Peptidimpfstoff-Kandidat induziert T-Zell-Immunität |
Theo Dingermann |
26.11.2021 07:00 Uhr |
Der Impfstoff aus Tübingen hinterlässt an der Injektionsstelle eine lokale Verhärtung, die gewünscht ist. / Foto: Adobe Stock/Sherry Yates (Symbolbild)
Neben den klassischen Impfstoffen, die in erster Linie darauf abzielen, eine stabile Antikörperimmunität zu induzieren, beschäftigen sich Wissenschaftler verstärkt mit Impfstoffen, die die Bildung spezifischer T-Zellen anstoßen sollen. Erst kürzlich vermeldete das britische Unternehmen Emergex den Start einer ersten Studie mit seinem T-Zell-Impfstoff in der Schweiz.
Schon einen Schritt weiter ist eine Entwicklung der Universität Tübingen. Im Dezember letzten Jahres hatte das Paul-Ehrlich-Institut eine erste Phase-I-Studie mit dem Peptidimpfstoff-Kandidaten genehmigt. Jetzt publizierte die Gruppe um Seniorautorin Professor Dr. Juliane Walz von der Klinischen Kooperationseinheit Translationale Immunologie des Universitätsklinikums Tübingen Daten dieser Studie als Preprint auf der Website des Fachjournals »Nature«.
Zur Entwicklung ihres Kandidaten CoVac-1 hatten die Forscher zunächst im Blut von Covid-19-Genesenen Peptide identifiziert, die an HLA-DR-T-Zell-Epitope binden. Diese Peptide stammen von verschiedenen viralen Proteinen, darunter das Spike-Protein (S), das Nukleokapsid-Protein (N), Membran- und Hüllproteine sowie Proteine des offenen Leserahmens 8. Von diesen Peptiden hatten sie zeigen können, dass sie bei der Erkennung von SARS-CoV-2 und bei der Etablierung eines Langzeitschutzes durch T-Zellen gegenüber dem Virus relevant sind.
In CoVac-1 sind diese Peptide zusammen mit dem neuartigen Toll-like-Rezeptor (TLR)1/2-Agonisten XS15 und der Wasser-in-Öl (W/O)-Emulsion Montanide ISA51 VG formuliert. Dieses Adjuvans fördert die Aktivierung und Reifung von antigenpräsentierenden Zellen und verlangsamt den Abbau der Impfstoffpeptide, wodurch eine starke T-Zell-Reaktion induziert werden kann.
CoVac-1 wurde an 36 gesunden Probanden zwischen 18 und 80 Jahren hinsichtlich seiner Verträglichkeit und der Fähigkeit zur Aktivierung einer T-Zell-Antwort gegen SARS-CoV-2 getestet. Nach einmaliger Impfung wurden bei wenigen Teilnehmenden leichte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Müdigkeit beobachtet. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf.
Bei allen Probanden entwickelte sich an der Impfstelle eine lokale Verhärtung. »Diese Lokalreaktion wird für unseren Impfstoff erwartet und gewünscht. Sie ist Ausdruck der Bildung eines Depots an der Impfstelle, das einen schnellen Abbau des Impfstoffs verhindert und so eine langanhaltende Immunreaktion ermöglicht«, erklärt Dr. Jonas Heitmann, einer der Erstautoren der Studie.
Bei allen Studienteilnehmern ließ sich vier Wochen nach der Impfung eine breite und starke T-Zell-Immunantwort gegen SARS-CoV-2 nachweisen. Auch in ersten Folgeuntersuchungen blieben diese Immunantworten in unveränderter Stärke bestehen, heißt es in einer Pressemitteilung der Klinischen Kooperationseinheit Translationale Immunologie.
Die durch CoVac-1 aktivierten T-Zell-Antworten waren deutlich stärker ausgeprägt als die von Genesenen. Zudem scheint die durch CoVac-1 induzierte T-Zell-Immunität potenter zu sein als die durch zugelassene mRNA- oder Vektorimpfstoffe erzeugte T-Zell-Immunität. Wie aufgrund der Wahl der Impfpeptide zu erwarten, zeigte sich auch eine T-Zell-Immunität, die nicht nur gegen das S-Protein, sondern gegen verschiedene Virusbestandteile gerichtet war. Zudem wird die Wirksamkeit des Impfstoffs durch keine der bekannten SARS-CoV-2-Varianten negativ beeinflusst.
Zusammenfassend deuten die Sicherheits- und Immunogenitätsergebnisse der Phase-I-Studie darauf hin, dass CoVac-1 ein vielversprechender Multipeptid-Impfstoffkandidat für die Induktion einer tiefgreifenden SARS-CoV-2-T-Zell-Immunität ist. Zurzeit läuft bereits eine Phase-II-Studie, in der CoVac-1 bei Patienten mit angeborenen oder erworbenen B-Zell-Defekten, einschließlich Krebspatienten nach einer B-Zell-depletierenden Therapie und krankheitsbedingtem Immunglobulinmangel, untersucht wird (NCT04954469).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.