Pharma-Verbände warnen vor Biopharmazeutika-Austausch |
Jennifer Evans |
17.03.2023 11:45 Uhr |
Die automatische Substitution von Biopharmazeutika in der Apotheke stößt bei der Pharmaindustrie und den Ärzten auf Ablehnung. / Foto: Getty Imges/Maica
Biopharmazeutika sind grundsätzlich nicht mit Generika gleichzusetzen, weil sie keine chemisch-synthetischen Arzneimittel sind. Würden also die Regeln aus dem Generika-Markt einfach auf den Biopharmazeutika-Markt übertragen, wäre das fatal, meint die Industrie. »Diese Arzneimittel kommen bei der Behandlung von chronischen und onkologischen Erkrankungen zum Einsatz, daher bedarf es gerade bei dieser Patientengruppe einer besonderen Sensibilität«, heißt es in einem gemeinsamen Statement vom Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), dem Verband der Biotechnologie-Industrie BIO Deutschland, dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI), der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars sowie dem Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa).
Sollte die Apotheken in Zukunft ärztlich verordnete parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln austauschen müssen, ließe sich damit nicht mehr viel Geld einsparen, argumentiert die Industrie. Schließlich sei der Wettbewerb im Biopharmazeutika-Sektor bereits »im vollen Gange« und habe schon zu »signifikanten Einsparungen« geführt. Die fehlenden Einsparpotenziale begründen die Verbände in einem gemeinsamen Positionspapier unter anderem damit, dass die Ärzte seit 2021 ohnehin schon Biopharmazeutika wirtschaftlich verordnen müssen. Das steht so im Paragraf 40a der Arzneimittel-Richtlinie. Noch dazu drücke seit September 2022 »die Dynamik der Hilfstaxe« die Kosten, weil Biosimilar-Unternehmen den Apotheken bis zu fast 68 Prozent Rabatt gewähren müssten. Daraus ergäben sich jährliche Einsparungen von mehr als 500 Millionen Euro, rechnen die Verbände vor. Die Verordnungsquoten der meisten Biosimilar lägen derzeit zwischen 70 und mehr als 90 Prozent, heißt es.
Zum Hintergrund: Im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) aus dem November 2022 ist verankert, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Austauschregeln konkretisieren soll. Vorgesehen ist, dass Apotheken verordnete biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, sogenannte Biopharmazeutika, austauschen müssen, wenn es sich um parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung beim Patienten handelt.
Für die Arzneimitteltherapie- und Versorgungssicherheit ist aus Sicht der Industrie vor allem die Rolle der Ärzte zentral. »Sie müssen zum Beispiel gemeinsam mit ihren Patientinnen und Patienten die Therapie und die Device-Anwendung auswählen, erläutern und überwachen«, heißt es in dem Positionspapier. Und: Die Mediziner müssten für eine erfolgreiche Behandlung ihre Therapiefreiheit und -hoheit behalten. Unter den aktuell gültigen Bedingungen haben die Ärzte nämlich nicht unbedingt Rückmeldung über das tatsächlich abgegebene Arzneimittel in der Apotheke. Aus Sicht der Industrieverbände sind damit Haftungsfragen offen. Vor diesem Hintergrund bemängeln sie aber auch, dass die Telematik-Infrastruktur (TI) noch nicht stehe sowie das E-Rezept nicht verpflichtend sei. Auch über digitale Tools hätten sie daher derzeit keine Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen.
Angesichts der aktuellen Lieferengpässe von Arzneimitteln appelliert die Industrie außerdem an den Gesetzgeber, dass sich die Fehler aus dem Generika-Markt nicht wiederholen dürfen. Die Verbände befürchten, dass durch eine Mehrfachregulierung künftig die Biopharmazeutika-Produktion abwandern könnte und dann Marktverengungen auch in diesem Bereich die Folge wären.