien meist vom Typ AA oder AAA beim Verschlucken vordergründig ein sogenanntes Fremdkörperproblem. Das heißt, die Batterien können je nach Größe und Lage im Gastrointestinaltrakt zum Passagehindernis werden. Der Batterieinhalt ist bei intakten Batterien aus toxikologischer Sicht dann nicht relevant.
Während die bisherigen Noxen vorwiegend bei Kleinkindern und anderen Risikogruppen zu akzidentellen Expositionen führen, soll an dieser Stelle noch eine mehrheitlich bei Erwachsenen angefragte Produktgruppe angesprochen werden: Frostschutzmittel, die meist Alkohole wie Ethanol und Ethylenglykol enthalten und als Kühler- beziehungsweise Scheibenfrostschutz für Fahrzeuge angeboten werden. Auch hier kommt es häufig zu Vergiftungen durch die falsche Handhabung dieser Mittel.
Die anwendungsfertigen Produkte der Konzentrate, die vor Gebrauch mit Wasser verdünnt werden müssen, werden – ähnlich wie Reiniger – oftmals in Getränkeflaschen umgefüllt, die im Auto aufbewahrt werden. So passiert es immer wieder, dass (Mit-)Fahrer bei Durst zu der zumeist auch noch unbeschrifteten Flasche greifen. Zu Expositionen kann es kommen, wenn der Kühlerfrostschutz aus einem Fahrzeug über einen Schlauch angesaugt und dabei versehentlich verschluckt wird. Weil insbesondere Ethylenglykol schwere Nierenschädigungen auslösen kann, werden auch hier immer die Rücksprache mit dem Giftnotruf und meist eine Klinikvorstellung empfohlen.
Im Haushalt und häuslichen Umfeld werden bei den Giftnotzentren meist Zimmerpflanzen angefragt, insofern soll auch in diesem Artikel primär auf diese eingegangen werden. Einzelne Freilandpflanzen, die besonders oft zur Anfrage kommen, werden aber ebenfalls berücksichtigt. Die am häufigsten vorkommenden Zimmerpflanzen gehören zu den Familien der Feigen (Ficus benjamina, Gummibaum), Aronstabgewächse (Ladypalme, Dieffenbachie, Monstera), Dickblattgewächse (Affenbrotbaum) und Orchideen (Phalaenopsis).
Es gibt keine hochgiftigen Zimmerpflanzen. Bei den meisten ist nach Verschlucken geringer Mengen maximal mit Magen-Darm-Beschwerden zu rechnen. Diese sind durch die Eltern meist gut behandelbar. Allerdings können reizend wirkende Pflanzen in seltenen Fällen eine Schwellung im Mund-Rachen-Raum bewirken und hauptsächlich bei Säuglingen und jungen Kleinkindern zu Atemnot führen. In diesen Fällen ist umgehend der Notruf 112 zu wählen.
www.ggiz-erfurt.de
Das gemeinsame Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (GGIZ) zeigt auf seiner Homepage nicht nur auf, was im Notfall zu tun ist. Es schildert auch, welche Maßnahmen zur Vorbeugung ergriffen werden können. Unter dem Stichwort »Giftinformation« werden Details zu besonders häufigen Vergiftungen genannt und Empfehlungen zum richtigen Verhalten im Vergiftungsfall genannt.
www.bfr.bund.de
Auf der Webseite des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind unter den Stichworten Lebensmittel-, Produkt- beziehungsweise Chemikaliensicherheit weitere Hintergrundinformationen zu den aufgezeigten Produkten zu finden. Hier lässt sich auch kostenlos die BfR- App »Vergiftungsunfälle bei Kindern« herunterladen, aus der heraus im Notfall direkt eines der zuständigen deutschen Giftinformationszentren angerufen werden kann. Die BfR-App wurde für Smartphones mit den Betriebssystemen Android und iOS entwickelt. Einmal installiert, kann die BfR-App auch ohne Internetzugang genutzt werden.
Auch Wolfsmilchgewächse finden sich in vielen Haushalten und Gärten. Die Pflanzen dieser Familie besitzen einen stark reizenden Milchsaft, der beim Abschneiden oder Abreißen von Pflanzenteilen, aber auch beim Kauen auf den Blättern austritt. Dieser kann teils verbrennungsähnliche Reizungen der Haut und Schleimhaut mit Schmerzen und Blasenbildung verursachen, wobei die Symptome noch am Folgetag auftreten können. Bei Augenkontakt mit dem Milchsaft besteht außerdem die Gefahr einer Hornhautschädigung. In diesen Fällen wird immer eine Vorstellung beim Augenarzt empfohlen.
Andere im Freiland zu findende Pflanzen, die zu starker Hautreizung mit verbrennungsähnlichen Symptomen führen können, gehören der Familie der Doldenblütler an. Der bekannteste Vertreter ist der Bärenklau (Wiesen- und Riesenbärenklau), aber auch andere Doldengewächse können vergleichbare Symptome auslösen. Hier ist die Ursache jedoch keine direkte Reizwirkung des Pflanzensaftes, sondern eine phototoxische Reaktion, die nach Kontakt der Haut mit den Inhaltsstoffen der Pflanze und UV-Einstrahlung (Sonnenlicht) auftritt. Im Fall einer deutlichen Symptomatik sollte auch hier eine Vorstellung beim Arzt erfolgen.
Die häufigsten Anfragen zu Freilandpflanzen beziehen sich allerdings auf Beeren und Früchte. Hier gibt es sehr viele verschiedene Arten und Familien, die im Sommer und Herbst meist bunte Beeren ausbilden, welche gerade bei Kleinkindern sehr beliebt sind. Generell kann man aber sagen, dass – mit Ausnahme von einzelnen Pflanzen, wie zum Beispiel Seidelbast und Tollkirsche – bei Verschlucken von weniger als fünf Stück der meisten Früchte keine schweren Vergiftungen zu erwarten sind (4).
Im Sommer und Herbst sind es meist bunte Beeren und Früchte, die eine große Anziehungskraft für Kleinkinder besitzen. / Foto: Adobe Stock/JRG
Auch die Schoten von Schmetterlingsblütlern verleiten Kinder immer wieder zum Naschen der »Erbsen«. Während die meisten Arten dieser Familie eher unproblematisch sind, kann es nach Verzehr der Samen und Schoten vom Goldregen durchaus zu deutlichen Vergiftungssymptomen kommen.
Um Pflanzen sicher zu identifizieren und anhand dessen die Gefährdung nach Verschlucken beurteilen zu können, ist in jedem Fall der Kontakt zum Giftnotruf empfohlen.
Anne Stürzebecher studierte von 1997 bis 2001 Pharmazie an der Philipps-Universität, Marburg, bevor sie nach ihrer Promotion 2005 eine Weiterbildung zur Fachapothekerin für Klinische Pharmazie (2006 bis 2010) absolvierte. Seit 2011 ist sie als beratende Apothekerin am Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen c/o HELIOS Klinikum Erfurt tätig. Sie ist Humantoxikologin der Gesellschaft für Klinische Toxikologie (GfKT). Ihr spezielles Arbeitsgebiet umfasst die Toxinologie von Pflanzen und Tieren.