So unterscheiden sich die Immunreaktionen |
Ein großer Teil der Bevölkerung hat bereits T-Zellen, die das SARS-Coronavirus-2 erkennen können. Das könnte ihnen eine Art Vorsprung bei einer Infektion mit dem neuen Erreger geben. / Foto: Adobe Stock/Juan Gärtner
Die meisten Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verlaufen milde oder gar ohne Symptome. Jedoch entwickeln 10 bis 20 Prozent der Betroffenen im Verlauf von Covid-19 eine Lungenentzündung mit zum Teil lebensbedrohlichen Auswirkungen. Was die Ursache hierfür sein könnte, haben Wissenschaftler verschiedener Forschungseinrichtungen in Deutschland untersucht und unter Federführung von Professor Dr. Joachim Schultze vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) im Fachjournal »Cell« veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.cell.2020.08.001).
»Man weiß noch immer wenig über die Ursachen dieser schweren Verläufe. Die hohen Entzündungswerte, die man bei den Betroffenen misst, sprechen eigentlich für eine starke Immunantwort. Klinische Befunde sprechen aber eher für eine ineffektive Immunantwort. Hier gibt es einen Widerspruch«, so Schultze in einer Pressemitteilung. Das Team vermutete daher, dass Immunzellen zwar in großer Menge produziert werden, sie jedoch in ihrer Funktion gestört sind. Daher untersuchten die Forscher das Blut von 53 Covid-19-Patienten aus Berlin und Bonn mit unterschiedlicher Krankheitsschwere. Sie kombinierten dabei Verfahren zur Bestimmung der Genaktivität und der Proteinproduktion auf Einzelzellbasis (Single-Cell-OMICs-Technologien). Damit analysierten sie die im Blut vorhandenen Immunzellen und verglichen sie mit denen von Personen mit anderen Atemwegserkrankungen und Gesunden.
Der Fokus lag auf sogenannten myeloiden Zellen wie Neutrophile und Monozyten. Diese Immunzellen gehören zur angeborenen Immunabwehr und stehen in der Reaktionskette der Immunantwort recht weit vorne. Die Forscher stellten fest, dass die Neutrophilen und Monozyten bei milden Krankheitsverläufen aktiviert und funktionsfähig sind. Bei den schweren Fällen von Covid-19 seien diese Zellen zwar zum Teil aktiviert, aber in ihrer Funktion gestört. Bei diesen Patienten fanden sich deutlich mehr unreife Zellen, die eher hemmend auf die Immunreaktion wirken. Bei schweren Verläufen stehe sich das Immunsystem gewissermaßen selbst im Weg, heißt es in der Mitteilung. Der Grund dafür sei noch unklar.
Den Forschern zufolge erlaubten die Befunde neue Ansätze für die Therapie. Bei zu vielen dysfunktionalen Immunzellen könnte man diese unterdrücken oder umprogrammieren. Immunsupprimierende und immunmodulierende Wirkstoffe werden bereits untersucht.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.