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Klinische Testung

Sechs vielversprechende Impfstoffe gegen das Coronavirus

Laut Übersicht des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) befinden sich derzeit 115 Impfstoffprojekte in der Entwicklung. Sechs Kandidaten mit unterschiedlicher Technologie, die bereits in der klinischen Testung sind, stellte  PZ-Chefredakteur Professor Dr. Theo Dingermann beim gestrigen Live-Webcast steckbriefartig vor.
Daniela Hüttemann
07.05.2020  14:00 Uhr

Einen adjuvantierten Totimpfstoff mit dem Namen PiCoVacc testet die chinesische Firma Sinovac aus Peking. »Dabei handelt es sich um eine klassische Technologie, was in der SARS-CoV-2-Impfstoffentwicklung eher ungewöhnlich ist«, so Dingermann beim Covid-19-Live-Webcast von Pharma4u und PZ. Bei Mäusen, Ratten und Primaten konnte eine starke Bildung neutralisierender Antikörper beobachtet werden, ohne Hinweis auf eine übermäßige Th2-Antwort, die wiederum auf einen Zytokinsturm oder ein sogenanntes Antibody dependent Enhancement (ADE) hinweist, bei der das Immunsystem auf eine echte Infektion stark überreagiert. Derzeit läuft eine Phase-I-Studie mit 144 Personen. »Der große Vorteil dieses Impfstoffs ist, dass er in Anlagen produziert werden kann, über die auch Entwicklungsländer verfügen.«

Kandidat Zwei trägt das sperrige Kürzel ChAdOx1 nCoV-19. Es handelt sich um einen abgeschwächten, nicht replikationsfähigen Vektor, ein Adenovirus aus Schimpansen, der die genetische Information für das Spike-Protein des neuen Coronavirus enthält. Der Vektor sei als Plattform erprobt; bislang sei allerdings noch kein Impfstoff auf dieser Basis bis zur Zulassung gelangt. Entwickelt hat den Impfstoff das Jenner-Institut der Universität Oxford. Nun läuft eine Phase-I/II-Studie mit rund 1100 Freiwilligen im Alter von 18 bis 55 Jahren, die entweder ChAdOx1 nCov-19 oder eine Meningokokken-Impfung erhalten. »Das Besondere an diesem Projekt ist, dass der Impfstoff bereits produziert wird, und zwar im großen Stil«, bemerkte Dingermann. Dahinter stecke der indische »Impfstoffkönig von Indien«, der Milliardär Cyrus Poonawalla mit seiner Firma Serum, dem laut Medienberichten weltweit größten Impfstoffproduzenten. Bis Jahresende sollen 40 Millionen Dosen produziert werden, zu je 12 US-Dollar.

Ebenfalls auf einen Vektorimpfstoff setzt die chinesische Firma CanSino Biological. Zusammen mit dem Pekinger Institut für Biotechnologie testet sie Ad5-nCoV, der auf einem Adenovirus-Typ-5-Vektor basiert und ebenfalls die Information für das Spike-Protein enthält. »Hier läuft bereits die Phase II mit 375 Probanden, wobei die Ergebnisse aus der Phase I noch nicht einmal publiziert sind«, veranschaulichte Dingermann den Hochdruck in der Entwicklung.

Kandidat Vier war der erste Coronavirus-Impfstoff überhaupt, der in die klinische Phase ging. Bei mRNA-1273 der Firma Moderna handelt es sich, wie der Name schon verrät, um einen mRNA-Impfstoff, bei dem diese genetische Information in Lipidnanopartikeln verkapselt wird. In der Phase I soll die nötige Dosis ermittelt werden. Die Probanden werden zweimal geimpft, an Tag 1 und 28. Die Testung soll zu einem späteren Zeitpunkt auf ältere und hochbetagte Personen ausgedehnt werden. »Hier handelt es sich um ein rein amerikanisches Projekt«, erläuterte Dingermann. Er befürchte, dass dieser Impfstoff, die Zulassung vorausgesetzt, nicht direkt der ganzen Weltgemeinschaft zur Verfügung gestellt werden könnte.

Deutschland setzt auf mRNA-Impfstoffe

Aber auch Deutschland zählt zu den führenden Ländern in punkto Impfstoffentwicklung. Während die Tübinger Firma CureVac die klinische Testung ihres mRNA-Impfstoffs noch nicht begonnen hat, gab das Paul-Ehrlich-Institut am 23. April unter großem medialen Interesse die Genehmigung einer klinischen Prüfung des Kandidaten des Mainzer Unternehmens BioNTech bekannt. »Die vier verschiedenen Impfstoffvarianten enthalten uridinhaltige mRNA (uRNA), nukleosidmodifizierte mRNA (modRNA) sowie selbstamplifizierende mRNA (saRNA)«, erläuterte Dingermann. Insgesamt sollen rund 200 Probanden im Alter von 18 bis 55 Jahren an der Phase-I/II-Studie teilnehmen. Das Startup arbeitet mit seiner Technologie eigentlich an Krebstherapien, habe diese Forschung aber zugunsten einer Coronavirus-Vakzine derzeit zurückgestellt.

Last but not least hat die US-Firma Inovio aus Pennsylvania noch ein anderes Impfkonzept in die klinische Phase gebracht. Seit April testet es seinen DNA-Plattform-Impfstoff INO-4800. Auch hier gelte die Plattform als sicher, wie man von anderen Impfstoffkandidaten wisse. Dabei wird ringförmige DNA, in die ebenfalls der genetische Code für das Spike-Protein eingebaut ist, nicht klassisch in die Haut gespritzt wie bei den anderen Ansätzen, sondern soll per Elektroporation in die menschlichen Zellen gelangen. Das Unternehmen ist optimistisch, die Zulassung in den kommenden 12 bis 18 Monaten zu erreichen und will bis Ende des Jahres eine Million Dosen vorproduzieren.

Trotz der Entwicklung im Turbomodus werde auf die Sicherheit geachtet, beruhigte Dingermann. Vor allem die Immunreaktion, ob nicht zu viele oder falsche Antikörper und Abwehrzellen gebildet werden, sei im Fokus. »Andere mögliche Nebenwirkungen wie die Narkolepsie in einzelnen Gruppen wie beim Schweinegrippe-Pandemieimpfstoff kann man nicht voraussehen, gerade deswegen ist eine saubere Testung wichtig«, betonte der Pharmazieprofessor. Er vertraut auf eine schnelle, aber gründliche Prüfung durch die großen Zulassungsbehörden wie die EMA und die nationalen Arzneimittelbehörden der EU-Mitgliedsstaaten oder die FDA. Skeptischer sieht er Eilzulassungen weniger vertrauenswürdiger Drittstaaten.

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