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US-Studie

Ungeimpfte haben höheres Long-Covid-Risiko als Geimpfte

Welche Faktoren stehen im Zusammenhang mit Long Covid? Dieser Frage widmet sich eine in »JAMA Network Open« publizierte Studie. Danach haben Patienten, die zum Zeitpunkt einer SARS-CoV-2-Infektion nicht geimpft waren, ein deutlich erhöhtes Risiko für langanhaltende Symptome nach Covid-19. Gleiches gilt für schwer Erkrankte. 
Theo Dingermann
26.01.2023  07:00 Uhr

In dieser Kohortenstudie aus den USA analysierten Forschende um Dr. Stephanie A. Richard von der University of the Health Sciences in Bethesda, Maryland, die Daten von 1832 Erwachsenen im Alter von 18 Jahren oder älter, die vom 28. Februar 2020 bis zum 31. Dezember 2021 positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren und über ein Jahr nachbeobachtet wurden. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt im Journal »JAMA Network Open« publiziert. Alle Patienten waren Teilnehmer der EPICC-Studie (Epidemiologie, Immunologie und klinische Merkmale neu auftretender Infektionskrankheiten mit pandemischem Potenzial), die vom US-Gesundheitsversorgungssystem MHS (Military Health System) durchgeführt wurde.

Ziel war es zum einen, Post-Covid-Inzidenzen (PCC), die mit Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Gelenkschmerzen, Angstzuständen, Depressionen und anderen Symptomen einhergehen, unter den Teilnehmern der Studie zu identifizieren. Zum anderen sollte der Zusammenhang zwischen einer Coronaimpfung vor der SARS-CoV-2-Infektion und einer Coronaimpfung nach der Infektion mit persistierenden Covid-19-Symptomen quantifiziert werden. Und schließlich sollten die Häufigkeit organspezifischer medizinischer Behandlungen vor und nach der SARS-CoV-2-Infektion verglichen werden.

Die Studienteilnehmer waren relativ jung und vor der Infektion gesund

Die 1832 Teilnehmer dieser Studie waren in der Mehrzahl zwischen 18 bis 44 Jahre alt, 61 Prozent waren männlich. Zudem wiesen die meisten der eingeschlossenen Studienteilnehmer (70,4 Prozent) keine ausgeprägten Komorbiditäten auf und waren zum Zeitpunkt der SARS-CoV-2-Infektion ungeimpft (77,1 Prozent). Nur 236 Teilnehmer (12,9 Prozent) wurden aufgrund eines schweren Covid-19-Verlaufs stationär behandelt.

Bei insgesamt 728 Teilnehmer (39,7 Prozent) hielt die Krankheitsdauer 28 Tage oder länger an (bei 364 Patienten 28 bis 89 Tage: bei 364 Patienten ≥ 90 Tage). Unter diesen Teilnehmern waren die häufigsten Symptome, die einen Monat nach Symptombeginn als mäßig oder schwer eingestuft wurden, Müdigkeit (6,5 Prozent), Bewegungseinschränkung (5,9 Prozent), Atemnot (4,7 Prozent), Verlust des Geruchs- und/oder Geschmackssinns (5,3 Prozent) und Husten (3,8 Prozent). Unter denjenigen, die an einer Befragung nach sechs Monaten teilnahmen (62,1 Prozent), gaben 111 (9,8 Prozent) an, zu dem Zeitpunkt immer noch an einem Covid-19-bezogenen Symptom zu leiden.

Impfen scheint einen gewissen Schutz vor dem Post-Covid-Syndrom zu bieten

Mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für eine Krankheitsdauer von 28 oder mehr Tagen mussten Teilnehmer rechnen, die zum Zeitpunkt der Infektion nicht geimpft waren (Risk Ratio [RR], 1,39), deren Ersterkrankung einen mittelschweren oder schwere Verlauf genommen hatte (mittelschwer: RR, 1,80; schwer: RR, 2,25), die über einen längeren Zeitraum stationär behandelt werden mussten (RR pro Krankenhaustag, 1,02) und bei denen ein Charlson-Komorbiditätsindex (CCI-Score) von mehr als 5 Punkten berechnet wurde (RR, 1,55).

Bei Patienten, die über einen längeren Zeitraum als 90 Tage über Symptome klagten waren die Ergebnisse prinzipiell ähnlich, wobei jedoch der Impfstatus und hohe CCI-Werte keinen Einfluss mehr auf die Risikosteigerung hatten.

Viele zuvor ungeimpfte Teilnehmer ließen sich nach der Infektion mindestens einmal impfen. Eine solche Impfung nach Auftreten der Symptome war mit einem um 41 Prozent geringeren Risiko verbunden, unter langanhaltenden Symptomen zu leiden (RR, 0,59).

Impfen schützt auch vor Begleitkrankheiten

Die Forschenden schauten sich auch die Begleitdiagnosen in den Krankenakten der Studienteilnehmer an. Danach erreichten derartige Diagnosen ihren Höhepunkt im Monat nach dem Auftreten der Covid-19-Symptome und nahmen danach an Häufigkeit ab. Die Risiken für pulmonale (RR, 2,00), diabetische (RR, 1,46), neurologische Beschwerden, darunter Kopfschmerzen, Verlust des Geschmacks- und/oder Geruchssinns oder Schmerzsyndrome, (RR, 1,29) und psychisch bedingte medizinische Probleme(RR, 1,28) waren sechs Monate nach Auftreten der Symptome im Vergleich zum Ausgangswert erhöht.

Bei denjenigen, die vor der Infektion nicht geimpft gewesen waren, lagen die Risiken für eine dieser Beschwerden höher als bei Geimpften. Bei älteren Patienten, bei Patienten mit einem erhöhten Body-Mass-Index (BMI) und bei Patienten, die stationär behandelt werden mussten, zeigten sich ebenfalls vermehrt Zusatzdiagnosen. Darüber hinaus hatten Frauen und diejenigen, die sich während der Delta-Welle infiziert hatten, eine höhere Wahrscheinlichkeit für Zusatzdiagnosen.

Auch diese Studie hat ihre Limitationen. So hatten sich die Teilnehmer freiwillig für die Teilnahme an der EPICC-Studie gemeldet. Daraus kann sich ein potenziell höherer Prozentsatz an symptomatischen Teilnehmern ergeben. Auch können die anhaltenden Symptome und laufenden Diagnosen in dieser Analyse unspezifisch für Covid-19 sein und auch bei Personen ohne SARS-CoV-2-Infektion häufig auftreten. Hier zeigt sich das Problem, dass eine Kontrollgruppe in der Studie fehlt.

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