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SARS-CoV-2-Impfstoffe – Teil 2

Vektorviren als Plattform 

Bei der Suche nach Pandemie-Impfstoffen gewinnen Plattformtechnologien an Bedeutung. Unter diesen sind Vektorimpfstoffe prominent vertreten. Die Basis bilden harmlose Viren, deren Genom zusätzlich die Bauanleitung für ein Coronavirus-Protein enthält. So wird das Impfantigen von den Zellen des Geimpften selbst produziert. Zwei Kandidaten nach diesem Prinzip sind schon in der klinischen Entwicklung.
Theo Dingermann
09.07.2020  18:36 Uhr

Seit vielen Jahren verfolgen Forscher im Rahmen der Weiterentwicklung von Impfstoffkonzepten die Idee, den Körper Impfantigene selbst herstellen zu lassen. Eine dieser Strategien, die jüngst bei einem ersten zugelassenen Impfstoff zum Schutz vor Ebola realisiert wurde, ist das Konzept der Vektorimpfstoffe. Dieses Prinzip wird auch bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 verfolgt.

Bei Vektorimpfstoffen wird das Genmaterial für ein Impfantigen in ein infektionsfähiges, gut bekanntes Trägervirus eingebaut, das dann als Impfstoff injiziert wird. Dieser Vektor dient als eine Art Genfähre, die genetisches Material in die Körperzellen einschleust. Dort wird das zusätzliche Gen für das Impfantigen in dem Vektorvirus abgelesen und in ein virales Protein übersetzt, das dann im Geimpften die Produktion von Antikörpern und spezifischen T-Zellen gegen dieses Antigen provoziert.

Vektorimpfstoffe sind eine klassische Plattformtechnologie: Wenn einmal ein geeignetes Trägervirus eta­bliert ist, lässt sich auf dieser Basis (Plattform)  prinzipiell gegen jeden gewünschten Erreger eine Vakzine entwickeln. Wenn der Impfstoff gegen Ebola gerichtet sein soll, wird dem Vektorvirusgenom ein Ebola-Gen zu-gefügt, bei SARS-CoV-2-Impfstoffen entsprechend ein Gen des Coronavirus.

Wie bei den Ganzvirus-Impfstoffen gibt es auch bei den Vektorimpfstoffen replizierende Vektorviren und nicht replizierende Vektorviren. Dies können RNA-Viren sein, zum Beispiel das Vesikuläre Stomatitis-Virus (VSV) oder das Masernvirus, oder auch DNA-Viren, zum Beispiel das Pockenvirus oder verschiedene Adenoviren. Die Viren können eine Hülle besitzen, wie VSV oder das Pockenvirus, oder unbehüllt sein, zum Beispiel Adenoviren.

Replizierende virale Vektoren

Verschiedene Trägerviren kommen als replizierende virale Vektoren in Frage, darunter das Impfmasernvirus, das Pferdepockenvirus, ein attenuiertes Influenzavirus, VSV und das Schafpockenvirus (Orf-Virus). Ein zugelassener Impfstoff auf Basis dieser Plattform ist der Ebola-Impfstoff VSV-ZEBOV (Ervebo®), in dem das Glykoprotein G des VSV gegen das Ebola-Glykoprotein ausgetauscht wurde.

Eine wichtige Eigenschaft viraler Vektoren ist, dass sie unter anderem gut geeignet sind, virale Hüllproteine korrekt gefaltet und glykosyliert in vivo zu exprimieren, was die Induktion einer effizienten antiviralen Antikörperantwort begünstigt. Für bestimmte umhüllte Viren ist es außerdem möglich, das fremde Glykoprotein in die Membran des viralen Vektors einzubauen. Da die Antigene, deren genetische Information in das Vektorgenom integriert ist, von der infizierten Zelle exprimiert werden, induzieren virale Vektoren auch eine starke CD8+-T-Zell­-Antwort.

Virale Impfvektoren sind in der Regel so konstruiert, dass sie nicht ins Genom der Zielzelle integrieren, um das Risiko einer Insertionsmutagenese durch die Impfung zu minimieren. Sie vermehren sich nur für eine begrenzte Zeit in der geimpften Person, bis sie durch das Immunsystem kontrolliert und eliminiert werden. Daher werden die Impfantigene nur vorübergehend exprimiert, was jedoch in der Regel ausreicht, um gute Immunreaktionen zu induzieren.

Derzeit listet die Weltgesundheitsorganisation (WHO16 Projekte auf, in denen auf Basis replizierender viraler Vektoren Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 entwickelt werden. Keiner dieser Impfstoffkandidaten wird bisher klinisch getestet.

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