Phase-I-Studie zu einem inhalierten Covid-19-Impfstoff |
Theo Dingermann |
03.08.2021 16:00 Uhr |
Der zugelassene Vektorimpfstoff des chinesischen Unternehmens Cansino Biologics lässt sich auch als Aerosol applizieren. / Foto: Adobe Stock/Trsakaoe
Von lokal zu applizierenden Corona-Impfstoffen verspricht man sich nicht nur eine höhere Bereitschaft zur Immunisierung bei Menschen mit Vorbehalten gegen eine klassische Impfung. Man diskutiert auch einen Zusatznutzen dahingehend, dass die Applikation über die Schleimhäute des oberen Respirationstraktes auch eine effektive IgA-Antwort dort, an der Eintrittsstelle des Coronavirus, induziert werden könnte. Dies könnte die Basis für eine sterile Immunität bilden. Da verwundert es schon, dass bisher nur sehr wenige Entwicklungsprojekte bekannt geworden sind.
Jetzt publizierten Shipo Wu vom Beijing Institute of Biotechnology, Academy of Military Medical Sciences in Peking im Fachjournal »The Lancet« Daten einer klinischen Phase-I-Studie , in der die Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität eines als Aerosol zu applizierenden Corona-Impfstoffs auf Basis eines Adenovirus-Typ-5-Vektors (Ad5-nCoV) bei Erwachsenen getestet wurden.
Die randomisierte, offene Phase-I-Studie wurde im Zhongnan-Krankenhaus in Wuhan durchgeführt. Getestet wurde der bereits für die klassische Impfung in China zugelassene Impfstoff Ad5-nCoV des chinesischen Herstellers Cansino Biologics.
130 seronegative erwachsene Probanden wurden in die Studie eingeschlossen. Diese wurden in fünf gleiche Gruppen á 26 Probanden randomisiert. Der Impfstoff wurde entweder intramuskulär, in Form eines Aerosols oder als Kombination der beiden Applikationsformen verabreicht. Wurde der Impfstoff als Aerosol appliziert, wurden entweder 0,2 ml oder 0,1 ml der Impfstofflösung für 30 bis 60 Sekunden mithilfe eines Verneblers (Aerogen Ultra Gerät, Hersteller Aerogen) eingeatmet.
Die Probanden der beiden Gruppen, die den Impfstoff in Form eines Aerosols erhielten, bekamen am Tag 0 eine erste hohe Dosis von 2 × 1010 Viruspartikel (HDmu-Gruppe) oder eine niedrige Dosis von 1 × 1010 Viruspartikel (LDmu-Gruppe) des Ad5-nCoV-Impfstoffs. Eine Auffrischung erfolgte am Tag 28. Die Gruppe mit der gemischten Impfung erhielt am Tag 0 eine intramuskuläre Erstimpfung (5 × 1010 Viruspartikel), gefolgt von einer Auffrischungsimpfung mit dem Aerosol-Impfstoff (2 × 1010 Viruspartikel) am Tag 28 (MIX-Gruppe). Die Gruppen, die intramuskulär geimpft wurden, erhielten am Tag 0 eine Dosis von 5 × 1010 virale Partikel (1Dim-Gruppe) oder zwei Dosen mit insgesamt 10 × 1010 viralen Partikeln (2Dim-Gruppe).
Als primäre Endpunkte wurde das Profil an unerwünschten Ereignissen am Tag 7 nach jeder Impfung, und die Bildung von gegen das SARS-CoV-2-Spike-Protein gerichteten IgG- und IgA-Antikörpern sowie neutralisierenden SARS-CoV-2-Antikörpern am Tag 28 nach der letzten Impfung definiert. Die Antikörpertiter wurden aus Blutproben bestimmt.
Innerhalb von sieben Tagen nach der Impfung traten unerwünschte Ereignisse bei 18 Probanden (69 Prozent) in der HDmu-Gruppe, bei 19 Probanden (73 Prozent) jeweils in der LDmu-, der MIX- und der 1Dim-Gruppe und bei 15 (58 Prozent) in der 2Dim-Gruppe auf. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse, die sieben Tage nach der Erst- oder Auffrischungsimpfung gemeldet wurden, waren Fieber, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Bei den Teilnehmern, die intramuskulär geimpft wurden, einschließlich der Teilnehmer der MIX-Gruppe, traten nach der ersten Impfung mehr unerwünschte Ereignisse auf als bei den Teilnehmern, die den Aerosol-Impfstoff erhielten. Innerhalb von 56 Tagen nach der ersten Impfung wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse festgestellt.
Am 28. Tag nach der letzten Impfung betrug der geometrische mittlere Titer der neutralisierenden SARS-CoV-2-Antikörper 107 in der HDmu-Gruppe, 105 in der LDmu-Gruppe, 396 in der MIX-Gruppe, 95 in der 1Dim-Gruppe und 180 in der 2Dim-Gruppe. Damit lag die zweifache Aerosol-Impfung auf dem Niveau einer einmaligen intramuskulären Impfung. Der geometrische Mittelwert der Konzentrationen von Anti-Spike-IgG betrug 261 EU/ml in der HDmu-Gruppe, 289 EU/ml in der LDmu-Gruppe, 2013 EU/ml in der MIX-Gruppe, 915 EU/ml in der 1Dim-Gruppe und 1190 EU/ml in der 2Dim-Gruppe. Die Konzentrationen an IgA-Antikörper im Serum betrugen 148 EU/ml in der HDmu-Gruppe und 95 EU/ml in der LDmu-Gruppe, 475 EU/ml in der MIX-Gruppe, 425 EU/ml in der 1Dim-Gruppe und 521 EU/ml in der 2Dim Gruppe. Dabei ist zu beachten, dass die IgA-Titer aus dem Blut und nicht von den Schleimhäuten bestimmt wurden, da dies technisch sehr schwierig ist.
Die Autoren resümieren, dass ein als Aerosol applizierter Ad5-nCoV-Impfstoff gut verträglich ist. Zwei Dosen des als Aerosol applizierten Impfstoffs lösten neutralisierende Antikörperreaktionen in einer ähnliche Größenordnung aus, wie eine Dosis des intramuskulär applizierten Impfstoffs. Die beste immunologische Reaktion wurde bei einem Impfschema beobachtet, bei dem die erste Impfung intramuskulär erfolgte, die dann nach 28 Tagen mit einem aerosolisierten Impfstoff aufgefrischt wurde. Die Ergebnisse sprechen den Autoren zufolge für eine weitere Untersuchung des Präparats in Phase-II- und -III-Studien.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.