So »göttlich« wie ihr Name? |
Autoimmunerkrankungen wie die rheumatoide Arthritis sind die klassische Domäne der JAK-Inhibitoren. / Foto: Adobe Stock/pikselstock
Als Zytokine bezeichnet man eine heterogene Klasse von Proteinsignalstoffen, die extrazellulär vorkommen und über ein Signalnetzwerk die Immunregulation steuern. Dabei beeinflussen sie insbesondere die Differenzierung und Proliferation von Immunzellen. Sie sind somit für die Prozesse der Immunabwehr und der Entzündungsregulation enorm wichtig. Entsprechend ihrer Wirkung und Struktur werden Zytokine in fünf Familien unterteilt: Interleukine, Chemokine, Interferone, Tumornekrosefaktoren sowie koloniestimulierende Faktoren. Letztere fördern die Proliferation und Differenzierung hämatopoetischer Stammzellen und sind daher bei myeloproliferativen Erkrankungen relevant.
Zytokine vermitteln ihre Signalwirkungen über Rezeptoren auf ihren Zielzellen, oftmals den Lymphozyten. Die Aktivierung von Rezeptoren stößt eine Kaskade intrazellulärer Phosphorylierungsreaktionen durch Kinasen an, die dann wiederum über eine Aktivierung von Transkriptionsfaktoren im Zellkern eine zelluläre Antwort induzieren. Dabei gibt es eine Besonderheit. Da verschiedene Zytokinrezeptoren keine intrinsische Phosphorylierungskapazität aufweisen, sind sie auf andere mit ihnen funktionell verbundene Kinasen angewiesen. Kinasen, die mit den Zytokinrezeptoren auf zytoplasmatischer Seite nicht kovalent verbunden sind, heißen Januskinasen (JAK).
Es gibt vier Januskinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und Tyk2), die als homo- oder heterogenes Funktionspaar intrazellulär an den beiden Untereinheiten eines Zytokinrezeptors vorliegen. Die einzelnen JAK bestehen jeweils aus sieben Untereinheiten und weisen untereinander eine Strukturhomologie von etwa 48 Prozent auf.
Abbildung 1: Der JAK-STAT-Signalweg (links) und seine Inhibition durch JAK-Inhibitoren / Foto: Stephan Spitzer
Bindet nun ein Zytokin extrazellulär an seinen Rezeptor, führt dies zu einer Dimerisierung der beiden Untereinheiten, in deren Folge die beiden JAK in Kontakt kommen und gegenseitig die Untereinheiten des Zytokinrezeptors an deren Tyrosinresten phosphorylieren (Abbildung 1). Dies ist ein Erkennungssignal für spezielle Transkriptionsfaktoren im Zytosol, sogenannte Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription (STAT). Nun werden die gebundenen STAT-Moleküle von den JAK an Tyrosinresten phosphoryliert. In der Folge dimerisieren die aktivierten STAT, translozieren in den Zellkern und vermitteln dort durch Bindung an Promotoren die Transkription bestimmter Zielgene, die hauptsächlich Produkte der adaptiven Immunabwehr generieren.
Es sind sieben evolutionär konservierte STAT bekannt (STAT 1 bis 4, 5a und b sowie 6). Die aktivierten STAT können wiederum homo- oder heterostrukturell dimerisieren.
Die Namensgebung »Janus« in Anlehnung an den zweigesichtigen römischen Gott Janus verweist auf die Funktion dieser Kinasen zur Verbindung von Innen- und Außenseiten. Die Kombination zweier JAK-Moleküle ist für die einzelnen Zytokinrezeptoren spezifisch und entscheidet damit über die vermittelten Effekte (Abbildung 2).
Der JAK-STAT-Pathway ist somit ein sehr direkter, ohne weitere Zwischenkomponenten geschalteter Signalweg, der für die Immunregulierung größte Bedeutung hat. JAK-STAT-Signalwege beeinflussen aber auch zum Beispiel Erythropoetin und damit die Hämatopoese. In den frühen 2000er-Jahren konnte gezeigt werden, dass Mutationen im JAK2-Gen für myeloproliferative Neoplasien verantwortlich sein können (1, 2). Dadurch ergeben sich für JAK-Inhibitoren zwei therapeutische Zielrichtungen:
Abbildung 2: Übersicht über die paarweise angeordneten JAK und die daraus resultierende Selektivität der Zytokinrezeptoren für die aktivierenden Zytokine / Foto: Stephan Spitzer
JAK-Inhibitoren sind niedermolekulare Wirkstoffe, die eine orale Anwendung erlauben. Sie können durch ihren Wirkmechanismus, anders als die parenteral zu applizierenden Biologika, auch mehrere Zytokine gleichzeitig hemmen.
Alle JAK-Inhibitoren sind während der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Es ist nicht auszuschließen, dass der JAK/STAT-Signalweg die Steuerung der Zellpolarität kontrolliert und somit die frühe embryonale Entwicklung beeinflussen kann.
Im Folgenden werden die in Deutschland zugelassenen Jakinibe kurz vorgestellt und in ihren funktionellen und pharmakokinetischen Parametern verglichen (Tabelle).
Wirkstoff/Target | HWZ (h) | Dosierung (THD in mg) | Pharmakokinetische Wechselwirkungen | Zugelassene Indikationen |
---|---|---|---|---|
Baricitinib (Olumiant®) JAK1, -2 | 13 | 4 | wenig relevant: Substrat von CYP3A4 (10 Prozent), OAT3, P-Glykoprotein, BCRP | RA, atopische Dermatitis, Alopecia areata, (Covid-19) |
Tofacitinib (Xeljanz®) JAK1, -2, -3 | 3 | 10, 11 retard | relevant: Substrat von CYP3A4, im geringeren Ausmaß Substrat von CYP2C19 | RA, Colitis ulcerosa, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Arthritis, ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew) |
Upadacitinib (Rinvoq®) JAK1 | 9 bis 14 | 15 | relevant: Substrat von CYP3A4, im geringeren Ausmaß Substrat von CYP2D6 | RA, Psoriasis-Arthritis, ankylosierende Spondylitis, atopische Dermatitis, Colitis ulcerosa |
Filgotinib (Jyseleca®) JAK1 | 7 bis 19 | 200 | wenig relevant: Substrat von CYP2B6 und CYP1A2, Inhibitor von OATP1B1 und OATP1B3 | RA, Colitis ulcerosa |
Abrocitinib (Cibinqo®) JAK1 | 5 | 200 | relevant: Substrat von CYP2C19 und CYP2C9, im geringeren Ausmaß von CYP3A4 und CYP2B6, Inhibitor von P-gp | atopische Dermatitis |
Ruxolitinib (Jakavi®) JAK1, -2 und JAK2 mutiert | 3 | 2 × 25 | relevant: Substrat von CYP3A4, Inhibitor von P-gp und BCRP | Myelofibrose, Polycythaemia vera, Graft-versus-Host-Disease, FDA: topisch bei atopischer Dermatitis, Vitiligo |
Fedratinib (Inrebic®) JAK2 (mutiert), FLT3 | 114 | 400 | relevant: Substrat von CYP3A4 und CYP2C19 | Splenomegalie, Symptome bei primärer Myelofibrose |
Die Hemmung von JAK unterdrückt die Wirkung proinflammatorischer Zytokine und moduliert damit autoimmune Entzündungsprozesse. Baricitinib war 2017 der erste in Europa zugelassene JAK-Inhibitor (USA 2018) zur Therapie erwachsener Patienten mit einer mittelschweren oder schweren Rheumatoiden Arthritis (RA) als Zweitlinientherapeutikum (3) bei Versagen mindestens eines Therapieversuchs mit DMARD (krankheitsmodifizierende Antirheumatika).
Baricitinib kommt als 2 mg und 4 mg Filmtabletten zur Anwendung (3,3 Millionen definierte Tagesdosen, DDD, 2020 in Deutschland, stark ansteigend). Es kann bei einer Tagesmaximaldosis von 4 mg als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat (MTX) unabhängig vom Essen eingenommen werden.
Im November 2020 folgte eine Indikationserweiterung für erwachsene Patienten mit einer mittelschweren oder schweren atopischen Dermatitis.
Baricitinib ist ein reversibler Inhibitor der JAK1 und JAK2 und beeinflusst damit die Wirksamkeit verschiedener Zytokine, zum Beispiel von IL-6 (Abbildung 2). Mit seiner Pyrrolopyrimidin-Grundstruktur ähnelt es dem ATP und interagiert kompetitiv mit den ATP-Bindungsstellen der Kinasen.
Im Sommer 2022 folgte durch FDA und EMA eine Indikationserweiterung zur Behandlung der Alopecia areata. Der JAK-Inhibitor ist damit der erste Wirkstoff, der zielgerichtet zur Behandlung des kreisrunden Haarausfalls eingesetzt werden kann. Auch bei dieser Autoimmunerkrankung, bei der durch immunologische Deregulierung die Haarfollikel angegriffen werden, basiert die Wirkung auf einer Hemmung der pathologisch entzündlichen Aktivität. Bisher wurden zur Therapie ausschließlich andere Wirkstoffe, zum Beispiel MTX, Glucocorticoide oder Ciclosporin, off label genutzt.
Eine neue Indikation für Baricitinib ist die Alopecia areata, der kreisrunde Haarausfall. / Foto: Adobe Stock/Alex Papp
Aus dem Wirkmechanismus von Baricitinib ergeben sich einige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Vorsichtsmaßnahmen, die Patienten beachten müssen. Resultierend aus dem immunmodulierenden Effekt können sie anfälliger für Infektionen, insbesondere der oberen Atemwege, sein. Bei Patienten mit chronischen oder wiederkehrenden Infekten ist eine Nutzen-Risiko-Analyse erforderlich. Auch die Anwendung attenuierter Lebendimpfstoffe sollte unter der Therapie nicht erfolgen.
Weitere unerwünschte Effekte umfassen Anstiege des LDL-Cholesterols. Beobachtungsstudien zeigen, dass RA-Patienten unter der Therapie mit Baricitinib eine höhere Inzidenz von schweren kardiovaskulären Problemen und venösen Thromboembolien (VTE) aufweisen; auf dieses Risikopotenzial wird noch näher eingegangen.
Aus pharmakokinetischer Sicht erscheint Baricitinib komplikationslos. Nur 10 Prozent des Wirkstoffs werden über CYP3A4 metabolisiert und ansonsten unverändert, dominant renal ausgeschieden. Die Einnahme mit anderen immunmodulierenden Wirkstoffen sollte unterbleiben und falls erforderlich, streng überwacht werden.
Tofacitinib, das Urgestein der antiinflammatorisch wirksamen JAK-Inhibitoren, erhielt als erstes Jakinib bereits 2012 in den USA eine Zulassung zur Therapie der RA. Die EMA lehnte eine Zulassung 2013 aufgrund einer ungünstigen Nutzen-Risiko-Analyse bezüglich kardiovaskulärer Effekte des Wirkstoffs vorerst ab und verwies auf Alternativen im Therapiespektrum. 2017 erfolgte dann doch die Zulassung zur Therapie Erwachsener mit RA oder Psoriasis-Arthritis in Kombination mit MTX für solche Patienten, die auf eine verlaufsmodifizierende Therapie nicht ausreichend ansprechen oder diese nicht vertragen (3,0 Millionen DDD in Deutschland 2020, stagnierend).
Neben den 5-mg- und 10-mg-Filmtabletten existieren auch pharmakokinetisch äquivalente 11-mg-Retardtabletten, wobei 10 mg/11 mg der Tagesdosis entsprechen. Der Wirkstoff liegt als gut wasserlösliches Citratsalz in den Arzneiformen vor.
Im Sommer 2018 folgte die Zulassung zur Behandlung von Patienten mit Colitis ulcerosa, wenn diese nicht ausreichend auf Biologika ansprechen, und 2021 eine Erweiterung zur Therapie der ankylosierenden Spondylitis (AS, Morbus Bechterew). Zusätzlich kann Tofacitinib bei Kindern ab zwei Jahren mit einer juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) oder Psoriasis-Arthritis als Lösung zum Einnehmen angewendet werden (Tabelle).
Für Erwachsene mit ausgeprägter atopischer Dermatitis sind mehrere JAK-Inhibitoren, darunter Baricitinib und Abrocitinib, zugelassen. / Foto: Adobe Stock/Georg
Tofacitinib ist ein Hemmstoff von JAK1, JAK2 und JAK3 und hemmt damit ein breitgefächertes Spektrum an Zytokinrezeptoren. Auch dieser Wirkstoff weist als Pyrrolopyrimidin Analogien zum ATP auf.
Anders als bei Baricitinib ergeben sich bei Tofacitinib verschiedene Arzneimittelinteraktionen, da Tofacitinib hauptsächlich von CYP3A4 und im geringeren Ausmaß von CYP2C19 metabolisiert wird. Wechselwirkungen mit entsprechenden Induktoren oder Inhibitoren dieser Subenzyme sind zu beachten.
Auch bei Tofacitinib ist durch die immunmodulierende Aktivität eine erhöhte Infektanfälligkeit insbesondere der oberen Atemwege zu berücksichtigen. Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Übelkeit und Erbrechen werden als weitere UAW gelistet.
Tofacitinib birgt ein Risiko für kardiovaskuläre und thromboembolische Ereignisse. Daher wurden seit Zulassung des Wirkstoffs Anwendungsbeschränkungen erlassen. In einem Rote-Hand-Brief im März 2020 (4) wurde die Dosierung zur Vermeidung kardiovaskulärer Risiken auf zweimal 5 mg täglich limitiert. Ein weiterer Rote-Hand-Brief von Juni 2021 verweist auf eine erhöhte Inzidenz von Myokardinfarkten unter Tofacitinib im Vergleich zu TNF-α-Inhibitoren für ältere Patienten (5). Somit soll Tofacitinib nur noch dann bei Patienten über 65 Jahren oder bei Patienten ab 50 Jahren, die gegenwärtig rauchen oder früher geraucht haben und andere kardiovaskuläre Risikofaktoren oder Risikofaktoren für maligne Erkrankungen aufweisen, eingesetzt werden, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen.
Tofacitinib erhöht das Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen / Foto: Adobe Stock/motortion
Tofacitinib erhöht das Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen, woraus Einschränkungen der Therapie in Hinsicht auf Alter sowie Vorerkrankungen der Patienten resultierten.
Eine multizentrische Überwachungsstudie (ORAL: Oral Rheumatoid Arthritis Trial) mit circa 4400 RA-Patienten lieferte weiterhin Beweise dafür, dass bei vergleichbarer Wirksamkeit zu TNF-α-Antagonisten (Adalimumab, Etanercept) das Risikopotenzial für kardiovaskuläre Komplikationen und venöse Thromboembolien unter Tofacitinib erhöht war, was die Mortalitätsrate beeinflusste. Auch andere unerwünschte Ereignisse, zum Beispiel opportunistische Infektionen oder das Auftreten von hellem Hautkrebs, waren vergleichsweise häufiger. Ähnliche Hinweise existieren für Baricitinib, basieren aber nicht auf umfangreichen Studien.
Auf Basis dieser Erkenntnisse hat die EMA zu Beginn des Jahres 2022 eine Sicherheitsüberprüfung der antiinflammatorisch wirksamen Jakinibe begonnen, um herauszufinden, inwieweit es sich um einen Gruppeneffekt resultierend aus dem Wirkmechanismus handelt. Das für die Sicherheitsüberprüfungen verantwortliche Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (Pharmakovigilanz-Ausschuss, PRAC) empfahl im Oktober 2022, diese Substanzen bei Patienten ab 65 Jahren, bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse, bei Rauchern oder bei Personen, die lange geraucht haben, und bei Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko nur dann einzusetzen, wenn keine Therapiealternativen verfügbar sind. Bei Patienten mit anderen Risikofaktoren für die Bildung von Blutgerinnseln in der Lunge oder in tiefen Venen (VTE) soll die Anwendung mit Vorsicht erfolgen. Bei einem möglichen Risiko für VTE oder schweren kardiovaskulären Problemen soll die Dosierung der JAK-Hemmer gesenkt werden.
Als erster Vertreter einer zweiten Generation selektiverer JAK-Inhibitoren erhielt im Jahr 2019 Upadacitinib seitens FDA und EMA eine Zulassung für verschiedene immunmodulierende Therapien. Upadacitinib ist ein JAK1-Inhibitor und wird in Form von Retardtabletten mit einer Tagesdosis von 15 mg unabhängig von Mahlzeiten eingenommen. Es ist zugelassen zur Therapie Erwachsener mit aktiver RA, Psoriasis-Arthritis oder ankylosierender Spondylitis, wenn die Patienten nicht ausreichend auf eine Basistherapie ansprechen.
Für Patienten ab zwölf Jahren ist das Medikament auch zur Behandlung einer atopischen Dermatitis zugelassen. Im Juli 2022 folgte die Zulassung für die Therapie der Colitis ulcerosa (6).
Upadacitinib wird vorwiegend über CYP3A4 und in geringerem Ausmaß über CYP2D6 metabolisiert, sodass Wechselwirkungen mit Inhibitoren und Induktoren, insbesondere von CYP3A4, berücksichtigt werden müssen. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören Infektionen der oberen Atemwege, Übelkeit, Husten und eine Erhöhung der Kreatinphosphokinase (CPK) im Blut.
Im September 2020 wurde mit Filgotinib ein weiterer JAK1-spezifischer Inhibitor in Deutschland zugelassen, der das Spektrum der Therapie zur Behandlung der RA erweiterte. Seit November 2021 kann das Medikament auch für Erwachsene mit mittelschwerer oder schwerer Colitis ulcerosa angewendet werden. Der Patient nimmt einmal täglich eine Filmtablette mit 200 mg unabhängig von den Mahlzeiten ein. Bei eingeschränkter Nierenfunktion oder Patienten älter als 75 Jahren wird eine Halbierung der Tagesdosis empfohlen.
Hinsichtlich pharmakokinetischer Wechselwirkungen differieren die Angaben zur Relevanz. Zwar wird Filgotinib über CYP2B6, CYP1A2 auch in einen aktiven Metaboliten umgewandelt (7), In-vitro-Studien zeigen jedoch keine relevante Beeinflussung bei therapeutischen Konzentrationen. Dies bezieht sich auch auf die Transporter P-gp sowie BCRP.
Filgotinib gilt als Inhibitor von OATP1B1 und OATP1B3, wodurch deren Substrate, zum Beispiel Valsartan und Statine, beeinflusst werden können. Neueste Bewertungen seitens der EMA sehen in diesen Kombinationen aber keine Widersprüche mehr und haben diesbezügliche Warnungen entkräftet.
Als unerwünschte Arzneimittelwirkungen können unter Filgotinib Übelkeit und Schwindelgefühl auftreten. Infolge der immunmodulierenden Aktivität werden Infektionen der oberen Atemwege und des Harntrakts beschrieben. Bei chronischen Infektionen sollten Risiken und Nutzen einer Therapie abgewogen werden.
Im Januar 2022 kam mit Abrocitinib ein weiterer JAK1-selektiver Inhibitor auf den deutschen Markt, der wiederum strukturelle Analogien zu den vorab besprochenen Inhibitoren in seiner Aktivität als ATP-Antagonist aufweist. Im Handel sind Filmtabletten mit 50 mg, 100 mg oder 200 mg zur Therapie der atopischen Dermatitis, wobei die Therapie zumeist mit der Tagesmaximaldosis von 200 mg beginnt. Ältere Patienten oder Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollen mit 100 mg beginnen. Die Einnahme ist unabhängig von den Mahlzeiten. Nach Ansprechen kann die Dosis individuell verringert werden.
Abrocitinib wird von CYP2C19 und CYP2C9 und in geringerem Ausmaß von CYP3A4 und CYP2B6 metabolisiert. Es resultieren zwei aktive Metabolite, die dann renal eliminiert werden. Diverse Interaktionen sind daher zu beachten und gegebenenfalls mit einer Dosisreduktion zu berücksichtigen. Abrocitinib inhibiert P-gp und kann die Konzentration von P-gp-Substraten erhöhen.
Hinsichtlich unerwünschter Arzneimittelwirkungen gilt auch bei diesem JAK-Inhibitor ein erhöhtes Risiko für Infektionskrankheiten oder Herpes simplex. Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen im Oberbauch, Kopfschmerzen, Schwindel sowie eine Erhöhung der Kreatinphosphokinase im Blut werden ebenfalls beschrieben. Auch Abrocitinib wird mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Die Myelofibrose ist eine seltene maligne Erkrankung, bei der durch eine überschießende Bindegewebsbildung die Funktionalität pluripotenter hämatopoetischer Stamm- und Progenitorzellen des Knochenmarks beeinträchtigt wird. Die Blutbildung wird dadurch in andere Organe, in die Leber und insbesondere in die Milz, verdrängt, was unter anderem zu einer starken Vergrößerung der Milz führt (Splenomegalie).
Die Myelofibrose ist eine seltene maligne Erkrankung, die unter anderem zu einer starken Vergrößerung der Milz führt (Splenomegalie). / Foto: Imago Images/pixdesign123
Die Diagnose einer Myelofibrose betrifft jährlich etwa 1 pro 100.000 Einwohner in Deutschland; das mittlere Erkrankungsalter beträgt etwa 60 Jahre. Unterschieden wird grundsätzlich eine primäre, genetisch determinierte, aber nicht vererbliche Form der Myelofibrose von einer sekundären Form, die infolge anderer Pathologien und Bluterkrankungen auftritt, zum Beispiel einer chronisch-myeloischen Leukämie, Polycythaemia vera, Thrombozythämie oder eines multiplen Myeloms.
Trotz komplexer Kausalität kann bei mehr als der Hälfte der Patienten eine Überaktivierung von JAK2 durch Mutationen als Treiber dieser Erkrankungen determiniert werden. JAK2 ist daher ein herausragendes Target zur Behandlung dieser malignen Krebsformen.
Ruxolitinib ist ein JAK1- und JAK2-selektiver Inhibitor, der im Jahr 2012 in Europa als orales Therapeutikum zur Behandlung der idiopathischen Myelofibrose sowie der Polycythaemia vera eine Zulassung erhielt (Tabelle). Der antiproliferative Wirkmechanismus basiert schwerpunktmäßig auf der Hemmung der JAK2, der auch mutierte Formen des Enzyms einschließt. Ruxolitinib ist strukturell ebenfalls ein ATP-Mimetikum. Es kommt in Tabletten als wasserlösliches Phosphat zum Einsatz.
Im Mai 2022 folgte eine Indikationserweiterung zur Behandlung von Graft-versus-Host-Erkrankungen, das heißt gegen immunologische Reaktionen infolge einer allogenen Knochenmark- oder Stammzelltransplantation. Die Standarddosierung beträgt zweimal täglich 10 mg und kann auf maximal zweimal 25 mg gesteigert werden. Auf einen Off-Label-Use von Ruxolitinib zur Behandlung von Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen wird noch eingegangen.
In den USA wird Ruxolitinib zusätzlich auch als topische Arzneiform (1,5-prozentige Creme, Opzelura®) vermarktet. Einer FDA-Zulassung zur Behandlung der atopischen Dermatitis im Jahr 2021 folgte jüngst eine Indikationserweiterung zur Therapie der nicht-segmentalen Vitiligo (nicht in Deutschland) (8). Die sogenannte Weißfleckenerkrankung wird mit der Wirkung von IFN-γ in Zusammenhang gebracht, wodurch sich auch der Einsatz von Ruxolitinib erklärt.
Ruxolitinib wird von CYP3A4 metabolisiert. Wird es gemeinsam mit Hemmstoffen von CYP3A4 oder CYP2C9 genommen, sollte seine Dosis reduziert (halbiert) werden. Ruxolitinib kann die Transporter P-gp und BCRP hemmen, woraus eine erhöhte Resorption von deren Substraten (Dabigatranetixilat, Ciclosporin, Rosuvastatin) resultieren kann.
Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören Veränderungen im Blutbild, hierbei besonders Thrombozytopenie, Anämie sowie Neutropenie. Eine häufigere Überwachung des Blutbilds wird daher empfohlen. Ebenfalls werden Schwindel und Kopfschmerzen registriert. Wie auch bei den anderen Jakiniben sollten Patienten über das erhöhte Infektionsrisiko aufgeklärt werden.
Fedratinib erhielt 2019 in den USA und 2021 in der EU eine Zulassung zur Behandlung einer krankheitsbedingten Splenomegalie sowie der Symptome erwachsener Patienten mit primärer Myelofibrose, Post-Polycythaemia-vera-Myelofibrose oder einer Thrombozythämie-Myelofibrose. Es wird als Dihydrochlorid-Monohydrat in Form von Kapseln eingesetzt.
Der Inhibitor ist selektiv für JAK2, hemmt auch die übermäßige Aktivität von mutierten JAK2-Kinasen wie JAK2-V617F, die an der Entstehung der Myelofibrose und der Polycythaemia vera beteiligt sind, sowie der FLT3 (FMS-like tyrosine kinase 3). Die Tagesdosis von 400 mg wird einmalig unabhängig von Mahlzeiten eingenommen. Da oftmals Übelkeit als Nebenwirkung beschrieben wird, soll eine Einnahme mit einer Mahlzeit zu einer besseren Verträglichkeit führen. Fedratinib vermindert die Resorption von Thiamin (Vitamin B1), weshalb zwingend auf den Thiamin-Spiegel zur Verhinderung schwerwiegender Nebenwirkungen zu achten ist.
Bei einer langen Halbwertszeit (terminale HWZ etwa 114 Stunden) wird Fedratinib insbesondere durch CYP3A4 und CYP2C19 metabolisiert. Auch flavinhaltige Monooxygenasen (FMO) sind am Metabolismus beteiligt. Die Liste der möglichen UAW umfasst Durchfall, Übelkeit und Erbrechen sowie hämatologische Nebenwirkungen, insbesondere Anämien und Thrombozytopenien.
In der SARS-CoV-2-Pandemie wurde erörtert, ob der bei schweren Verläufen der Viruserkrankung auftretende Zytokinsturm, der oftmals mortalitätsinduzierend wirkt, durch Jakinibe unterdrückt werden kann. Eine Metaanalyse sechs randomisierter klinischer Studien zur Wirksamkeit von JAK-Inhibitoren zusätzlich zur Standardtherapie bei Covid-19-Patienten verdeutlichte, dass JAK-Inhibitoren offensichtlich die Gesamtmortalität reduzieren können, dabei aber den klinischen Status der Patienten nicht verbessern (9).
Kontrovers wurde diskutiert, inwieweit es sich hierbei um einen Gruppeneffekt handelt. Im direkten Vergleich mehrerer JAK-Inhibitoren zeigte insbesondere Baricitinib direkte antivirale Aktivitäten durch Hemmung von Enzymen, die an der Endozytose der Viren beteiligt sind. Durch Inhibition von AAK1 (AP2‐associated protein kinase 1) sowie GAK (G‐associated kinase) wird die virale Zellaufnahme unterdrückt. Hierbei ist Baricitinib effektiver als die anderen JAK-Inhibitoren (10).
Die Wirkung von Baricitinib wurde in mehreren klinischen Studien untersucht. Sowohl die COV-BARRIER- als auch die ACTT-2-Studie (in Kombination mit Remdesivir) zeigten, dass hospitalisierte Patienten eine schnellere Erholung unter der Kombinationstherapie und eine geringere Mortalitätsrate aufwiesen; dies bezog sich allerdings nicht auf intensivmedizinisch beatmete Patienten. Die RECOVERY-Studie zeigte weiterhin, dass Baricitinib auch in Kombination mit Tocilizumab oder Sarilumab (beide hemmen die IL-6-Wirkung) eingesetzt werden kann (11). Baricitinib erhielt auf dieser Basis im Mai 2022 von der FDA eine Notzulassung zur Behandlung von erwachsenen hospitalisierten sowie sauerstoffpflichtigen Patienten mit Covid-19.
Ein Zulassungsantrag bei der EMA liegt seit 2021 vor. Aktuell wird Baricitinib in einem Rolling-Review-Verfahren geprüft und unter den zehn möglichen Wirkstoffen zur Behandlung von Covid-Patienten gelistet (12). Eine explizite Zulassung steht aber aus.
Auch Tofacitinib wurde diesbezüglich in einer klinischen Studie (STOP-Covid-Trial) untersucht und zeigte in Kombination mit Glucocorticoiden eine allerdings nicht signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens der hospitalisierten Patienten (13). Auch vor dem Hintergrund der Nebenwirkungen rät die WHO von Tofacitinib und Ruxolitinib zur Behandlung von Covid-Patienten ab.
Eine Reihe von JAK-Inhibitoren befindet sich aktuell in unterschiedlichen Phasen der klinischen Entwicklung, wobei sowohl Wirkstoffe für die Behandlung autoimmuner Entzündungserkrankungen als auch antiproliferative Wirkstoffe im onkologischen Kontext entwickelt werden. Einzelne Jakinibe haben auch Zulassungen außerhalb der EU. Ausgewählte Wirkstoffkandidaten sollen hier beispielhaft kurz vorgestellt werden (kein Anspruch auf Vollständigkeit).
Deucravacitinib hat Phase-III-Studien der klinischen Entwicklung zur Behandlung der Psoriasis vulgaris erfolgreich absolviert und erhielt dafür kürzlich durch die FDA eine Zulassung (Sotyktu™). Es hemmt selektiv die Tyrosinkinase 2 (TYK2). Abweichend von den inhibitorischen Mechanismen der bisherigen JAK-Hemmer wird ein allosterischer Bindemodus an TYK2 als Hemmmechanismus berichtet.
Ein moderner Januskopf: die Skulptur »Blik Van Licht« des belgischen Malers und Bildhauers Charles Delporte (1928 bis 2012) / Foto: Imago/imagebroker
Peficitinib hemmt bevorzugt JAK3, in geringerem Umfang auch JAK1, JAK2 und TYK2. Die Wirkung wird in klinischen Studien zur Therapie der RA überprüft (14). Klinische Studien in anderen Indikationen, zum Beispiel Plaque-Psoriasis, Abstoßungsreaktionen und Colitis ulcerosa, wurden eingestellt.
Delgocitinib ist ein pan-JAK-Inhibitor, der im Jahr 2020 in Japan eine Zulassung zur Behandlung von Patienten mit atopischer Dermatitis erhielt (15, 16).
Pacritinib ist ein Inhibitor der JAK2 und FLT3 und erhielt im Jahr 2022 von der FDA eine Zulassung zur Therapie der schweren Myelofibrose bei bestehender Thrombozytopenie (17). Der Wirkstoff wurde auch bei anderen malignen Erkrankungen getestet und zeigte beispielsweise eine Wirksamkeit bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) bei therapieresistenten Patienten und in Kombinationen mit anderen Chemotherapien (18). Der Hersteller hat den Zulassungsantrag bei der EMA 2019 zurückgezogen.
Gandotinib, ein hauptsächlich JAK2-spezifischer Inhibitor, wird aktuell in Phase-II-Studien bei verschiedenen myeloproliferativen Erkrankungen überprüft, unter anderem bei Polycythaemia vera, essenzieller Thrombozythämie und Osteomyelofibrose bei Patienten, die nicht ausreichend auf Ruxolitinib ansprechen.
Momelotinib, ein JAK1- und JAK2-Inhibitor, wurde in klinischen Studien zur Therapie myeloproliferativer Erkrankungen getestet, unter anderem bei Polycythaemia vera, essenzieller Thrombozythämie und primärer Myelofibrose (19). Weitere Studien fokussierten auf das therapierefraktäre metastasierte Pankreaskarzinom. Die Firma GSK hat einen Zulassungsantrag für Momelotinib bei der FDA zur Behandlung der Myelofibrose gestellt, eine Entscheidung wird für Juni 2023 erwartet.
Durch ihren funktionellen Eingriff in die Wirkung von Zytokinen auf Rezeptorebene haben die JAK-Inhibitoren ein enormes therapeutisches Potenzial. Als Small-Molecule-Wirkstoffe weisen sie eine klare Rationale der Struktur-Wirkungs-Beziehungen ihrer inhibitorischen Aktivität auf. Strukturelle Optimierungen haben bei den neueren Derivaten die Selektivität der JAK-Hemmung gesteigert und führen damit zu weniger UAW. Das stetig wachsende Indikationsspektrum der JAK-Inhibitoren zeigt ihr Innovationspotenzial und die breite pharmakologische Anwendbarkeit in der Therapie autoimmuner Entzündungen sowie myeloproliferativer Erkrankungen.
Die orale Applikation, die von vielen als entscheidender Vorteil gegenüber den Biologika angesehen wird, erkaufen sich die Jakinibe jedoch durch diverse pharmakokinetische Interaktionen, die es in der pharmazeutischen Beratung zu beachten gilt. Ob sie als Zweitlinientherapeutika bei autoimmunen Entzündungserkrankungen mit den Biologika gleichziehen oder diese sogar übertrumpfen und somit den hohen Erwartungen entsprechend ihrer »göttlichen« Namensgebung standhalten können, wird in naher Zukunft mit einem tieferen Einblick in ihr Nebenwirkungspotenzial entschieden.
Gerd Bendas hat seit 2003 die Professur für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn inne. Seine Forschungstätigkeit liegt schwerpunktmäßig auf der Untersuchung der molekularen Mechanismen der Metastasierung und der Chemoresistenz von Tumoren sowie therapeutischen Strategien zu deren Inhibition.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.