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Schnelltests zur Eigenanwendung

Union sieht Notzulassungen für Antigentests kritisch

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) möchte Schnelltests auch für den privaten Gebrauch freigeben. Völlig offen ist aber noch, wann solche Tests tatsächlich verfügbar sein werden. Das sorgte am Donnerstag auch im Bundestag für Diskussionen.
Stephanie Schersch
29.01.2021  09:00 Uhr

Zumindest in einem Punkt waren sich die Abgeordneten im Bundestag weitgehend einig: Antigentests auf das Coronavirus sind ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die Pandemie. Deren Einsatz hatte das BMG zuletzt immer wieder ausgebaut. In Kürze sollen sich nun auch Laien in Eigenregie testen können– vorausgesetzt, es gibt ausreichend Testkits, die für den Heimgebrauch zugelassen sind.

Wann genau das aber der Fall sein wird, ist noch völlig unklar. Das Gesundheitsministerium will nur solche Tests für Laien erlauben, die ein entsprechendes Zertifizierungsverfahren durchlaufen haben. Bislang verfügt kein einziges Produkt über einen solchen Nachweis, so das BMG.Die Grünen fürchten daher, dass es noch sehr lange dauern wird, bis die Tests wirklich in der Breite zum Einsatz kommen können. Auch das BMG könne derzeit kein konkretes Datum nennen, beklagte Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen im Bundestag. Demnach könnte eine Hängepartie bis zum Ende des Jahres drohen. So weitermachen wie bisher dürfe die Bundesregierung daher nicht. »Sie sind immer mindestens drei Schritte zu langsam«, sagte Dahmen in Richtung der Regierungsbank.

Union will Hersteller nicht von der Haftung befreien

Die Grünen drängen für die Schnelltests vor diesem Hintergrund auf Ausnahmegenehmigungen im Rahmen der Zulassungsverfahren. Darüber hatte die PZ bereits am Dienstag berichtet. Solche Notzulassungen lässt das Medizinprodukte-Gesetz unter bestimmen Voraussetzungen zu. Dabei geht es den Grünen ausdrücklich um Tests, die bereits zugelassen sind und ein CE-Kennzeichen tragen, denen aber noch die Genehmigung für den Einsatz im Heimgebrauch fehlt. Fünf Hersteller haben Dahmen zufolge bereits Produkte im Portfolio, die über einen einfachen Abstrich im vorderen Nasenbereich funktionieren und in Österreich zum Teil bereits von Laien genutzt werden können. Er könne daher keine Probleme für einen entsprechenden Einsatz auch in Deutschland erkennen, so Dahmen.

In der Union sieht man solche Ausnahmen deutlich kritischer. So würden die Hersteller im Rahmen einer Notzulassung von ihrer unternehmerischen Haftung befreit, sagte Rudolf Henke von der CDU. »Wir brauchen gesicherte Belege über die Qualität der Produkte.« Die Unternehmen müssten dabei ihrer Beweispflicht nachkommen. Auch sein Parteikollege Michael Hennrich zeigte sich skeptisch. Die Erfahrungen aus Österreich mit den Selbsttests seien nicht nur positiv, sagte er. »Wir sollten das Thema daher besonnen angehen.«

Ähnlich äußerte sich auch FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann. Die Qualität habe oberste Priorität. Grundsätzlich müsse man beim Testen aber schneller und besser werden, sagte er auch mit Blick auf die USA, die bereits im November 2020 einen Heimtest zugelassen haben. »Was die Amerikaner können, das können wir in Europa genauso erreichen«, so Ullmann.

Linke drängt auf staatliche Preisvorschriften 

Die Sozialdemokraten wollen nichts überstürzen und sehen noch Klärungsbedarf, bevor sich Laien selbst auf das Coronavirus testen können. So müssten Bund und Länder gemeinsam entscheiden, wo ein großflächiger Einsatz der Schnelltests im Rahmen sogenannter Screenings wirklich sinnvoll sei, sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich. Darüber hinaus müsse man prüfen, wann eine Erstattung durch die Krankenkassen möglich ist. Sie rechne mit einer zeitnahen Zulassung geeigneter Tests, sagte Stamm-Fibich. »All diese Fragen müssen vorab geklärt werden.«

Handlungsbedarf sieht auch die Linksfraktion im Bundestag. So warnte ihr gesundheitspolitischer Sprecher Achim Kessler aufgrund fehlender Preisvorschriften vor einer ungerechten Verteilung der Tests. Zwar hatte das BMG die Preise vorübergehend reguliert, die entsprechende Verordnung zu Jahresbeginn aber wieder außer Kraft gesetzt. »Damit haben Sie die Tore für überhöhte Preise geöffnet«, so Kessler. Wenn sich aber nur Besserverdiener einen Schnelltest leisten könnten, sei die erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie in Gefahr. Die Bundesregierung müsse die Preise für die Testkits daher unbedingt staatlich regulieren.

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