So hilft früherer Kontakt mit harmlosen Coronaviren |
Sven Siebenand |
10.03.2021 09:00 Uhr |
Nicht alle Coronaviren sind so gefährlich wie MERS oder SARS-CoV-2. Frühere Infektionen mit eher harmlosen Coronaviren bieten vermutlich einen Schutz gegen einen schweren Covid-19-Verlauf. / Foto: Adobe Stock/peterschreiber.media
Das Immunsystem wehrt sich mit zwei Mechanismen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Ein Teil der Abwehrstrategie ist die humorale Immunantwort, also Antikörper, die das Eindringen der Viren in die Zelle verhindern sollen. Die Konzentration der Antikörper nimmt mit der Zeit ab, vor allem bei Patienten, die nur einen milden Krankheitsverlauf hatten. Der zweite Weg des Immunsystems zur Virusbekämpfung ist die zelluläre Immunantwort mithilfe von T-Lymphozyten. Diese spüren vom Virus befallene Zellen auf, um sie zu zerstören und so eine weitere Ausbreitung im Körper zu verhindern. In »Immunity« berichtet ein Forscherteam um Dr. Agnes Bonifacius vom Institut für Transfusionsmedizin und Transplantat Engineering der Medizinischen Hochschule Hannover über neue Erkenntnisse zur zellulären Immunantwort im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Infektion.
»Bislang fehlten Daten zur zellulären Immunität gegen SARS-CoV-2 während der Krankheit und darüber hinaus«, informiert Seniorautor Professor Dr. Rainer Blasczyk in einer Pressemitteilung der Hochschule. Die Wissenschaftler haben daher Blutproben von Covid-19-Genesenen mit denen von akut Erkrankten und gesunden, nicht-infizierten Kontrollpersonen analysiert und sowohl den Antikörperspiegel als auch die Konzentration der T-Lymphozyten verglichen. Dabei stellten sie fest, dass Genesene zwar nicht mehr so viele Antikörper im Blut hatten wie unmittelbar Erkrankte. Jedoch konnte man bei ihnen eine hohe Anzahl auf SARS-CoV-2 spezialisierte T-Effektor-Gedächtniszellen nachweisen. Die erkennen nicht nur das Spike-Protein, sondern auch weitere Strukturen der Virusoberfläche. Als immunologisches Gedächtnis verbessern sie zudem den Schutz bei erneuter Infektion mit dem Erreger. »Offenbar bleibt die T-Zell-Immunität nach Covid-19 unverändert erhalten, obwohl die Antikörper-Konzentration stark sinkt«, so Blasczyk.
Die Forscher machen noch auf einen weiteren positiven Effekt aufmerksam. Auch der Kontakt mit anderen Mitgliedern der Coronavirus-Familie, die etwa harmlose grippale Infekte auslösen, wirkt sich offenbar günstig auf die SARS-CoV-2-Abwehr aus. »Eine bestehende Immunität gegen solche endemischen Coronaviren hat einen positiven Effekt auf die Entwicklung einer T-Zell-Immunität gegen SARS-CoV-2 und damit vermutlich auch auf den Verlauf von Covid-19«, erklärt Seniorautorin Professor Dr. Britta Eiz-Vesper. Besonders interessant sei diese Kreuzimmunität in Hinblick auf Virusmutationen. »Wenn es schon gegen ein weitläufiger verwandtes Coronavirus hilft, könnte der Effekt bei den untereinander viel ähnlicheren SARS-CoV-2-Varianten noch deutlich größer sein«, vermutet die Wissenschaftlerin.
Als nächstes wollen die Forscher untersuchen, ob T-Zellen auch therapeutisch für bestimmte mittelschwer an Covid-19 erkrankte Patienten eingesetzt werden könnten. Ähnlich wie die Behandlung mit dem Blutplasma Genesener, bei der die Gabe von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 schwere Krankheitsverläufe verhindern soll, könnten auch gespendete T-Zellen gegen Covid-19 helfen. »Bei bestimmten Patienten sehen wir einen Mangel an eigenen T-Zellen oder beobachten, dass die Abwehrzellen weniger aktiv sind«, erklärt die Immunologin die Rationale dahinter.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.