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Tipps für die regelmäßige Medikamentengabe bei Kindern

Arzneimittel im Pudding verstecken? Warum das keine gute Idee ist, erklärt die auf kranke Kinder spezialisierte US-Pädagogin Emily Glarum – und gibt Tipps, wie kleine Patienten und ihre Eltern einen möglichst entspannten Umgang mit ihrer (Dauer-)Medikation finden können.
Wiebke Gaaz
03.08.2022  11:00 Uhr

Eltern kennen die Situation nur zu gut: Ihr Kind ist krank, manchmal sogar chronisch und ist – vorsichtig ausgedrückt – anderer Meinung, wenn es darum geht, ein Medikament einzunehmen. Es sträubt und windet sich, protestiert lautstark, und man kann es ihm nicht wirklich verübeln, ist doch künstliches Kirscharoma auf Dauer eine Zumutung für die sensiblen Geschmacksknospen.

Als Lösungsstrategie greifen Eltern häufig auf eine vermeintlich gute Idee zurück: Sie nutzen leckere Nahrungsmittel wie Brei oder Pudding als Transportmedium für die Medizin. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Kind ist kooperativ, die Arznei landet im Körper des Kindes und die Erkrankung wird adäquat behandelt. Warum diese Strategie auf lange Sicht aber nach hinten losgehen kann, erläutert Emily Glarum, Child Life Specialist am Children´s Hospital Los Angeles, auf dem US-Nachrichtenportal »Newswise«.

Child Life Specialists wie Glarum sind weitergebildete Fachkräfte mit meist pädagogischer oder psychologischer Ausbildung, die sich in Kinderkrankenhäusern um alle Sorgen und Nöte der Kinder und ihrer Angehörigen kümmern. Dabei arbeiten sie Hand in Hand mit Pflegepersonal und Ärzten. Sie werde besonders häufig vor einer Entlassung konsultiert, um mit den Eltern zu besprechen, wie auch daheim die Medikamentengabe gut funktionieren kann.

In ihrem Krankenhaus fördere man Ehrlichkeit, betont Glarum. »In der Vergangenheit habe ich gelernt, dass das Kind mitbekommt, wenn es ausgetrickst wird. Es entwickelt womöglich eine Abneigung gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln und ein grundsätzliches Misstrauen: ‚Oh- haben sie Medikamente in mein Essen gemischt?‘«

Wenn Eltern denken, dass das Untermischen der einzige Weg ist, dann sollten sie offen damit umgehen, indem sie dem Kind altersgerecht erklären, dass und warum sie die Medikamente ins Essen mischen und warum es wichtig ist, dass das Kind sie einnimmt.

Kinder sind Gewohnheitstiere

Eine andere Möglichkeit ist, die Dosis in kleine Portionen aufzuteilen. »20 ml kann man gut in 5 oder 10 ml splitten und dazwischen eine andere Flüssigkeit zu trinken geben«, schlägt Glarum vor. Man könne auch vor jeder Portion dem Kind eine schöne Aktivität anbieten, wie etwas zu malen oder mit Lego zu bauen. Bei einem Baby könne man mit einer Spritze die Flüssigkeit tropfenweise zwischen Wange und Zunge platzieren. Auf diese Weise umgehe man die sensiblen Geschmacksknospen.

Da Kinder Routinen mögen, kann es zur Erleichterung im Alltag beitragen, auch die Medikamentengabe als festes Ritual zu integrieren. Also zum Beispiel erst zu Abend essen, dann vorlesen, dann das Medikament nehmen, dann baden etc. »Es gibt einen genauen Ablauf und die Kinder wissen, wann sie damit rechnen können, dann ist es nicht jedes Mal von Neuem eine Überraschung für sie«, erläutert die Pädagogin.

Vor oder nach dem Spielen? Wahlmöglichkeiten lassen

Es gebe zwar keine Spielraum für das Kind, ob es das Medikament einnimmt oder nicht. Dennoch können Eltern dem Kind gewisse Wahlmöglichkeiten lassen, denn das gibt dem Kind ein Gefühl der Kontrolle über eine Prozedur, die ihm ansonsten schnell aufgezwungen und überwältigend erscheinen mag. Es darf zum Beispiel entscheiden, ob es die Medizin vor oder nach dem Baden oder Vorlesen haben möchte, mit oder ohne Saft...

Um den Kindern das angstfreie Schlucken von Tabletten beizubringen, empfiehlt Glarum, mit bestimmten kleinen Lebensmitteln wie Süßigkeiten anzufangen, die kleiner sind als die Tablette. Das nimmt dem Kind die Angst, sich zu verschlucken, und es kann vorher in Ruhe das Schlucken trainieren, bevor es an die Tablette geht. So steigert es Schritt für Schritt sein Vertrauen und seine Komfortzone.

Ein weiteres praktisches Hilfsmittel, dass das Schlucken auf zweierlei Art erleichtern kann, ist ein Strohhalm. Zum einen lenkt das Saugen die Aufmerksamkeit des Kindes vom Tablette-Schlucken ab. Zum anderen erzeugt das Kind mit dem Strohhalm einen Sog, der stark genug ist, um das Medikament schnell runterzuspülen. »Das gibt ihnen mehr Vertrauen«, erläutert Glarum, »weil es leichter runtergeht.«

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