Neue Medikamente für Herz und Lunge in Sicht |
Kerstin A. Gräfe |
27.05.2022 16:30 Uhr |
Zur Behandlung von Erkrankungen des Herzens stehen mehrere neue Wirkstoffe kurz vor der Zulassung. / Foto: Getty Images/HATICE GOCMEN
Mit Omecamtiv-Mecarbil befinde sich ein neuartiger Arzneistoff bei Herzinsuffizienz im FDA-Zulassungsverfahren. Er ist der erste Vertreter der sogenannten kardialen Myosin-Aktivatoren. Der Wirkstoff verlängere die zyklusabhängige Interaktion von Myosin mit Aktin und bewirke so eine Verbesserung der kardialen Kontraktilität. Im Unterschied zu anderen positiv inotrop wirksamen Medikamenten bleibe aber die intrazelluläre Calciumkonzentration und der myokardiale Sauerstoffverbrauch unverändert.
»Aber trägt das Konzept der Verbesserung der Kontraktilität?«, hinterfragte der pharmazeutische Chemiker von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Die klinische Studie GALACTIC-HF mit immerhin mehr als 8000 Teilnehmern mit Herzinsuffizienz und reduzierter Pumpleistung (HFrEF) habe ernüchternde Ergebnisse gezeigt. Omecamtiv-Mecarbil habe keine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität erwirken können.
Den größten Nutzen hatten Patienten mit einer sehr niedrigen Ejektionsfraktion, aber selbst bei diesem Kollektiv habe sich keine Signifikanz gezeigt. Im Fall einer Zulassung rechnet Schubert-Zsilavecz mit einer Beschränkung auf diese Patientengruppe oder einem Einsatz als Add-on-Therapie. »Das heißt aber nicht, dass das Konzept nicht weiterverfolgt wird«, betonte der Referent. Es befinden sich noch weitere Myosin-Aktivatoren in der Pipeline.
Professor Dr. Manfred-Schubert-Zsilavecz, Frankfurt am Main / Foto: PZ/Alois Müller
Der nächste Kandidat hat zumindest die US-Zulassung bereits in der Tasche. Mavacamten greift ebenfalls in die Interaktion von Myosin mit Aktin ein, ist aber ein allosterischer Inhibitor der kardialen Myosin-ATPase. Zum Einsatz kommt er zur Therapie der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM). Dabei handelt es sich um eine sehr seltene Erkrankung, die durch den Nachweis einer erhöhten linksventrikulären Wanddicke definiert ist, die nicht allein durch pathologische Füllungsdrücke des linken Ventrikels erklärbar ist. Als häufigste Ursache gelten Mutationen in kardialen Sarkomerprotein-Genen. Die Folgen sind Dyspnoe, Brustschmerzen, Palpitationen und Fatigue.
Bislang gibt es keine spezifische Therapie. Behandelt wird rein symptomatisch mit Betablockern, Calciumkanalblockern und dem Antiarrhythmikum Disopyramid. »Mavacamten ist der erste Inhibitor der kardialen Kontraktilität« sagte Schubert-Zsilavecz.
Wie kommt die Wirkung zustande? Mavacamten stabilisiere den superrelaxierten Zustand von Myosin und verhindere dadurch die Bildung der bei der hypertrophen Kardiomyopathie exzessiv vorhandenen Myosin-Aktin-Querbrückenverbindungen, die zur Hyperkontraktilität führen. Die Daten der Phase-III-Studie EXPLORER-HCM ließen keinen Zweifel daran, dass der Wirkstoff positive Effekte habe, so der Pharmazieprofessor. Allerdings seien auch diese einigermaßen übersichtlich.
Der dritte im Bunde innovativer Herz-Kreislauf-Medikamente soll zur Prävention thromboembolischer Ereignisse zum Einsatz kommen. Milvexian ist ein direkter Inhibitor des Faktor XI, der oral verfügbar ist. Was macht den Faktor XI so interessant? Aktiviertem Gerinnungsfaktor XI wird eine wesentliche pathogene Bedeutung an der Entstehung von Thrombosen beigemessen, aber nur eine geringe für die physiologische Hämostase. »Man verbindet mit diesem Ansatz die Hoffnung, ebenso wirksame Substanzen wie die DOAK zu haben und zugleich die Antikoagulation noch sicherer zu machen«, erklärte Schubert-Zsilavecz.
Dass die Rechnung aufgehen könnte, zeigt die Phase-II-Studie AXIOMATIC-TKR. Im Vergleich zu Enoxaparin war Milvexian bei Patienten, die sich einer Knie-Totalendoprothese unterzogen, in der Prophylaxe postoperativer venöser Thromboembolien effektiver und dies bei einem geringeren Blutungsrisiko. Mit Asundexian befinde sich laut Referent ein zweiter direkter Inhibitor des Faktor XI in der klinischen Prüfung.
Ebenfalls in der Pipeline ist ein Wirkstoff bei schwerem Asthma bronchiale: Der Antikörper Tezepelumab richtet sich gegen das Zytokin TSLP (Thymus-Stroma-Lymphopoietin). »TSLP spielt bei allen Formen von schwerem Asthma eine entscheidende Rolle und wird als Reaktion auf zahlreiche Asthma-Trigger freigesetzt«, informierte Schubert-Zsilavecz. Im Gegensatz zu anderen Antikörpern wie Dupilumab oder Benralizumab greife Tezepelumab viel früher in die Signalkaskade ein.
In den USA sei der Antikörper bereits unter dem Namen Tezspire® für Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren mit unkontrolliertem schweren Asthma zugelassen. Die entsprechenden Daten haben die Studien NAVIGATOR- und PATHWAY geliefert. Auch hierzulande sei mit einer baldigen Zulassung zu rechnen.