Neuer Kaliumbinder wirkt rasch |
Brigitte M. Gensthaler |
07.05.2021 07:00 Uhr |
Der Kaliumbinder Lokelma wird in Wasser eingerührt, löst sich aber darin nicht. Der Patient trinkt die trübe Flüssigkeit (Symbolbild). / Foto: Adobe Stock/Laurentiu Iordache
Das anorganische Molekül Natrium-Zirconium-Hydrogencyclohexasilicat-Hydrat (Lokelma® 5 g und 10 g Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Astra-Zeneca) ist indiziert zur Behandlung einer Hyperkaliämie bei erwachsenen Patienten.
Zur Korrektur einer Hyperkaliämie wird eine Anfangsdosis von 10 g als Suspension in Wasser unabhängig von der Nahrung dreimal täglich getrunken. Meist wird damit innerhalb von 24 bis 48 Stunden eine Normokaliämie (4,0 bis 5,0 mmol/l) erreicht. Ist dies der Fall, folgt das Erhaltungsregime. Es besteht aus der kleinsten wirksamen Dosis, die ein Wiederauftreten einer Hyperkaliämie verhindert; sie liegt zwischen 5 g alle zwei Tage und 10 g einmal täglich. Eine Überdosierung kann zur Hypokaliämie führen (Serumkaliumwerte unter 3,5 mmol/l).
Wird die Normokaliämie nach 72 Stunden nicht erreicht, sind andere Behandlungen zu erwägen. Während der Therapie muss der Serumkaliumspiegel regelmäßig überprüft werden, um keine Hypo- oder Hyperkaliämie zu übersehen.
Eine Hyperkaliämie ist definiert als ein Kaliumspiegel im Serum über 5 mmol/l, wobei Werte von 6,0 bis 6,4 mmol/l als schwere und noch höhere Werte als lebensbedrohliche Hyperkaliämie gelten. Unspezifische Symptome sind Übelkeit und Diarrhö, Muskelschwäche bis hin zur Parese, Parästhesien und Herzklopfen. Unbehandelt kann eine Hyperkaliämie zu Herzrhythmusstörungen und zum Herzstillstand führen.
Ursachen sind ein vermehrter Kaliumaustritt aus den Zellen in den Extrazellulärraum, zum Beispiel bei metabolischer Azidose, Insulinmangel oder Zellschäden wie Hämo- oder Tumorlyse, eine überhöhte Kaliumzufuhr sowie eine verminderte renale Ausscheidung. Häufig betroffen sind Patienten mit chronischer Herz- oder Nierenerkrankung, Nebenniereninsuffizienz oder Diabetes mellitus sowie Menschen, die kaliumerhöhende Medikamente wie Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) einnehmen. Klassiker sind ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Renin-Hemmer, NSAR und COX2-Hemmer sowie kaliumsparende Diuretika.
Das Apothekenteam sollte dem Patienten die Zubereitung der Suspension erklären. Der gesamte Inhalt des Beutels wird mit ungefähr 45 ml Wasser verrührt und die geschmacksfreie Flüssigkeit getrunken, solange sie noch trüb ist. Setzt sich Pulver ab, wird nochmals umgerührt und getrunken. Wichtig: Das Pulver löst sich nicht auf.
Na-Zr-Cyclosilicat ist ein nicht resorbierbares, nicht polymeres Pulver mit gleichmäßiger mikroporöser Struktur, das speziell Kaliumionen im Austausch gegen Wasserstoff- und Natriumionen aufnimmt. Dies funktioniert hochselektiv auch in Anwesenheit anderer Kationen wie Calcium und Magnesium im gesamten Verdauungstrakt. In der Folge sinkt der Kaliumspiegel im Serum und die Ausscheidung im Stuhl nimmt zu. Die Serumkonzentration sinkt bereits eine Stunde nach der Einnahme. Das ist ein Unterschied zu dem 2018 auf den Markt gekommenen Kationenaustauscher Patiromer: Hier sinkt der Kaliumspiegel im Blut erst mehrere Stunden nach der Einnahme.
Die kaliumsenkende Initialwirkung von Lokelma (innerhalb von 48 Stunden) wurde in drei randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien nachgewiesen. Zwei weitere Studien untersuchten die Langzeitwirkung. In die Erhaltungsstudien wurden Patienten mit chronischer Nierenerkrankung, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus sowie unter Therapie mit RAAS-Inhibitoren eingeschlossen. In diesen fünf Studien erhielten insgesamt 1760 Patienten den Kaliumbinder, davon waren 507 mindestens 360 Tage lang exponiert. Es gibt keine Studiendaten über ein Jahr hinaus.
In den Studien senkte das Medikament den Kaliumspiegel rasch auf normale Serumkonzentrationen unabhängig von der Ursache der Hyperkaliämie. Dieser Effekt blieb unter individuell titrierter Dosierung ein Jahr lang erhalten. Nach Absetzen von Na-Zr-Cyclosilicat stiegen die Kaliumspiegel wieder an. Nahezu neun von zehn Patienten, die zu Studienbeginn RAAS-Inhibitoren einnahmen, konnten diese Medikation beibehalten, drei Viertel in der gewohnten Dosis.
In einer Studie mit 196 Dialysepatienten mit terminaler Niereninsuffizienz und persistierender prädialytischer Hyperkaliämie erreichten 41 Prozent in der Lokelma-Gruppe und 1 Prozent in der Placebogruppe prädialytisch normale Kaliumwerte.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Ödeme und Hypokaliämie.
Da Na-Zr-Cyclosilicat weder resorbiert noch metabolisiert wird und es keine anderen Arzneistoffe in nennenswertem Umfang bindet, ist das Interaktionspotenzial begrenzt. Durch eine Resorption von Wasserstoffionen kann vorübergehend der pH-Wert im Magen ansteigen. Daher sollte der Kaliumbinder mindestens zwei Stunden vor oder nach der oralen Einnahme von Arzneistoffen angewendet werden, deren Bioverfügbarkeit klinisch bedeutsam vom gastrischen pH-Wert abhängt. Dazu zählen Azol-Antimykotika, etliche Arzneistoffe gegen HIV sowie Tyrosinkinase-Inhibitoren.
Lokelma ist reich an Natrium. Das ist zu berücksichtigen bei Personen unter natrium- und kochsalzarmer Diät.
Der neue Kaliumbinder Natrium-Zirconium-Cyclosilicat ist – wie das bereits 2018 eingeführte Patiromer – als Schrittinnovation zu werten. Es handelt sich um eine selektive Kaliumfalle, die im gesamten Gastrointestinaltrakt wirkt. Die Wirkung setzt schnell ein und eine anhaltende Kaliumkontrolle von bis zu einem Jahr konnte gezeigt werden. Zudem belegen Studien, dass der neue Wirkstoff generell gut vertragen wird. Auch die Akzeptanz hinsichtlich des Geschmacks dürfte im Vergleich zu alten Kaliumbindern deutlich besser sein.
Viele Patienten profitieren von einer hoch dosierten RAAS-Hemmung. Damit ist jedoch stets auch das Risiko einer Hyperkaliämie verbunden. In einer Studie konnte die Mehrzahl der Patienten ihre RAAS-Inhibitor-Therapie unter Na-Zr-Cyclosilicat bei gleichzeitiger Kaliumkontrolle fortsetzen. Bei Dialysepatienten reduzierte der neue Wirkstoff darüber hinaus das Risiko prädialytischer Hyperkaliämien in einer Phase-III-Studie signifikant gegenüber Placebo.
Sven Siebenand, Chefredakteur