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Gemeinsame Nutzenbewertung

Trotz EU-HTA – Bundesregierung hält am AMNOG fest

Welche Änderungen am AMNOG-Prozess sind geplant, um die gemeinsame EU-weite Nutzenbewertung hierzulande umzusetzen? Danach erkundigte sich eine Gruppe von Abgeordneten in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung.
Jennifer Evans
25.05.2023  17:30 Uhr

Im Auftrag der EU-Kommission arbeiten derzeit zwölf EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, an Entwürfen für Leitlinien für das gemeinsame Health Technology Assessement (HTA), eine gemeinsame Nutzenbewertung von Gesundheitstechnologien, zu denen unter anderem neue Arzneimittel sowie Gen- und Zelltherapien und Medizinprodukte gehören. Zeit hat das Konsortium namens EUnetHTA21, zu dem auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sowie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gehören, bis September 2023.

Für neue Arzneimittel greifen auf europäischer Ebene nun gemeinsame klinische Bewertungen. Das regelt die Verordnung, die seit Mitte Januar 2022 in Kraft ist. Dazu müssen sich die EU-Partner auf gemeinsame Standards für die Nutzenbewertung verständigen. Zunächst wird es ab Januar 2025 mit Onkologika sowie mit Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMPs) losgehen.  Ab 2028 folgen dann die Orphan Drugs und schließlich alle anderen Verfahren inklusive neuer Anwendungsgebiete und Medizinprodukte ab 2030.

AMNOG-System hat sich bewährt

Die HTA-Berichte dienen Ärzte, Kassen, Patienten und Gesundheitsbehörden dazu, sich wissenschaftliche Informationen zum Nutzen, Risiko, Kosten und Auswirkungen von Verfahren und Technologien in Bezug auf die gesundheitliche Versorgung zu holen.

Das Problem: Hierzulande haben wir eigentlich das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG), das an die EU-Anforderungen angepasst werden muss. Das System hat sich nach Ansicht der Abgeordneten um Friedrich Merz (CDU) aber bewährt, wie sie in ihrer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung deutlich machten – insbesondere die Möglichkeit für Unternehmen, Ärzte oder Fachgesellschaften, zu den Nutzendossiers frühzeitig Stellung zu nehmen. Das ist auf EU-Ebene nämlich nicht so vorgesehen. Die Fragesteller befürchten daher nun einen Qualitätsverlust und fordern in der Vorbemerkung ihrer Kleinen Anfrage »eine Gelegenheit zur Kommentierung«.

Nationale Entscheidungen weiterhin möglich

Zu Bedenken ist: Für die EU-Mitgliedstaaten ist die geplante gemeinsame klinische HTA-Bewertung nicht bindend, sie müssen die Ergebnisse nur berücksichtigen. In der Hand der Mitgliedsstaaten bleibt weiterhin die Entscheidung über Preis und Erstattung von neuen Präparten und Therapien sowie die Beurteilung des Zusatznutzens. Außerdem verbietet es die EU-Verordnung nicht, zusätzlich nationale Bewertungen durchzuführen.

In ihrer Antwort, die der PZ vorliegt, stellt die Bundesregierung zunächst klar: Ziel sei es, auch weiterhin die »bewährten Ergebnisse der Nutzenbewertung nach § 35a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im Rahmen des sogenannten AMNOG-Prozesses zu erreichen.« Denn trotz EU-Verordnung sei je nach Kontext eine nationale Entscheidungsfindung möglich. Konkret heißt das: Die Bundesregierung will nach eignen Angaben am AMNOG-Verfahren festhalten und auch weiterhin in »etablierter Weise« Unternehmen und Experten einbinden.

Einziger Unterschied: In Zukunft wird Deutschland die Ergebnisse der europäischen Bewertungen im nationalen Verfahren »in angemessener Weise« berücksichtigen müssen. Etwaige Informationen, Daten oder Analysen, die Pharmaunternehmen auf EU-Ebene eingereicht haben, will man laut Bundesregierung hierzulande jedoch nicht einfordern.

EU-Kommission unterrichtet über Bewertungsumfang

Auf die Frage der Fraktion der CDU/CSU, welche konkreten Anpassungen am AMNOG dennoch nötig sein werden, bleibt die Antwort allerdings vage: »Die Bundesregierung wird die derzeit noch nicht abgeschlossenen notwendigen Umsetzungsschritte auf EU-Ebene intensiv begleiten und vor dem Hintergrund der dort erlassenen Regelungen prüfen, ob und inwiefern Anpassungen des AMNOG-Prozesses erforderlich sind.«

Grundsätzlich ist von der EU-Verordnung nur die erste Stufe des AMNOG-Verfahrens betroffen, also die Bewertung der klinischen Studienlage. Während der G-BA dafür heute das IQWiG beauftragt, wird das Institut demnächst auf europäischer Ebene selbst an dem europaweiten HTA-Bewertungsbericht mitarbeiten.

Darüber hinaus weist die Bundesregierung darauf hin, dass die EU-Kommission die betroffenen Unternehmen künftig selbst dazu auffordern wird, ihre Dossiers einzureichen. Für den Bewertungsumfang sind demnach Angaben zu Patientenpopulation, Intervention, Komparatoren und Endpunkten nötig. Nach wie vor könne sich jedes Unternehmen zu dem Prozedere aber auf nationaler Ebne beraten lassen, heißt es.

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