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Das korrekte Waagenmanagement

Richtig wiegen im Rezepturbetrieb

Waagen und Wägen sind essenzielle und kritische Faktoren bei der Herstellung von Rezepturarzneimitteln. Nur ein erfolgreiches Waagen- und Wägemanagement schafft die Voraussetzung für richtiges Wägen. Der vorliegende Beitrag behandelt das Waagenmanagement.
Mona Abdel Tawab
Sandra Ingrid Ganß
Holger Latsch
Holger Reimann
19.10.2020  07:00 Uhr

Schon die geringsten Änderungen in den Umgebungsbedingungen wie leichte Temperaturschwankungen, Luftströmungen oder Erschütterungen können die Funktionsfähigkeit Ihrer Waage erheblich beeinträchtigen. Das Tückische dabei ist, dass man das nicht bemerkt. Sie glauben, richtig einzuwiegen, während in Wirklichkeit die getätigte Einwaage bereits große Abweichungen vom Sollwert aufweist. Deshalb ist es wichtig, die Funktionstüchtigkeit der Waage über ein erfolgreiches Waagenmanagement zu sichern.

Gemäß dem Anfang 2020 publizierten Entwurf des neuen Ph.-Eur.-Texts 2.1.7 »Waagen« wird die Funktionstüchtigkeit der Waage über die folgenden ­Kriterien definiert:

Kriterien der Funktionstüchtigkeit

Die Arzneibuchempfehlungen für die Funktionsprüfung mit externen Prüfgewichten beschränken sich auf die Bestimmung der Empfindlichkeit und der Wiederholbarkeit. Denn die Parameter Linearität und Exzentrizität tragen wesentlich weniger zu systematischen Wägefehlern bei.

Dank der eingebauten Justier­gewichte sind elektronische Präzisions- und Feinwaagen in der Lage, über die interne Justierfunktion »isoCAL« selbstständig eine Kalibrierung mit anschließender Justierung durchzuführen. Dadurch wird die vom Werk versprochene hohe Genauigkeit voll­automatisch sichergestellt.

Täglich justieren

Es ist empfehlenswert, mindestens einmal täglich, besser noch vor jedem Gebrauch, die Waage zu justieren. Doch auch wenn sich durch die tägliche Justierung der Waage mit dem internen Prüfgewicht jegliche Veränderungen in den Umgebungsbedingungen der Waage am besten kompensieren lassen, reicht sie nach Auffassung des ZL und des NRF allein nicht aus. Denn nur über die unabhängige Kontrolle mit einem externen Prüfgewicht lassen sich eventuelle langsame Veränderungen am internen Gewicht der Waage und Fehlfunktionen durch Defekte erkennen. Daher wurde bisher seitens des ZL und des NRF die zusätzliche tägliche Überprüfung der Waage mit externen Prüfgewichten empfohlen. Damit sollte bei älteren digitalen Waagen ohne internes Justiergewicht die werksmäßige Justierung lückenlos kontrolliert werden. Bei Waagen mit internem Justiergewicht kann die apothekeninterne Funktionsprüfung mittels externen Prüfgewichten die Richtigkeit der täg­lichen Justierung bestätigen und einen reparaturbedürftigen Fehler ausschließen. Beide Prozesse – automatische Justierung und apothekeninterne Funktionsprüfung – sind unabhängig von der möglichen periodischen Beauftragung eines akkreditierten Kalibrierdiensts durchzuführen und mit der regelmäßig alle zwei Jahre anfallenden amtlichen Eichung der Waage nicht zu verwechseln.

Externe Prüfung teils obsolet

Die in den elektronischen Waagen eingebaute Technologie hat sich derart verbessert, dass es auch nach Ansicht der Europäischen Arzneibuchkommis­sion nicht mehr der täg­lichen Kalibrierung der Waage zusätzlich zur Justierung mit dem internen Prüfgewicht bedarf. So heißt es in dem Anfang 2020 publizierten Entwurf des neuen Ph.-Eur.-Texts 2.1.7 »Waagen«: »Für elektronische Waagen mit einem internen Gewicht wird die tägliche Empfindlichkeitsüberprüfung mit externen Prüf­gewichten nicht mehr als erforderlich angesehen, trotzdem sollte der Test periodisch durchgeführt werden, da er die Erkennung von Problemen mit internen Gewichten ermöglicht« [Übersetzung aus dem Englischen]. Ähnlich äußert sich die US-amerikanische Pharmakopoe (USP 42) in ihrem Text 〈1251〉 »Wiegen auf analytischen Waagen«: »Überprüfungen mit externen Prüf­gewichten können teilweise durch automatische oder manuell ausgelöste Justierungen mittels eingebauter Gewichte ersetzt werden« [Übersetzung aus dem Englischen].

Das hat ZL und NRF veranlasst, die bisherigen Empfehlungen zur Durchführung von externen Funktionsprüfungen »Kalibrierempfehlungen« an den Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen (siehe Kasten).

Wenn Sie diese Empfehlungen zur Qualitätssicherung beim Waagen­management befolgen, schaffen Sie die Grundvoraussetzung für die Einhaltung einer guten Wägegenauigkeit. In der Praxis realisieren lässt sie sich jedoch nur, wenn zusätzlich die allgemein bekannten Empfehlungen zum Wäge­management ebenso beachtet werden.

Fazit

Bei automatischer Justierung halten ZL und NRF die tägliche Funktionsprüfung mit einem externen Prüfgewicht nicht mehr für erforderlich. Stattdessen soll jede Apotheke risikobasiert selbst die zeitlichen Intervalle für diese Funk­tionsprüfung festlegen. Hierbei werden unter Verwendung eines externen Prüfgewichts in der oberen Hälfte des jeweiligen Wägebereichs der Waage die Richtigkeit und die Wiederholbarkeit überprüft. Zudem sollte jede Apotheke die für sie realisierbare Mindesteinwaage mmin ermitteln, um auch im unteren Wägebereich eine hohe Wägegenauigkeit zu garantieren.

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