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Wie erkläre ich es dem Kunden?

Preisbildung von Arzneimitteln

»Warum ist das Arzneimittel eigentlich so teuer?«,  ist eine Frage, die im Apothekenalltag häufiger fällt. Bei Fragen rund um die Kosten von Arzneimitteln gilt es, dem Kunden sachkundig und fundiert die Preisgestaltung erklären zu können. Denn auch dies gehört zur pharmazeutischen Kompetenz von Apothekern dazu. Der dritte Teil der Serie »Wie erkläre ich es dem Kunden?« beleuchtet, wie Arzneimittelpreise zustande kommen.
Valentina Salm
25.09.2020  11:30 Uhr

Wie hoch die Kosten sind, die Krankenkassen für verschreibungspflichtige Arzneimittel übernehmen, kommt während der Kundenberatung in Apotheken eher selten zur Sprache. Oft werden die Augen der Kunden allerdings groß, wenn sie auf dem Kassenzettel den »tatsächlichen« Preis für ein verordnetes Medikament sehen. Spätestens bei freiverkäuflichen Arzneimitteln muss das Apothekenpersonal den Kunden häufig Rede und Antwort rund um das Thema Preisgestaltung stehen. Diese kompetent erklären zu können, ergänzt eine gute pharmazeutische Beratung.

Wie also entsteht der Preis für ein Arzneimittel? Zunächst einmal ist die Arzneimittelpreisbildung davon abhängig, ob es sich um ein verschreibungspflichtiges (Rx) oder um ein rezeptfrei erhältliches (Non-Rx) Arzneimittel handelt. Bei Rx-Arzneimitteln ist die Preisgestaltung staatlich geregelt. Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) schränkt das Prinzip der freien Marktwirtschaft, das heißt die Preisentwicklung in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage, ein. Das soll einen Preiskampf zwischen den Vor-Ort-Apotheken verhindern. Patienten müssen dadurch nicht Ausschau nach der Apotheke mit den günstigsten Preisen halten, sondern können sicher sein, dass sie in jeder Apotheke den gleichen Preis für das notwendige Arzneimittel vorfinden.

Über den Großhandel zur Apotheke

Staatlich vorgeschriebene Zuschläge sichern den einheitliche Abgabepreis von Rx-Medikamenten. Diese Zuschläge erheben sowohl der Großhandel als auch die Apotheken ausgehend vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens (APU). Die Zuschläge des Großhandels belaufen sich auf einen prozentualen Aufschlag von maximal 3,15 Prozent pro Packung, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines nicht rabattierfähigen Festzuschlages von 70 Cent je Packung. (§ 2 AMPreisV). Aus diesem Preis ergibt sich der Netto- Apothekeneinkaufspreis (AEP).

Apotheken können ausgehend vom AEP einen prozentualen Zuschlag von 3 Prozent zuzüglich eines Festzuschlages von 8,35 Euro plus 21 Cent Notdienstzuschlag erheben. Hinzu kommt die Mehrwertsteuer, die aktuell 16 Prozent beträgt (§ 3 AMPreisV). Diese Berechnung gilt für Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Für Tierarzneimittel sowie Rezepturen gelten gesonderte Zuschläge. Bei der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungen wird zur finanziellen Entlastung des Gesundheitssystems neben der gesetzlichen Zuzahlung ein Rabatt von 1,77 Euro pro Arzneimittel der sogenannte gesetzliche Apothekenabschlag vom Apothekenverkaufspreis (AVP) abgezogen.

Zuschläge
Abgabepreis des Pharmazeutischen Unternehmers (APU) 67,35 €
+ Großhandelszuschlag
(3,15 % des APU + 0,70 €)
+ 2,12 € + 0,70 €
= Netto-Apothekeneinkaufspreis (AEP)= 70,17 €
+ Apothekenzuschlag
(3 % des AEP + 8,35 €)
+ 2,11 € + 8,35 €
+ Notdienstpauschale (0,21 €) + 0,21 €
= Netto-Apothekenverkaufspreis = 80,84 €
+ Mehrwertsteuer (aktuell 16 %) + 12,93 €
= Apothekenverkaufspreis (AVP)= 93,77 €
Tabelle 1: Beispielrechnung für Gabapentin, Micro Labs 600 mg Filmtabletten, N3

Die Zuschläge, die die Apotheke bei der Abgabe eines Rx-Arzneimittels erhält, dienen als Honorar für Leistungen die sie erbringt und sollen unter anderem die Kosten der Warenbewirtschaftung, der Arzneimittelberatung und für die Sicherstellung des Nacht- und Notdienstes abdecken. Die festen Abgabepreise sichern somit neben der Gleichbehandlung der Patienten auch den flächendeckenden Apothekenbetrieb.

Frei Preise bei Non-Rx?

Anders sieht es bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus. Diese sind seit 2004 von der AMPreisV ausgenommen. Die Verkaufspreise wurden demnach staatlich freigegeben. Das bedeutet, dass Apotheken die Preise an dieser Stelle selbst kalkulieren können. Die Folge können unterschiedliche Preise von freiverkäuflichen Arzneimitteln wie abschwellende Nasensprays oder reizlindernde Lutschpastillen sein. Die Preiskalkulation ist von variierenden Einkaufskonditionen abhängig und kann sich außerdem saisonabhängig ändern. Beispielsweise wenn zur Wintersaison eine größere Menge bestellt wird, also ein Mengenrabatt günstigere Preise erlaubt.

Zudem beeinflussen Herstellungsmethode und Darreichungsform den Arzneimittelpreis. Pharmazeutisches Personal kann in diesem Zusammenhang erläutern, dass die Produktion beispielsweise von Augentropfen oder biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln kostenintensiver ist als die Produktion von Tabletten. Bei der Preisdiskussion mit einem Kunden kann auch der Wert eines Arzneimittels, das Krankheiten heilen oder lindern kann (§ 2 Arzneimittelgesetz), hervorgehoben werden. Letztlich fließen in die freie Preiskalkulation auch Standortfaktoren mit ein, wie die vorherrschende Konkurrenz durch andere Apotheken in der Umgebung.

Vorsicht Ausnahme: Ist ein Non-Rx-Arznemittel auf einem Kassenrezept verordnet, kann die Apotheke den Preis nicht frei kalkulieren.

Der Ursprung aller Preise

Ausgangspunkt jeglicher Zuschläge und Vergütungen ist der Preis des Arzneimittelherstellers. Große Preisunterschiede, die im Apothekenalltag ein häufiges Thema sind, existieren zwischen sogenannten Originalarzneimitteln und Generika. Ein neues Arzneimittel unterliegt nach der Markteinführung zunächst einmal für eine gewisse Zeit dem Patentschutz. Nach Ablauf des Schutzes ist der Wirkstoff jedoch für den Markt freigegeben und kann auch von anderen Herstellern produziert werden, ohne im Vorfeld hohe Entwicklungskosten für beispielsweise klinische Studien aufwenden zu müssen. Generika-Hersteller können dadurch Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff deutlich günstiger im Vergleich zum Originalhersteller anbieten.

Den Preis für neue Medikamente beziehungsweise Originalia legt das pharmazeutische Unternehmen nicht willkürlich fest. In der Regel orientiert es sich dabei an dem Erstattungspreis, den die gesetzlichen Krankenversicherungen leisten.  Dieser ist wiederum anhängig vom sogenannte Zusatznutzen, der letztendlich über den Wert des Medikaments entscheidet.

Seit dem 1. Januar 2011 regelt das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) den Preis von Arzneimitteln, die mit einem neuen Wirkstoff auf den Markt kommen (§ 35a SGB V). Die zentrale Frage ist dabei, ob das neue Arzneimittel einen zusätzlichen Nutzen im Vergleich zum Therapiestandard aufzeigen kann. Diesen Prozess bezeichnet man als frühe Nutzenbewertung und er wird vom gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durchgeführt.

Das AMNOG-Verfahren

Bei der Markteinführung eines neuen Arzneimittels kann der Hersteller den Preis zunächst für maximal zwölf Monate frei festlegen. Gleichzeitig muss er dem G-BA ein Dossier vorlegen, das den Zusatznutzen des Arzneimittels belegt. Bei der Bewertung bezieht der G-BA das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) mit ein.

Nach drei Monaten wird die Dossierbewertung veröffentlicht und der pharmazeutische Unternehmer hat die Möglichkeit, sich zu der Bewertung zu äußern. Nach weiteren drei Monaten veröffentlicht der G-BA dann den Beschluss zum Zusatznutzen des neuen Arzneimittels. Erklärt dieser einen Zusatznutzen im Vergleich zu einer Standardtherapie, verhandeln der GKV-Spitzenverband und der Hersteller über einen Erstattungsbetrag für die gesetzlichen Krankenversicherungen. Diese Preisverhandlungen müssen innerhalb von sechs Monaten zu einem Ergebnis kommen. Wenn keine Einigung erzielt werden kann, entscheidet eine Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten auf Grundlage von europäischen Referenzpreisen über den Erstattungsbetrag. Erhebt der Hersteller hierbei Einspruch kann wiederum das IQWIG mit einer Kosten-Nutzen-Bewertung beauftragt werden und die Entscheidung der Schiedsstelle angepasst werden.

Wird jedoch der Beschluss gefasst, dass das Arzneimittel keinen Zusatznutzen aufweisen kann, wird das Arzneimittel in das sogenannte Festbetragssystem aufgenommen. Dieses System unterteilt Arzneimittel in bestimmte Gruppen von vergleichbaren Medikamenten, beispielsweise in Bezug auf Qualität und identische Zusammensetzung, und legt für diese Festbetragsgruppen Höchstbeträge für die Erstattung durch die gesetzlichen Krankenversicherungen fest.

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