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PhiP im HV

Selbstmedikation bei Blasenentzündung

Wenn es beim Wasserlassen brennt und schmerzt, ist die Apotheke häufig die erste Anlaufstelle. Der 14. Teil der Campusserie »PhiP im HV« erklärt, wie eine Harnwegsinfektion nicht zum Dauerbrenner wird. 
Laura Rudolph
17.03.2022  07:00 Uhr

Häufiger Harndrang, Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen, trüber Urin: Meist verursachen Enterobakterien wie Escherichia coli diese unangenehmen Beschwerden einer Harnwegsinfektion (HWI). Die Keime wandern dabei durch die Harnröhre bis in die Blase, setzen sich in der Blasenschleimhaut fest und verursachen eine schmerzhafte Entzündung. Während sich die akuten Symptome bei der unteren HWI (Zystitis) auf Blase oder Harnröhre begrenzen, kommt es bei der oberen HWI (Pyelonephritis) zu einer zusätzlichen Nierenbeteiligung. Fieber und Flankenschmerz weisen auf diese Nierenbeckenentzündung hin, die immer ärztlich abgeklärt werden muss.

Für die Selbstmedikation geeignet ist hingegen die akute unkomplizierte Zystitis, also die klassische Blasenentzündung. Die Spontanheilungsrate liegt hier bei 30 bis 50 Prozent innerhalb von einer Woche. Als unkompliziert gilt sie, wenn keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, Nierenfunktionsstörungen oder bestimmte Begleiterkrankungen vorliegen. Frauen sind durch ihre Anatomie etwa viermal häufiger betroffen als Männer, welche bei Anzeichen für eine HWI stets einen Arzt aufsuchen sollten.

Wichtige Fragen bei der Beratung

  • Wer ist betroffen? Eine Selbstmedikation kommt nur für Frauen ohne Risikofaktoren infrage, nicht jedoch für Kinder, Männer oder Schwangere. Postmenopausale Frauen leiden durch die sinkenden Hormonspiegel und einer daraus resultierenden schlechteren Durchblutung der Schleimhäute häufiger an einer Zystitis und sollten bei Beschwerden einen Arzt aufsuchen.
  • Welche weiteren Symptome liegen vor? Fieber, Blut im Urin oder Nierenschmerzen sprechen für einen komplizierten Verlauf und gehören in ärztliche Behandlung.
  • Welche Vorerkrankungen liegen vor? Schlecht eingestellte Diabetiker, Immunsupprimierte sowie Niereninsuffiziente haben ein erhöhtes Komplikationsrisiko und sollten einen Arzt aufsuchen.
  • Wie lange bestehen die Beschwerden schon? Bei einer unkomplizierten Zystitis im Anfangsstadium kann pharmazeutisches Personal zur Selbstmedikation beraten. Tritt nach drei bis maximal fünf Tagen keine Besserung ein oder kehrt die Infektion ständig wieder, empfiehlt sich eine ärztliche Abklärung der Ursachen.

Ibuprofen gegen Schmerzen

Schmerzen im Unterleib und beim Wasserlassen lassen sich meist schnell durch das analgetisch und antiphlogistisch wirksame Ibuprofen lindern. In einer Studie wurde eine dreitägige Ibuprofen-Gabe (3 × 400 mg) mit der Einmalgabe des Antibiotikums Fosfomycin bei Frauen mit einer unkomplizierten Harnwegsinfektion verglichen. Unter Ibuprofen waren etwa 70 Prozent der Patientinnen nach einer Woche beschwerdefrei, unter antibiotischer Behandlung waren es hingegen etwa 80 Prozent. Rund zwei Drittel der Probandinnen mit rein symptomatischer Behandlung benötigten kein Antibiotikum.

Pflanzliche Hilfe

Auch einige Phytopharmaka können zur unterstützenden Behandlung bei akuter Zystitis angewendet werden, etwa die Kombination aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel. Aus den enthaltenen Senfölglykosiden werden in der Blase antimikrobielle Isothiocyanate (Senföle) freigesetzt. Am verträglichsten ist die Einnahme nach dem Essen, da Senföle den Magen-Darm-Trakt reizen können. Die aktuelle S3-Leitlinie zu unkomplizierten HWI aus dem Jahr 2017 empfiehlt die Kombination zur Prophylaxe häufig rezidivierender Infekte genauso wie die antibakteriell wirkenden Bärentraubenblätter. Der entscheidende Inhaltsstoff ist das Prodrug Arbutin, aus dem pathogene Keime in der Blase bakteriostatisches Hydrochinon freisetzen – unabhängig vom pH-Wert des Urins. Da Arbutin lebertoxisch wirkt, begrenzt die Leitlinie die prophylaktische Anwendung auf maximal einen Monat.

Noch keinen Einzug in die Leitlinie haben hingegen Cranberry-Präparate gefunden. Allerdings sieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen Hinweis auf einen Nutzen von Cranberry im Vergleich zu Placebo hinsichtlich einer Verringerung der Rezidivrate der Zystitis. Proanthocyanidine sollen das Anhaften pathogener Keime an der Blasenwand erschweren.

Die Dreierkombination aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern zeigt in vitro entzündungshemmende, schmerzlindernde, krampflösende sowie antiadhäsive Eigenschaften. Daneben können klassische Blasen- und Nierentees, beispielsweise mit Ackerschachtelhalm, Birkenblättern oder Goldrutenkraut, die Durchspülung der Harnwege anregen.

Weitere Therapieoptionen

Zur unterstützenden Behandlung und Prophylaxe eignet sich außerdem D-Mannose. Kaum resorbiert gelangt das Monosaccharid fast vollständig in die Blase. Dort fängt es E.-coli-Bakterien, die häufigsten HWI-Erreger, ab, bevor sie sich mit ihren Fimbrien an die natürlich im Urothel vorkommende Mannose anheften. Die Bakterien werden dann über den Urin ausgeschieden. »Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann Mannose empfohlen werden«, heißt es dazu in der aktuellen S3-Leitlinie.

Zudem kann ein leicht saurer Harn, etwa durch die Einnahme der harnansäuernden Aminosäure Methionin, das Bakterienwachstum in der Blase hemmen. Die Leitlinienautoren verweisen hier allerdings auf eine widersprüchliche Studienlage, sodass sie keine generelle Empfehlung aussprechen.

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