Selbstmedikation bei Blasenentzündung |
Laura Rudolph |
17.03.2022 07:00 Uhr |
Frauen sind aufgrund ihrer Anatomie etwa viermal häufiger von Blasenentzündungen betroffen als Männer. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Häufiger Harndrang, Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen, trüber Urin: Meist verursachen Enterobakterien wie Escherichia coli diese unangenehmen Beschwerden einer Harnwegsinfektion (HWI). Die Keime wandern dabei durch die Harnröhre bis in die Blase, setzen sich in der Blasenschleimhaut fest und verursachen eine schmerzhafte Entzündung. Während sich die akuten Symptome bei der unteren HWI (Zystitis) auf Blase oder Harnröhre begrenzen, kommt es bei der oberen HWI (Pyelonephritis) zu einer zusätzlichen Nierenbeteiligung. Fieber und Flankenschmerz weisen auf diese Nierenbeckenentzündung hin, die immer ärztlich abgeklärt werden muss.
Für die Selbstmedikation geeignet ist hingegen die akute unkomplizierte Zystitis, also die klassische Blasenentzündung. Die Spontanheilungsrate liegt hier bei 30 bis 50 Prozent innerhalb von einer Woche. Als unkompliziert gilt sie, wenn keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, Nierenfunktionsstörungen oder bestimmte Begleiterkrankungen vorliegen. Frauen sind durch ihre Anatomie etwa viermal häufiger betroffen als Männer, welche bei Anzeichen für eine HWI stets einen Arzt aufsuchen sollten.
Schmerzen im Unterleib und beim Wasserlassen lassen sich meist schnell durch das analgetisch und antiphlogistisch wirksame Ibuprofen lindern. In einer Studie wurde eine dreitägige Ibuprofen-Gabe (3 × 400 mg) mit der Einmalgabe des Antibiotikums Fosfomycin bei Frauen mit einer unkomplizierten Harnwegsinfektion verglichen. Unter Ibuprofen waren etwa 70 Prozent der Patientinnen nach einer Woche beschwerdefrei, unter antibiotischer Behandlung waren es hingegen etwa 80 Prozent. Rund zwei Drittel der Probandinnen mit rein symptomatischer Behandlung benötigten kein Antibiotikum.
Auch einige Phytopharmaka können zur unterstützenden Behandlung bei akuter Zystitis angewendet werden, etwa die Kombination aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel. Aus den enthaltenen Senfölglykosiden werden in der Blase antimikrobielle Isothiocyanate (Senföle) freigesetzt. Am verträglichsten ist die Einnahme nach dem Essen, da Senföle den Magen-Darm-Trakt reizen können. Die aktuelle S3-Leitlinie zu unkomplizierten HWI aus dem Jahr 2017 empfiehlt die Kombination zur Prophylaxe häufig rezidivierender Infekte genauso wie die antibakteriell wirkenden Bärentraubenblätter. Der entscheidende Inhaltsstoff ist das Prodrug Arbutin, aus dem pathogene Keime in der Blase bakteriostatisches Hydrochinon freisetzen – unabhängig vom pH-Wert des Urins. Da Arbutin lebertoxisch wirkt, begrenzt die Leitlinie die prophylaktische Anwendung auf maximal einen Monat.
Noch keinen Einzug in die Leitlinie haben hingegen Cranberry-Präparate gefunden. Allerdings sieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen Hinweis auf einen Nutzen von Cranberry im Vergleich zu Placebo hinsichtlich einer Verringerung der Rezidivrate der Zystitis. Proanthocyanidine sollen das Anhaften pathogener Keime an der Blasenwand erschweren.
Die Dreierkombination aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern zeigt in vitro entzündungshemmende, schmerzlindernde, krampflösende sowie antiadhäsive Eigenschaften. Daneben können klassische Blasen- und Nierentees, beispielsweise mit Ackerschachtelhalm, Birkenblättern oder Goldrutenkraut, die Durchspülung der Harnwege anregen.
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Zur unterstützenden Behandlung und Prophylaxe eignet sich außerdem D-Mannose. Kaum resorbiert gelangt das Monosaccharid fast vollständig in die Blase. Dort fängt es E.-coli-Bakterien, die häufigsten HWI-Erreger, ab, bevor sie sich mit ihren Fimbrien an die natürlich im Urothel vorkommende Mannose anheften. Die Bakterien werden dann über den Urin ausgeschieden. »Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann Mannose empfohlen werden«, heißt es dazu in der aktuellen S3-Leitlinie.
Zudem kann ein leicht saurer Harn, etwa durch die Einnahme der harnansäuernden Aminosäure Methionin, das Bakterienwachstum in der Blase hemmen. Die Leitlinienautoren verweisen hier allerdings auf eine widersprüchliche Studienlage, sodass sie keine generelle Empfehlung aussprechen.
Damit Pharmaziepraktikanten das Thema Selbstmedikation bei Blasenentzündung angepasst an die Produkte ihrer PJ-Apotheke noch einmal aufarbeiten können, steht im Serviceteil der PZ-Ausgabe Nummer 11 ein interaktives Arbeitsblatt zur Verfügung. Es kann auch als Anlass genutzt werden, das Thema mit den Kolleginnen und Kollegen in der Apotheke durchzusprechen. Gerne können Sie auch das PDF zum Download nutzen. Bisherige Themen der Serie waren: Schlafstörungen, Sodbrennen, Hämorrhoidalleiden, Lippenherpes, Obstipation, Heuschnupfen, Fußpilz, Nagelpilz, Sonnenschutz, Vaginalmykosen, Durchfall, Selbstmedikation im Alter und Husten. Eine Übersicht ist auf der entsprechenden Themenseite zu finden.