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EU-Kommission

So soll der EU-weite Austausch von Gesundheitsdaten funktionieren

In Zukunft sollen EU-Staaten ihre Gesundheitsdaten austauschen können. Das Konzept, wie sich die EU-Kommission die Vernetzung über Landesgrenzen hinweg vorstellt, hat sie kürzlich veröffentlicht. Auch Apotheken bekommen Zugriffsrechte. Und: Arzneimittel-Versender sollen offiziell als Telemedizin-Anbieter anerkannt und grenzübergreifend gleichbehandelt werden.
Jennifer Evans
09.06.2022  16:30 Uhr

Schon bald soll es Patienten in Europa möglich sein, ihre medizinischen Daten etwa aus der elektronischen Patientenakte (EPA) im europäischen Ausland abzurufen oder ein E-Rezept einzulösen. Damit grundsätzlich ein solcher, grenzüberschreitender Transfer im EU-Binnenmarkt sicher funktionieren kann, sind gemeinsame Regeln notwendig. Die EU-Kommission hat daher kürzlich einen Verordnungsvorschlag sowie eine Mitteilung vorgelegt. Darin stellt sie konkret ihre Pläne für einen gemeinsamen European Health Dataspace (EHDS) vor, also einen Europäischen Raum für Gesundheitsdaten. Laut ABDA gelten die Inhalte der EHDS-Dokumente gemäß der Begriffsdefinitionen der EU-Kommission eindeutig auch für Apotheken.

Generell unterscheiden die Papiere aus Brüssel zwischen zwei Bereichen: der Primär- sowie der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten. Die Primärnutzung seiner elektronischen Daten soll der Patient jederzeit selbst managen können, sprich selbst darauf zugreifen oder Dritten den Zugriff gewähren oder verweigern können. Auch soll er stets selbst entscheiden dürfen, welchen Gesundheitsdienstleistern er seine Informationen übermitteln möchte. Im Zuge dessen sollen die Mitgliedstaaten unter anderem digitale Gesundheitsbehörden benennen.

Apotheken sollen Zugriff auf Patientenkurzakten haben 

Angehörige von Gesundheitsberufen, also auch Apotheker, sollen künftig auf die digitalen Gesundheitsinformationen ihrer Patienten zugreifen und die Daten ergänzen dürfen. Und zwar in der Form, wie es das Recht des jeweiligen Landes erlaubt. Mindestens aber will die EU-Kommission, dass die Patientenkurzakte sowie das E-Rezept dazu gehören. Die technische Infrastruktur, damit Apotheken E-Rezepte auch über eine Landesgrenze hinweg einlösen können, soll eine zentrale Plattform namens »MyHealth@EU« bieten.

Wer Gesundheitsinformationen in anonymisierter oder pseudonymisierter Form nutzen will (Sekundärnutzung), muss zunächst einen Antrag stellen und sein Vorhaben erläutern. Und zwar bei den neuen Zugangsstellen für Gesundheitsdaten, sprich die Mitgliedstaaten müssen diese Stellen erst noch schaffen. Generell sind die Informationen beispielweise für Forschung, Statistik oder Entwicklungen in puncto Künstlicher Intelligenz interessant. Neben dem geltenden Datenschutzbestimmungen plant die EU allerdings in diesen Fällen keine weitere Einwilligung der Patienten einzuholen. Verbieten will sie aber, wenn eine Datenabfrage auf Werbe- oder Vermarkungszwecke abzielt. Für den Bereich Sekundärnutzung soll die gemeinsame Infrastruktur dann »HealthData@EU« heißen.

Versender zählen laut EU zu Telemedizin

Und noch einen wichtigen Punkt beinhalten die EU-Dokumente: Zum Bereich der Telemedizin soll künftig ausdrücklich auch die Tätigkeit von Online-Apotheken zählen. Für die Praxis bedeutet das: Telemedizin-Dienste aus dem EU-Ausland muss ein Staat aus Sicht der EU-Kommission demnächst zu denselben Konditionen akzeptieren wie sie im Heimatland gelten.

In der Regel münden die Pläne der EU-Kommission in einem Rechtsakt. Der EU-Rat und das EU-Parlament können die Vorschläge zwar abändern und erweitern, aber dürfen selbst kein eigenes Gesetzgebungsverfahren initiieren. Geplant ist nun zunächst, dass ein EHDS-Ausschuss das riesige Vernetzungsprojekt koordiniert und die Aufgaben verteilt.

Ist dann alles unter Dach und Fach, sind höchstwahrscheinlich Anpassungen im deutschen Recht nötig. Inhaltlich betroffen sind insbesondere das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG). Die ABDA will das Gesetzgebungsverfahren nach eigenen Angaben in enger Abstimmung mit ihrer Schwesterorganisation, der Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU),  begleiten.

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