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Temperaturkontrolle

Regierung vertraut EU-Versandhändlern

Das Thema Temperaturkontrolle bei bestellten Medikamenten sorgt immer wieder für Diskussionen. Das Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) nahm die EU-Versender zwar in die Pflicht, entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Eine diesbezügliche Überwachung sieht das Gesetz jedoch nicht vor. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken erklärt das Bundesgesundheitsministerium schlichtweg, dass die Versender den Verpflichtungen nachkommen werden.
Charlotte Kurz
12.02.2021  14:00 Uhr

Nach dem Schneesturm, bedingt durch das Tief »Tristan«, bleibt es auch in den kommenden Tagen sehr kalt in Deutschland. Vielerorts sind Minusgrade im zweistelligen Bereich für das Wochenende angekündigt. Auch mit Blick auf die immer heißer werdenden Sommer stellt sich die Frage, ob bei der Lieferung von kühlkettenpflichtigen Arzneimitteln die erforderlichen Temperaturen während der Lieferung konstant eingehalten werden können.

Diese Problematik treibt auch die Bundestagsfraktion der Linken um.  Die einzige Apothekerin im deutschen Bundestag Sylvia Gabelmann hakte federführend für Ihre Fraktion in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung nach Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Temperaturkontrolle beim Versand von Arzneimitteln nach. So fragte die Fraktion beispielsweise, wie die Regierung sicherstellen könne, dass die Einhaltung der Temperaturkontrolle bei Arzneimitteln im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von Versandhändlern im In- und Ausland sowie von Apotheken vor Ort gewahrt bleibe. Hintergrund sind die Neuregelungen des VOASG: Seit einigen Wochen gilt auch für (EU)-Versender explizit, dass sie sich an die Kühlkettenpflicht halten muss. Wie die PZ bereits berichtete, sieht das Gesetz jedoch keinerlei Kontrolle dieser Pflicht vor.

In seiner Antwort bezieht sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) lediglich auf die neue gesetzliche Regelung. Das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) »dient der Klarstellung« dieser Einhaltung, so die Regierung. Eine entsprechende Verpflichtung habe sich auch vorher bereits durch das Arzneimittelgesetz (AMG) ergeben. Zur Erklärung: In der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und im Apothekengesetz (ApoG) war schon vor den VOASG-Neuregelungen eine diesbezügliche Nachweispflicht über Temperaturkontrollen gefordert.

Ministerium verweist auf Angaben eines Versender-Verbands

Genau bei diesem Punkt hakte Gabelmann nach und wollte wissen, ob die Regierung Informationen habe, ob die Versandhändler diesen Dokumentationspflichten nachkommen würden. Das BMG geht laut Antwort aber schlichtweg davon aus, »dass die Versandapotheken den geltenden Verpflichtungen zum ordnungsgemäßen Versand von Arzneimitteln nachkommen.« Zudem verweist das Ministerium auf die Internetseite des Verbands European Association of Mail Services Pharmacies (EAMSP), der die Interessen der europäischen Versender vertritt. Die Bundesregierung betont, dass der Verband dort feststelle »dass die Regelungen hinsichtlich der Qualität und der Wirksamkeit bei der Verpackung, dem Transport und der Auslieferung von Arzneimitteln für deutsche und europäische Versandapotheken, die Arzneimittel nach Deutschland liefern, gelten.« Dabei bezieht sich die Regierung auch auf eine Pressemitteilung vom Oktober 2020, in der der Verband erklärt, dass die Regelungen zu Temperaturkontrollen »bereits seit Jahren umgesetzt« worden sind.

Zur Frage der expliziten Überwachung niederländischer Versandapotheken erklärte das BMG, dass diese Überwachung den zuständigen niederländischen Behörden obliege. »Für Überwachungsmaßnahmen deutscher Behörden in den Niederlanden besteht keine rechtliche Grundlage.« Allerdings erklärt die Regierung, dass sie mit der niederländischen Regierung bezüglich der Überwachung der Apotheken in Kontakt stehe.

Gabelmann und ihre Kollegen stellten noch weitere Fragen, etwa ob die Bundesregierung die Vorschriften der Good Distribution Practice (GDP) auch für Versandapotheken im In- und Ausland ausweiten wolle. Diese Ausdehnung hält das BMG jedoch nicht für geboten. Die Leitlinien für die Gute Vertriebspraxis richte sich an Arzneimittelgroßhändler. In den Versandapotheken seien die Apothekenleiterinnen oder Apothekenleiter jedoch dafür zuständig, »dass ein ordnungsgemäßer Versand erfolgt«.

Länderliste bereits zehn Jahre alt

Weiterhin betont das BMG, dass der Arzneimittelversand mittels herkömmlicher Paketdienste möglich ist, wenn die Anforderungen eingehalten werden. Auch stellt das BMG nochmals klar, dass die aktuelle Länderliste nach § 73 AMG, die auflistet, in welchen Ländern mit deutschem Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bezüglich des Arzneimittelversandhandels gelten, von 2011 ist. Im AMG ist geregelt, dass das BMG diese Liste in »regelmäßigen Abständen« veröffentlicht. In der zehn Jahre alten Liste werden dabei lediglich Island, Niederlande, Schweden, Tschechien und das Vereinigte Königreich aufgezählt. Für die Niederlande gelten die vergleichbaren Standards nur, wenn die Versandapotheke auch eine Präsenzapotheke unterhält. In Schweden gilt die Vergleichbarkeit nur für verschreibungspflichtige und in Tschechien nur für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Andere Länder müssen die Standards zusichern und eine Versandhandelserlaubnis für Arzneimittel nach § 11a ApoG beantragen, um Medikamente nach Deutschland zu liefern.

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