PSA-Test schadet mehr als er nützt |
Daniela Hüttemann |
06.01.2020 13:52 Uhr |
Viele Männer lassen sich zur Prostatakrebsvorsorge auf eigene Kosten lieber Blut abnehmen, als sich abtasten zu lassen. / Foto: Shutterstock/Sherry Yates
Die Idee bei jedem Screening auf bestimmte Krebsarten ist, diese möglichst frühzeitig entdecken und behandeln zu können. In Bezug auf Prostatakrebs, die häufigste Tumorerkrankung bei Männern in Deutschland, gibt es zum einen die digital-rektale Untersuchung. Sie ist Kassenleistung und wird allen Männern ab dem 45. Lebensjahr angeboten. Der Bluttest auf das Prostata-spezifische Antigen (PSA) ist dagegen derzeit eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) und muss daher selbst bezahlt werden.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, ob das PSA-Screening zur Regelleistung werden soll. Seinen Bericht hat das IQWiG heute vorgelegt und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: »Ein PSA-Screening erspart einigen Patienten die Belastungen einer metastasierten Krebserkrankung, Schäden durch Überdiagnosen und Übertherapie überwiegen jedoch«, heißt es in einer Pressemitteilung. Es müssten deutlich mehr Männer deshalb mit dauerhafter Inkontinenz und Impotenz rechnen und das in relativ jungem Alter.
Das IQWiG stützt sich in seiner Nutzenbewertung auf elf randomisierte, kontrollierte Studien mit insgesamt mehr als 400.000 Männern im Alter zwischen 55 und 70 Jahren. Demnach würde durch ein flächendeckendes Screening dieser Altersgruppe etwa 3 von 1000 Männern die Belastung durch eine metastasierte Krebserkrankung erspart oder verzögert.
Unklar sei, ob es eine nennenswerte Lebensverlängerung geben könnte. »Denn zwar bewahrt ein PSA-Screening statistisch betrachtet 3 von 1000 Patienten innerhalb von 16 Jahren vor dem Tod durch ein Prostatakarzinom, eine Änderung der Gesamtsterblichkeit ließ sich dagegen in den Studien nicht zeigen«, schreibt das IQWiG. Dies liege daran, dass der Anteil der Todesfälle durch Prostatakrebs an der Gesamtsterblichkeit gering sei. Es sei statistisch schwierig, mit den Studien einen Unterschied in der Gesamtsterblichkeit zu zeigen. Zudem sei es auch nicht unwahrscheinlich, dass die in der Regel älteren Männer, die durch ein PSA-Screening vor dem Tod durch Prostatakrebs bewahrt werden, dann zu einem vergleichbaren Zeitpunkt an einer anderen Ursache sterben.
Die Falsch-positiv-Rate lag in den Studien bei 22 bis 26 Prozent. Gut jeder vierte Mann, der seinen PSA-Wert bestimmen ließ, erhielt also zunächst das besorgniserregende Ergebnis und musste zur Biopsie, um dann Entwarnung zu bekommen. Durch eine mögliche Übertherapie droht nach Berechnung des IQWiG zudem zusätzlich 3 von 1000 Männern eine dauerhafte Inkontinenz, zusätzlich 25 von 1000 dauerhafte Impotenz.
»Screeningmaßnahmen können erhebliche Schäden nach sich ziehen«, betont IQWiG-Leiter Professor Dr. Jürgen Windeler. »Beim PSA-Screening kommt es insbesondere zu einer beträchtlichen Zahl von Überdiagnosen, die an sich belastend sind, vor allem aber Übertherapien nach sich ziehen und letztlich zu schwerwiegenden und langanhaltenden Komplikationen wie Inkontinenz und Impotenz führen können. Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs sollte deshalb gegenwärtig innerhalb der GKV kein organisiertes Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test angeboten werden.« Inwieweit ein risikoadaptiertes Vorgehen, das aktuell diskutiert und auch in Deutschland evaluiert wird, zu einer Änderung der Bewertung führen könne, bleibe abzuwarten.
In Deutschland erhalten derzeit jedes Jahr rund 57.000 Männer die Diagnose Prostatakrebs. Fast jede vierte Krebsdiagnose bei Männern betrifft die Vorsteherdrüse. »Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 72 Jahren«, informiert das IQWiG. Vor dem 45. bis 50. Lebensjahr trete das Prostatakarzinom kaum auf. Neuesten Zahlen zufolge starben in Deutschland im Jahr 2017 knapp 14.000 Männer an den Folgen eines Prostatakarzinoms. Das entspricht 3 Prozent aller Todesfälle bei Männern.