Selbstmedikation kritisch hinterfragen |
Bei akuten Schmerzen nehmen auch Patienten mit Herzinsuffizienz oft in Eigenregie Schmerzmittel ein. Für sie sind jedoch NSAR keine gute Wahl. / Foto: Getty Images/Zinkevych
Herr Fischer (geboren 1950) bittet um eine Medikationsanalyse in Ihrer Apotheke. Zum Gespräch bringt er seine Arzneimittel mit, die er laut eigenen Angaben wie folgt einnimmt:
Herr Fischer erzählt, dass er eine Herzschwäche hat und daher regelmäßig in ärztlicher Behandlung ist. Seine Blutwerte und sein Blutdruck würden ebenfalls regelmäßig überprüft und seien bei der letzten Messung normal gewesen. Seit einigen Tagen habe er aber starke Rückenschmerzen. Seine Frau habe ihm daher ihre Schmerztabletten Diclofenac 25 mg gegeben, die er nun seit drei Tagen zweimal täglich einnehme. Da er die Einnahme nicht mit seinem Arzt abgestimmt hat, bittet er um Ihre Einschätzung, ob das Schmerzmittel für ihn geeignet ist.
Bei einer Medikationsanalyse Typ 2a ist die Medikation entsprechend den Vorgaben der Leitlinie der Bundesapothekerkammer mindestens auf die folgenden arzneimittelbezogenen Probleme systematisch zu prüfen:
Die Selbstmedikation sollte besonders sorgfältig analysiert werden, da diese behandelnden Ärzten oftmals nicht bekannt ist. Apotheker können vorliegende Gegenanzeigen identifizieren und damit einen essenziellen Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit leisten.
Besonders deutlich wird dies bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac oder Ibuprofen und COX-2-Hemmer können durch Salz- und Wasserretention, Erhöhung des systemischen Gefäßwiderstands und Verminderung der Diuretikawirkung eine Herzinsuffizienz verschlechtern. Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) »Chronische Herzinsuffizienz« empfiehlt, den Gebrauch gezielt zu erfragen und möglichst zu vermeiden.
Wenn notwendig, sollten andere Analgetika, zum Beispiel Paracetamol und/oder schwach wirkende Opioide wie Tilidin/Naloxon oder Tramadol, angewendet beziehungsweise ärztlich verordnet werden. Laut Fachinformation ist Diclofenac bei bekannter Herzinsuffizienz (NYHA II–IV), ischämischer Herzkrankheit, peripherer arterieller Verschlusskrankheit und/oder zerebrovaskulärer Erkrankung kontraindiziert.
Die NVL stellt für spezifische Entscheidungs- oder Informationssituationen evidenzbasierte Materialien in laiengerechter Sprache im Internet bereit. Darunter ist auch ein Patientenblatt zum Thema »Herzschwäche – Vorsicht bei bestimmten Medikamenten«, in dem explizit auf das Risiko von Diclofenac und anderen NSAR hingewiesen wird. Dieses kann auch im Apothekenalltag genutzt werden.
Die Medikation von Herrn Fischer entspricht ansonsten den Therapieempfehlungen der NVL. Im September 2021 wurde in diese ein neuer Abschnitt im Kapitel »Medikamentöse Therapie« eingefügt. SGLT2-Inhibitoren wie Empagliflozin werden nun zusätzlich empfohlen, wenn die korrekt eingestellte Basismedikation Beschwerden nicht ausreichend lindert – unabhängig davon, ob ein Diabetes vorliegt.
Bei der Überprüfung auf mögliche Arzneimittelinteraktionen ist das erhöhte Hyperkaliämierisiko durch die gemeinsame Behandlung mit Enalapril und Spironolacton als besonders relevant zu bewerten. Es sollte durch den behandelnden Arzt eine häufige Überprüfung des Serum-Kaliums erfolgen. Das Cave-Modul des ABDA-Artikelstamms empfiehlt eine Kontrolle eine Woche nach Beginn der Therapie oder nach Dosiserhöhung, danach in regelmäßigen Abständen wie monatlich in den ersten drei Monaten, dann viermal jährlich für ein Jahr und später halbjährlich.
Da Herr Fischer außer den Rückenschmerzen aktuell keine anderen Beschwerden hat, sind keine weiteren arzneimittelbezogenen Probleme festzustellen. Sie informieren Herrn Fischer, dass das Schmerzmittel Diclofenac für ihn wegen seiner Herzschwäche nicht zu empfehlen ist. Er vereinbart umgehend einen Termin mit seinem Arzt, um die Ursachen für seine Rückenschmerzen abklären und sich gegebenenfalls geeignetere Schmerzmittel verordnen zu lassen.
Im vorgestellten Fall hat Herr Fischer explizit darauf hingewiesen, dass er eine Herzschwäche hat. In der Praxis haben Patienten häufig verschiedene kardiovaskuläre Erkrankungen und können diese nicht immer differenziert benennen. Auch die Medikation lässt nicht immer eindeutige Rückschlüsse auf die zugrundeliegenden Diagnosen zu. Bei Unsicherheiten, ob eine Herzinsuffizienz vorliegt, sollte daher möglichst Rücksprache mit dem behandelnden Arzt gehalten werden.
Die Apothekerinnen Dr. Lisa Goltz und Dr. Jane Schröder sind beim ARMIN-Arzneimittelberatungsdienst der Klinik-Apotheke am Universitätsklinikum an der TU Dresden tätig. Dort unterstützen sie an der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen teilnehmende sächsische Apotheker und Ärzte bei fachlichen Fragen. Die Beratung wird von der Sächsischen Landesapothekerkammer, der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen und der AOK PLUS finanziert.