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Virologen geben Entwarnung

Testpflicht für Reisende aus China nicht angemessen

Während einzelne Ärzteverbände eine Coronatestpflicht für Reisende aus China fordern, geben Virologen Entwarnung. Die Infektionssituation in Deutschland ändere sich dadurch nicht und mit neuen Varianten sei auch nicht zu rechnen.
Christina Hohmann-Jeddi
05.01.2023  08:00 Uhr

In China grassiert nach dem Ende der Null-Covid-Politik das Coronavirus. Aufgrund der hohen Infektionszahlen in dem Land wurde die Forderung nach einer Testpflicht für chinesische Reisende laut. Eine solche Testpflicht hält Professor Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig, nicht für angemessen, wie er gegenüber dem »Science Media Center Germany« äußert. »Wir sind in Bezug auf Covid-19 schon längst in der Phase der gezielten Schadensmilderung beziehungsweise sollten wir uns dessen auch endlich bewusst sein und auch entsprechend handeln.« Maßnahmen zur Eindämmung (Containment) wie Einreisebegrenzungen oder -kontrollen seien für eine kurze anfängliche Phase einer Epidemie oder Pandemie sinnvoll, jetzt aber nicht mehr.

Auch Professorin Dr. Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten von der Universität Genf, Schweiz, spricht sich gegen Einreisebeschränkung, Quarantäne oder Isolation von infizierten Reisenden aus China aus. Die Virologin hält aber eine verstärkte Sequenzierung der Coronaviren für sinnvoll. »Da aus China selbst kaum Information zu den dort zirkulierenden Varianten oder dem Infektionsgeschehen allgemein verfügbar sind, macht die Sequenzierung von Reisenden aus China durchaus Sinn in meinen Augen.« Bei den bisher verfügbaren Sequenzen sei aber nichts Ungewöhnliches zu entdecken gewesen. »Die Sequenzen, die man in China detektiert, findet man auch an anderen Orten der Welt«, sagt Eckerle.

»Da China im Vergleich zum Rest der Welt keine hohe Bevölkerungsimmunität hat, insbesondere nicht an natürlichen Infektionen, ist die Entwicklung einer Immunflucht-Variante in China vor diesem Hintergrund nicht besonders wahrscheinlich. Natürlich ist es möglich, dass eine neue, besorgniserregendere Variante entsteht, aber die könnte auch aus einem anderen Teil der Welt kommen, aus denen wir wenig Sequenzen erhalten.«

Die Europäische Seuchenschutzbehörde ECDC hatte sich am 3. Januar ganz ähnlich geäußert und betont, dass die Infektionswelle in China die epidemiologische Situation in Europa nicht beeinflusse. Zudem seien in den letzten Wochen aus China eine hohe Zahl von sequenzierten Corona-Virusgenomen in die internationale Datenbank GISAID eingestellt worden. Von den 592 Sequenzen gehörten 35 Prozent zu BA.5.2, 24 Prozent zu BF.7, 18 Prozent zu BQ.1, 5 Prozent zu BA.2.75 und 2 Prozent zu BA.2. Die Variante XBB war zu 4 Prozent vertreten. »Neue Varianten wurden nicht entdeckt«, heißt es von der Behörde. Ihr Fazit: »Die Varianten, die in China zirkulieren, zirkulieren auch schon in der EU, und stellen als solche keine Herausforderung für die Immunantwort von Bürgern der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums dar.«

Einzelne Ärzteverbände für Testpflicht

Dessen ungeachtet sprach sich der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Dr. Frank Ulrich Montgomery, für eine europaweite PCR-Testpflicht für alle Reisenden aus der Volksrepublik aus. »Wir wissen nicht, was in China derzeit passiert. Die Infektionen laufen völlig unkontrolliert ab. Daher halte ich es für sinnvoll, eine PCR-Testpflicht bei der Einreise vorzuschreiben«, sagte er der Zeitung »Rheinischen Post« (Mittwoch). Zuvor hatte der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für eine einheitliche Schnelltest-Pflicht in der Europäischen Union plädiert.

Mehrere europäische Länder haben bereits Einreisebeschränkungen erlassen oder diese in Aussicht gestellt, darunter Frankreich, Italien und Spanien. Am Dienstag teilte ein Sprecher der Europäischen Kommission nach einem Treffen von Vertretern der nationalen Gesundheitsministerien mit: »Die überwältigende Mehrheit der Länder befürwortet Tests vor der Abreise.« Grundsätzlich habe man sich auf ein »koordiniertes Vorgehen« verständigt. Die Diskussion soll an diesem Mittwoch bei einem Treffen der EU-Staaten auf Expertenebene fortgesetzt werden.

Verstärkte Überwachung der Coronavirus-Varianten weltweit nötig

Laut Eckerle sei es vor allem wichtig, dauerhaft verlässliche Sequenzierungsdaten zu haben – nicht nur aus China, sondern weltweit. »Statt kurzfristiger, isolierter Anstrengungen für ein einzelnes Land wäre es viel sinnvoller, hier in dauerhafte Strukturen zu investieren. Eine Möglichkeit könnte zum Beispiel die Sequenzierung vom Abwasser der Flugzeuge sein. Wenn mehrere Länder solche Programme aufsetzen und sich gut koordinieren, dann kann man mit relativ wenig Investition eine gute Übersicht über die globale Viruszirkulation bekommen.«

Die Virologin fordert zudem eine weitere finanzielle Unterstützung der Forschung an den biologischen Eigenschaften von Coronavarianten. Denn die Sequenzierungsdaten allein sagten nicht viel aus. »Um veränderte Eigenschaften einer neuen Variante nachzuweisen, braucht es die biologische Charakterisierung durch Experimente.« Doch die Finanzierung solcher Programme sei inzwischen häufig ausgelaufen.

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