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Sekundärprophylaxe

Neue Schlaganfall-Leitlinie erschienen

Eine neue S2k-Leitlinie gibt Empfehlungen dazu, wie nach einem ischämischen Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke ein weiteres solches Ereignis bestmöglich verhindert werden kann.
Theo Dingermann
05.07.2022  15:30 Uhr

Schlaganfallpatienten sehen sich mit einem signifikanten Risiko für ein Rezidiv konfrontiert. Dieses muss bestmöglich reduziert werden. Unter diesem Aspekt haben nun die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) unter Beteiligung etlicher weiterer Fachgesellschaften und Organisationen eine neue S2k-Leitlinie »Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke« publiziert.

Die Leitlinie umfasst zwei Teile: Im ersten Teil stehen die medikamentöse Behandlung der klassischen Risikofaktoren wie Fettstoffwechselstörungen und Hypertonie sowie die Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoagulanzien im Mittelpunkt. Teil 2 befasst sich unter anderem mit Lebensstilmodifikationen, mit der Behandlung arterieller Stenosen, mit anderen Indikationen für Antithrombotika, Hormone, Diabetes mellitus und Schlafapnoe.

Medikamentöse Behandlung

Die Empfehlungen in Teil 1 sind geleitet von Zielwerten. So sollte der Blutdruck im Rahmen der Sekundärprophylaxen nach einem Schlaganfall oder einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) langfristig unter 140/90 mmHg gesenkt werden. Je nach Alter der Betroffenen, der Verträglichkeit der Blutdrucksenker und Vorerkrankungen kann sogar eine Senkung auf systolisch 120 bis 130 mmHg angestrebt werden. Dabei hat das Erreichen der Zielblutdruckwerte einen höheren Stellenwert als die Wahl der antihypertensiven Therapie.

Als Zielwert der cholesterolsenkenden Therapie gilt ein LDL-C-Wert von unter 70 mg/dl oder eine Reduktion um mehr als 50 Prozent des des LDL-C-Ausgangswerts. Allerdings vertritt hier die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) eine abweichende Position, die sie im einem Sondervotum zum Ausdruck bringt. Da heißt es: »Patienten mit ischämischem Schlaganfall sollte eine sekundärpräventive Therapie mit einem Statin in fester Dosis angeboten werden. Weitere Lipidbestimmungen oder Adjustierungen entfallen.«

Zur Thrombozytenaggregationshemmung werden in der Leitlinie ausschließlich Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Ticagrelor empfohlen. Für andere Präparate sehen die Leitlinienautoren keinen Zusatznutzen, zumal man bei diesen Präparaten, darunter Dipyridamol, Ticlopidin und Prasugrel sowie intravenöses Abciximab, oft mit mehr Nebenwirkungen rechnen muss.

Bei vertretbarem Blutungsrisiko raten die Leitlinienautoren zu einer frühen (das heißt innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn), aber kurzzeitigen doppelten Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel für 21 Tage oder alternativ mit ASS und Ticagrelor für 30 Tage. Patienten mit Vorhofflimmern sollten immer eine orale Antikoagulation erhalten. Hier können direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) oder Vitamin-K-Antagonisten eingesetzt werden.

In einer Pressemitteilung der DGN erklären die Professoren Dr. Gerhard F. Hamann und Dr. Armin Grau, Ludwigshafen, sowie Dr. Joachim Röther, Hamburg: »Die Thrombozytenaggregationshemmung und der Einsatz der oralen Antikoagulation sollten individuell je nach Blutungsneigung, Komorbiditäten und Risikofaktoren aufeinander abgestimmt werden. Die Leitlinie gibt hier einen Handlungskorridor vor, innerhalb dessen eine auf die einzelne Patientin/den einzelnen Patienten angepasste Therapie erfolgen kann«.

Lebensstilmodifikationen

Der zweite Teil der Leitlinie fokussiert auf Lebensstilmodifikation sowie auf die Indikationen zur oralen Antikoagulation jenseits des Vorhofflimmerns, die Therapie von Dissektionen der hirnversorgenden Arterien, die Behandlung intrakranieller Gefäßstenosen, die Hormonersatztherapie, den Diabetes mellitus bei Schlaganfallpatienten und das obstruktive Schlafapnoesyndrom.

Konkrete Empfehlungen gibt es zu regelmäßiger körperlicher Aktivität sowie dem Verzehr von Obst und Gemüse beziehungsweise dem Einhalten eine mediterranen Diät, da allgemein akzeptiert ist, dass eine solche Ernährung zusammen mit einer Reduktion des Salzkonsums das Risiko eines Schlaganfallrezidivs und vaskulärer Folgeereignisse senkt. Zudem sollte dringend auf das Rauchen verzichtet und der Alkoholkonsum reduziert werden. Da ein Diabetes mellitus als bedeutender Risikofaktor für Schlaganfälle gilt, sollten gefährdete Patienten angehalten werden, alles daransetzen, dieser Krankheit vorzubeugen. Ein bestehender Diabetes mellitus muss nach einem Schlaganfall sehr gut medikamentös eingestellt sein.

Ein weiterer Risikofaktor ist Schlafapnoe. Die Leitlinienautoren fordern dazu auf, nach dieser Komplikation gezielt zu suchen, um sie dann durch nächtliche Überdruckbeatmung (CPAP) behandeln zu können.

Schlaganfallpatientinnen, die Kontrazeptiva einnehmen, sollten andere Verhütungsmethoden in Erwägung ziehen. Allerdings wird in der Leitlinie ausdrücklich betont, dass die Mehrzahl der hormonellen Präparate mit einem nur gering erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert ist.

Resümierend betont DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit, dass die Leitlinie Therapeuten ein breites Armamentarium an die Hand gibt, um das Rezidivrisiko nach ischämischem Insult oder TIA zu senken. »Zur Maximalprophylaxe sollten alle Maßnahmen dauerhaft umgesetzt werden, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologinnen/Neurologen, Hausärztin/Hausarzt und Betroffenen erfordert.«

Gerade die langfristige Lebensstilumstellung stellt für viele Patientinnen und Patienten eine Herausforderung dar, bei der Medizinerinnen und Mediziner immer wieder Unterstützung leisten müssen. Die neurologische Nachsorge sollte dabei weit über die medikamentöse Einstellung der klassischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder hohe Lipidwerte hinausgehen, so Berlit.

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