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Trastuzumab-Deruxtecan

Neue Option bei fortgeschrittenem Brustkrebs 

Nach Trastuzumab-Emtansin kam im Februar ein zweites gegen das HER2-Protein gerichtetes Antikörper-Wirkstoff-Konjugat für Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs auf den Markt. Bei dem Neuling ist der Antikörper Trastuzumab gekoppelt mit dem Topoisomerase-I-Inhibitor Deruxtecan.
Brigitte M. Gensthaler
11.03.2022  09:00 Uhr

Bei etwa 15 bis 20 Prozent aller Patientinnen mit Brustkrebs liegt eine Überexpression des HER2-Proteins (Human Epidermal Growth Factor Receptor 2) vor, was mit einem aggressiven Krankheitsverlauf und einer schlechten Prognose assoziiert ist. Bei diesen Patientinnen kann der gegen HER2 gerichtete Antikörper Trastuzumab das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben klinisch relevant verlängern. Weitere Optionen bei metastasiertem Tumor bieten die Kombination aus Trastuzumab, Pertuzumab und einer Taxan-basierten Chemotherapie sowie in der Zweitlinie eine Monotherapie mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Trastuzumab-Emtansin (T-DM1).

Das neue Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan (Enhertu® 100 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Daiichi Sankyo) ist zugelassen als Monotherapie für erwachsene Patientinnen und Patienten mit inoperablem oder metastasiertem HER2-positiven Brustkrebs, die bereits mindestens zwei gegen HER2 gerichtete Behandlungen erhalten haben. Wichtig: Enhertu darf nicht durch Trastuzumab oder Trastuzumab-Emtansin ersetzt werden.

Die empfohlene Dosis von 5,4 mg/kg wird intravenös einmal alle drei Wochen infundiert. Die erste Dosis wird als 90-minütige Infusion gegeben. Wenn dies gut vertragen wird, kann die Infusionsdauer bei den folgenden Dosen auf 30 Minuten verkürzt werden. Die Patientin kann bei Bedarf Antiemetika bekommen. Zeigen sich infusionsbedingte Beschwerden, muss die Infusionsgeschwindigkeit gesenkt oder die Infusion unterbrochen werden. Bei schweren Reaktionen ist das Medikament dauerhaft abzusetzen.

Hochtoxisches Konjugat

Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) besteht aus Trastuzumab und dem zytotoxischen Topoisomerase-I-Inhibitor Deruxtecan, die über einen abspaltbaren Linker auf Tetrapeptid-Basis verbunden sind. An jedes Antikörpermolekül sind ungefähr acht Deruxtecan-Moleküle gebunden. Im Plasma ist das Konjugat stabil. Der Antikörper bindet an HER2, das auf der Oberfläche bestimmter Tumorzellen exprimiert wird, hemmt selektiv die HER2-vermittelte Signalkaskade und induziert die Antikörper-abhängige zelluläre Toxizität. Deruxtecan wird intrazellulär aus dem Konjugat durch lysosomale Enzyme, die in Krebszellen hochreguliert werden, abgespalten. Nach der Freisetzung führt Deruxtecan zur Apoptose der Tumorzelle.

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Enhertu wurde in der Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 untersucht. 184 stark vorbehandelte Patientinnen mit HER2-positivem inoperablen und/oder metastasierten Brustkrebs bekamen Enhertu als intravenöse Infusion (5,4 mg/kg) alle drei Wochen. Der primäre Endpunkt war die bestätigte objektive Ansprechrate (Objective Response Rate, ORR), sekundärer Endpunkt war die Ansprechdauer.

Nach einem medianen Follow-up von 11,1 Monaten lag die ORR bei 60,9 Prozent, wobei 6 Prozent der Patientinnen ein vollständiges und 54,9 Prozent ein partielles Ansprechen zeigten. Bei 36,4 Prozent war die Erkrankung stabil, bei 1,6 Prozent schritt sie fort. Die mediane Ansprechdauer zu diesem Zeitpunkt betrug 14,8 Monate, das progressionsfreie Überleben hielt median 16,4 Monate an. Die Daten bei einer medianen Nachbeobachtung von 20,5 Monaten bestätigten diese Ergebnisse.

Nach Angaben von Daiichi Sankyo zeigten erste Ergebnisse der Phase-III-Studie DESTINY-Breast04 (NCT03734029) mit 557 Patientinnen mit nicht resezierbarem und/oder metastasiertem Mammakarzinom mit niedriger HER2-Expression (HER2low), dass T-DXd das progressionsfreie und das Gesamtüberleben signifikant verlängerte im Vergleich zu einer Chemotherapie. Dies sei unabhängig vom Hormonrezeptorstatus der Tumoren gewesen.

Auf die Lungenfunktion achten

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit und Erbrechen, Erschöpfung und Alopezie. Ebenfalls sehr häufig waren Obstipation, verminderter Appetit, hämatologische Nebenwirkungen wie Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie und Leukopenie sowie Diarrhö, Husten und Kopfschmerzen. Die häufigsten Grad-3/4-Nebenwirkungen waren Neutropenie, Anämie und Übelkeit.

Auffällig war die hohe Rate an interstitieller Lungenerkrankung und/oder Pneumonitis, die 13,6 Prozent der Patientinnen erlitten (Grad 3/4: 0,5 Prozent und Grad 5: 2,2 Prozent). Bei 2,6 Prozent führte dies zum Tod. Die Studienautoren fordern daher, die Lungenfunktion sorgfältig zu überwachen. Den Patientinnen ist zu raten, Husten, Dyspnoe, Fieber sowie neue oder sich verschlechternde Atemwegsbeschwerden sofort dem Arzt zu melden.

Bei mehr als einem Viertel der Patientinnen musste die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen unterbrochen und bei 15 Prozent die Dosis reduziert werden. Bei 12 Prozent wurde die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen.

Gebärfähige Frauen müssen während der Therapie und für mindestens sieben Monate nach der letzten Dosis eine Empfängnis zuverlässig verhüten. Männer mit gebärfähigen Partnerinnen müssen dies während der Therapie und für mindestens vier Monate nach der letzten Dosis tun.

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