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Abschlussfeier in München

»Sie haben es geschafft«

Pharmaziestudierende aus drei Semestern konnten sich freuen: Bei der akademischen Abschlussfeier des Departments für Pharmazie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erhielten Mitte Juli rund 160 Absolventinnen und Absolventen des Bachelor- und Master- sowie des Staatsexamens-Studiengangs eine Urkunde und etliche zudem eine Auszeichnung.
Brigitte M. Gensthaler
29.07.2022  10:30 Uhr

Vor den schon traditionellen Preisverleihungen begrüßte Professor Dr. Franz Bracher, Direktor des Departments für Pharmazie– Zentrum für Pharmaforschung– an der LMU, die Absolventinnen und Absolventen sowie alle Mitfeiernden. Da es die erste Abschlussfeier nach der Corona-Zwangspause war, wurden Studierende aus drei Semestern feierlich verabschiedet. Bracher erinnerte an die coronabedingten Einschränkungen und Auflagen für die Lehrenden und Studierenden. »Dennoch konnte den Studierenden ein einigermaßen normales Studium ermöglicht werden. Und jetzt haben Sie es geschafft.«

Studiendekan Professor Dr. Franz Paintner hielt die Glückwunschurkunden für 136 Pharmazie-Staatsexamens-Studierende, zehn Absolventinnen und Absolventen des Bachelor-Studiengangs sowie zehn des Master-Studiengangs Pharmaceutical Sciences bereit. Unter dem Applaus des Auditoriums gratulierte er jedem Absolventen und jeder Absolventin einzeln.

Verleihung der Preise

In guter Tradition wurden die Besten mit Preisen ausgezeichnet. Den Herbert-Marcinek-Preis für herausragende Leistungen im ersten Studienabschnitt stiftet die Familie Marcinek im Gedenken an ihren kurz vor Abschluss seiner Dissertation tödlich verunglückten Sohn. Als Preisträger 2021 zeichnete Bracher Nadine Baumeister, Rafael Filip, Paul Kropp und Kerstin Mülken aus sowie für 2022 Nina Luisa Heinrichs, Kristina Klein und Xiya Niu.

Für ihre herausragenden Leistungen im zweiten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung zeichnete Dr. Hermann Vogel, Vorsitzender des Stiftungsrats der Dr. August und Dr. Anni Lesmüller-Stiftung, fünf angehende Kolleginnen und Kollegen mit dem Lesmüller-Preis aus. Die Preisträger 2021 sind Lukas Geßler, Elisabeth Michels und Miriam Schechner sowie für 2022 Dennis Hackenberg und Maria Siegle. Der Ehrenpräsident der Bayerischen Landesapothekerkammer gratulierte allen Absolventinnen und Absolventen zum erfolgreichen Abschluss und stimmte sie auf das praktische Jahr ein. Die pharmazeutischen Dienstleistungen stellten eine ganz neue Aufgabe in der öffentlichen Apotheke dar. Zugleich rief Vogel die jungen Leute auf, sich zu engagieren: »Mischen Sie sich in die politische Diskussion ein, denn Sie sind es ja, die in und mit der Zeitenwende leben werden.«

Daiichi Sankyo-Master-Preis und Abbvie-Promotionspreis

Für den besten Abschluss des Masterstudiengangs Pharmaceutical Sciences in 2021 zeichnete Dr. Thomas Profitlich, Leiter der Formulation Technology bei Daiichi Sankyo Europe, Katrin Pérez Anderson mit dem Daiichi-Sankyo-Masterpreis aus. Die global agierende Firma unterstütze gerne junge Forscherinnen und Forscher, sagte Profitlich und verwies auf den Stellenwert von Apothekern: »Seien Sie stolz auf Ihren Abschluss. Es ist eine wichtige Ausbildung und Apotheker werden in und von der Gesellschaft gebraucht.«

Bei der Abschlussfeier wurden zudem die fünf besten Promotionsarbeiten des Departments gewürdigt. Dr.Thomas Merdan, Senior Director Drug Product Development bei Abbvie Deutschland, überreichte die Preise für die besten Doktorarbeiten der Jahre 2021 und 2022. Die Abbvie-Promotionspreise 2021 gingen an Dr.Carina Glas (Arbeitskreis Professor Bracher) und Dr.Martin Müller (Arbeitskreis Professor Dr.Angelika Vollmar). Mit den Promotionspreisen 2022 zeichnete er Dr.Daniel Bindl (Arbeitskreis Professor Dr.Ivan Huc), Dr. Konstantin Hennis (Arbeitskreis Professor Dr.Martin Biel) und Dr.Cornelia Karg (Arbeitskreis Professor Vollmar/Dr.Simone Moser) aus. Anschließend stellten die Ausgezeichneten, teils per Video, die prämierten Promotionsarbeiten kurz vor. Merdan verwies auf die Fortschritte in der pharmazeutischen Entwicklung. Viele neue Arzneistoffe seien der Forschung entwachsen und kämen in die Klinik und an den Patienten. Spannend für die Absolventinnen und Absolventen: »Sie kommen in einer großartigen Zeit ins Berufsleben. Suchen Sie sich den Bereich, für den Sie brennen.«

Dr. Gerhard Gensthaler verabschiedet

Bei der akademischen Abschlussfeier wurde zudem Dr. Gerhard Gensthaler verabschiedet, der 20 Jahre lang Pharmaziegeschichte am Institut gelehrt hatte. Promoviert in Pharmaziegeschichte, als Apothekenleiter und dann als stellvertretender Geschäftsführer bei der Bayerischen Landesapothekerkammer tätig, übernahm Gensthaler nach der Pensionierung 2002 die Geschäftsführung des Hilfswerks »Apotheker Helfen« und zugleich die Vorlesung zur »Geschichte der Naturwissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der Pharmazie«. Bracher würdigte das »unglaublich hohe und lange Engagement« des Kollegen, der nach wie vor vielfältig ehrenamtlich in der Pharmaziegeschichte tätig sei.

Komplexität als Triebfeder

Im Festvortrag gab Professor Dr. Dirk Brockmann einen Einblick in »Komplexität und antidisziplinäre Wissenschaft«. Der theoretische Physiker forscht an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Robert-Koch-Institut und gilt als ausgewiesener Komplexitätswissenschaftler. Er leitete seinen Vortrag mit einem Zitat des inzwischen verstorbenen Astrophysikers Stephen Hawking ein: »I think the next century will be the century of complexity.«

Komplex sei nicht gleichbedeutend mit »kompliziert«, verdeutlichte Brockmann am Beispiel eines fallenden Würfels. Das Fallen erscheint als einfache Bewegung, ist aber tatsächlich sehr komplex. Ebenso seien das Schwarmverhalten der Vögel oder Fußgängerbewegungen in beengten Räumen oder auf einer Brücke extrem komplex. »Wie funktioniert es, dass sie nicht kollidieren?« Man geht heute davon aus, dass der Vogelschwarm drei Prinzipien folgt: Kollisionen vermeiden, Gruppe nicht verlassen und sich an den Nachbarn orientieren. Simulationen des Autoverkehrs auf einer Autobahn zeigen beispielhaft, was passiert, wenn ein Prinzip nicht beachtet wird: Es bilden sich Phantomstaus, also Staus ohne erklärbaren Grund, wenn die Autos mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind.

Komplexitätsforschung verbindet bewusst viele Wissenschaftsgebiete, um traditionelle Grenzen vorsätzlich zu überschreiten. Wie der Physiker betonte, wird dabei immer das Verbindende herausgestellt. Dies stellt die lange geltende Darwin´sche Theorie infrage, wonach Konflikte und der »Wettstreit ums Dasein« die Triebkräfte der Entwicklung sind. »Erst seit Kurzem erkennt man, dass es neue Kooperationen und neue Verlinkungen sind, die die natürliche Evolution und Innovationen hervorbringen und antreiben«, sagte Brockmann. Jeder höhere Organismus habe symbiotische Beziehungen zu Mikroorganismen. Die Natur habe die Erde nicht durch Wettstreit, sondern durch »Networking« erobert.

Ein fröhlich-angeregtes Networking der Absolventen und Absolventinnen, Lehrenden und Gäste beim anschließenden Empfang– immer mit dem coronagebührenden Abstand– rundete die Abschlussfeier ab.

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