Opiumtinktur darf abgegeben werden |
Zur Abgabe an Patienten muss Opiumtinktur in Fläschchen mit kindergesichertem Verschluss und Dosierhilfe abgefüllt werden. / Foto: Adobe Stock/A_Bruno
Die Firma Innocur jagte mit einer Pressemitteilung vergangene Woche vielen Apotheken einen Schrecken ein. Darin behauptete das Frankfurter Pharmaunternehmen, dass es Apotheken untersagt sei, Opiumtinktur als Rezeptur auf BtM-Rezept abzugeben, wenn sie diese als fertigen Ausgangsstoff beziehen, lediglich umfüllen und neu kennzeichnen, ohne sie wesentlich zu verändern. Bei den Apothekern schrillten die Alarmglocken, denn dieses Vorgehen gehört zum normalen Alltag in der Offizin und wird auch mit anderen Ausgangsstoffen praktiziert.
Nach der aktuellen Rechtsprechung steht jedoch fest, »dass Apotheker die streitgegenständliche Opiumtinktur zum Zwecke der Abgabe an Verbraucher in einer für einen bestimmten Indikationsbereich zulässigen Menge in einen der Anwendung dienendes Gefäß abfüllen und mit einer Dosierungsanleitung versehen in den Verkehr bringen dürfen«, so der Jurist und Kammergeschäftsführer Ulrich Laut. Damit ist die Sorge vom Tisch, Rezepturarzneimittel nicht abgeben zu dürfen.
Doch was steckt hinter der Behauptung von Innocur? Das Unternehmen vertreibt in Deutschland das Opiumtinktur-haltige Fertigarzneimittel Dropizol®, das von der dänischen Firma Pharmanovia hergestellt wird. Dass Apotheken statt Dropizol® aber Tinctura Opii von der Firma Maros Arznei als Rezeptur abgeben, ist Innocur offenbar ein Dorn im Auge. Mit Rechtsmitteln versucht es, die unliebsame Konkurrenz auszuschalten.
Im Kern sind hier zwei Rechtsstreite auf verschiedenen Ebenen zu unterscheiden. Die eine Streitsache erfolgte zwischen Innocur beziehungsweise Pharmanovia und der Firma Maros Arznei, die »Tinctura Opii normata ph Eur.« als Rezeptur-Ausgangsstoff vertreibt. Pharmanovia hatte versucht, Maros die Abgabe ihres Produkts per einstweiliger Verfügung zu verbieten. Diesen Antrag wies das Landgericht Hamburg bereits am 28. Mai 2019 als unbegründet zurück. Pharmanovia legte daraufhin Berufung ein. Nach einer sogenannten Nahelegung des Hanseatischen Oberlandesgerichts mit Hinweis darauf, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, nahm Pharmanovia den Widerspruch zurück. Damit gilt das Verfahren als beendet.
Neben der gerichtlichen Auseinandersetzung der Hersteller schwelt jedoch ein zusätzlicher Streit über die Opiumtinktur zwischen Pharmanovia und zwei Apotheken. In beiden Offizinen wurde vor einiger Zeit ein Betäubungsmittel-Rezept eingelöst, wobei jeweils die Opiumtinktur von Maros – nach Prüfung, Abfüllen in abgabefertige Gefäße und entsprechende Kennzeichnung – als Rezeptur über den HV-Tisch ging. Daraufhin folgte erst eine Abmahnung, später dann eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburgs. Die Antragstellerin der einstweiligen Verfügung war die Pharmanovia, bestätigte eine Pressesprecherin des Hanseatischen Oberlandesgerichts gegenüber der PZ. Mit dieser Verfügung vom 8. Januar 2020 wurde einer der beiden Hamburger Apotheken laut Pressesprecherin verboten »im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die von der Maros Arzneimittel GmbH hergestellte und unter der Bezeichnung »Tinctura Opii normata ph Eur.« vertriebene Opiumtinktur ohne Veränderung der Wirksubstanz als Arzneimittel an Endkunden abzugeben, wenn und solange für die abgegebene Opiumtinktur keine Arzneimittelzulassung erlangt ist«.
Daraufhin legte die Apotheke Widerspruch ein. Am 28. Mai 2020 gab das Gericht dann folgende Einschätzung der Rechtslage ab und sorgte damit für Irritation in der Apothekerschaft: »In der Sache dürfte ein Verstoß gegen § 21 AMG überwiegend wahrscheinlich sein. Voraussetzungen für die zulassungsfreie Herstellung und den entsprechenden Vertrieb aufgrund einer Rezeptur ist, dass das Mittel tatsächlich aufgrund einer individuellen Rezeptur hergestellt wird. Hieran fehlt es, wenn ein Mittel – wie hier – in keiner Weise mehr von dem dem Apotheker angelieferten Zwischenprodukt beziehungsweise der Bulkware abweicht und sich dessen Tätigkeit daher auf das bloße Umfüllen des gebrauchsfertigen Wirkstoffs in ein zur Abgabe an den Verbraucher bestimmtes Behältnis beschränkt.«
Die Apotheke nahm schließlich ihren Widerspruch zurück. Die Gründe dafür sind unklar. Es könnten finanzielle Gründe gewesen sein, denn für den Antragsteller ist es oftmals günstiger die Berufung zurückzunehmen, als auf ein Urteil zu warten. Mit der Rücknahme akzeptierte die Apotheke die einstweilige Verfügung und darf die Opiumtinktur von Maros aktuell nicht als Rezeptur abgeben. Die zweite Hamburger Apotheke erhielt ebenfalls zuerst eine Abmahnung und schließlich eine einstweilige Verfügung. Hier steht der Gerichtstermin am Landgericht Hamburg allerdings noch aus, der Fall wird in wenigen Wochen verhandelt.
Somit dürfen die beiden Hamburger Apotheken die Opiumtinktur aktuell nicht abgeben – allerdings als einzige in Deutschland. Dies betont auch die ABDA in einem Rundschreiben an die Geschäftsführer der Landesapothekerkammern und -verbände: »Durch die behauptete Rücknahme des Widerspruchs ist die Entscheidung des LG Hamburg rechtskräftig geworden. Die Entscheidung hat indes Rechtskraft ausschließlich im Verhältnis der beteiligten Parteien.« Damit lasse sich insbesondere kein generelles Abgabeverbot begründen, da die konkreten Gründe für die Rücknahme des Widerspruchs nicht bekannt seien und es auch keine gerichtliche Entscheidung gebe, die hierfür weitergehende Anhaltspunkte bieten kann, so die ABDA.
Also Entwarnung: Die Firmen Innocur und Pharmanovia wollten vermutlich mit ihrem gerichtlichen Vorgehen gegen die Apotheker einen Präzedenzfall schaffen, um die Abgabe von Opiumtinktur als Rezeptur zu verbieten, damit die hauseigene Arznei Dropizol® einen größeren Absatzmarkt findet. Offen bleibt aber die Frage, wie Innocur von der Rezepteinlösung in den Hamburger Apotheken gewusst haben konnte. Momentan besteht aber kein Grund zur Sorge, dass es generell verboten wird, Rezepturarzneimittel ohne Zulassung nach Paragraf 21 Arzneimittelgesetz in Flaschen abzufüllen und ohne den Wirkstoff zu verändern abzugeben.