Neue Funktionen – mehr AMTS |
Die neuen Funktionen der ABDADatenbank² liefern entscheidende Hinweise für eine optimale Arzneimitteltherapie und lassen sich auch für Medikationsanalysen nutzen. / Foto: Getty Images/DjelicS
Seit über 30 Jahren ist die ABDA-Datenbank Bestandteil jeder Warenwirtschaft. Durch sie ist es möglich, mit einem schnellen Blick in den Computer viele beratungsrelevante Fragen zu beantworten. Welche Inhaltsstoffe hat ein Präparat? Lässt sich die Tablette teilen? Wie wird der Wirkstoff bei Niereninsuffizienz dosiert? Ist das gewünschte OTC-Präparat für einen Patienten mit Bluthochdruck geeignet? Interagiert das verschriebene Antibiotikum mit der Dauermedikation eines Patienten?
Mit der ABDADatenbank² werden die bewährten Inhalte um neue, AMTS-relevante Risikoprüfungen und Suchfunktionen ergänzt. Informationen stehen somit noch schneller und direkter innerhalb der Apothekensoftware zur Verfügung. Die neuen Funktionen können bei allen Aufgaben in der Offizin zum Einsatz kommen – von der Belieferung eines Rezepts über umfangreiche Beratungssituationen bis hin zu komplexen Medikationsanalysen.
Eine umfassende Beurteilung der AMTS-Risiken ist nur möglich, wenn spezifische Aspekte des Patienten berücksichtigt werden. Die patientenindividuellen Risikoprüfungen bieten genau diese Möglichkeit. Bislang musste das CAVE-Modul zusätzlich zur ABDA-Datenbank erworben werden. Nun sind seine Inhalte fester Bestandteil des AMTS-Moduls der ABDADatenbank². Somit lässt sich zukünftig in jeder Apotheke automatisch ermitteln, mit welchen Risiken eine Medikation bei einem bestimmten Patienten verbunden ist.
Die etablierten Risikochecks überprüfen die Eignung eines Arzneimittels auf Basis der Erkrankungen und Allergien eines Patienten sowie seines Alters und Geschlechts. In der ABDADatenbank² sind mit der Nierenfunktion und dem Körpergewicht zwei neue Prüfkriterien hinzugekommen. Die Risikoprüfung Nierenfunktion beurteilt die Eignung eines Arzneimittels anhand der glomerulären Filtrationsrate des Patienten. Ob Anwendungsbeschränkungen aufgrund des Gewichts des Patienten bestehen, wird mit dem Körpergewichts-Check überprüft. Der Beitrag in PZ 37/2020 liefert eine ausführliche Beschreibung aller individuellen Risikoprüfungen, die mit AMTS CAVE möglich sind.
Neuerungen zeigen sich zum einen bei der Klassifikation der Interaktionen. Bislang orientierte sich die Bewertung an den zu treffenden Maßnahmen. Nun wird die klinische Relevanz einer Wechselwirkung angezeigt, um deren Schweregrad sofort ersichtlich zu machen (PZ 11/2020). Darüber hinaus lassen sich individuelle Merkmale eines Patienten auch bei der Bewertung der Interaktionen berücksichtigen, sodass die Warnmeldungen spezifischer werden (PZ 39/2020). Ist eine Wechselwirkung zu erwarten, können zudem Alternativen mit geringerem Interaktionspotenzial gesucht werden.
Doppelmedikationen besser erkennen
Bislang wurde eine Doppelmedikation nur dann angezeigt, wenn zwei Präparate innerhalb des ATC-Codes gleich eingeordnet sind. Dieses Klassifikationssystem eignet sich jedoch nur bedingt als alleiniges Prüfkriterium, da es nicht alle Dopplungen erkennt. So warnt das System derzeit nicht, wenn zwei Arzneistoffe aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen im selben Anwendungsgebiet zum Einsatz kommen, zum Beispiel zwei verschiedene Schmerzmittel. Um diese Lücken zu schließen, werden bei der neuen Prüfroutine zusätzliche Kriterien berücksichtigt. Zu diesen zählen unter anderem die Wirkstoffe und die Anwendungsgebiete der eingesetzten Präparate. So erscheint zukünftig zum Beispiel auch eine Warnmeldung, wenn ein Patient sowohl ein Diclofenac- als auch ein Tramadol-haltiges Präparat einnimmt.
Der Wechsel zur ABDADatenbank² geht mit einer umfangreichen Erweiterung der strukturiert erfassten Daten einher. Bisher lagen Informationen über die Anwendungsgebiete eines Arzneimittels ausschließlich in Textform vor und konnten nicht als Prüfkriterium für automatische Warnmeldungen genutzt werden. Nun sind die Indikationen für jedes Präparat codiert hinterlegt. Damit lassen sich neue AMTS-Risikochecks realisieren und Recherchen optimieren. Bezieht man die codierten Indikationen in eine Datenbanksuche ein, werden nur die Präparate ermittelt, die für ein bestimmtes Krankheitsbild zugelassen sind (Kasten 1).
Foto: PZ
Auch die Nebenwirkungen der Fertigarzneimittel sind in der ABDADatenbank² codiert erfasst, sodass sie übersichtlich und strukturiert am Bildschirm angezeigt werden. Der Anwender hat die Auswahl zwischen unterschiedlichen Darstellungen. Die Nebenwirkungen können zum Beispiel in alphabetischer Reihenfolge oder nach ihrer Häufigkeit aufgelistet werden. Auch eine Sortierung nach Systemorganklassen – analog der Fachinformation – ist möglich. Darüber hinaus entfällt der mühsame Vergleich der Fachinformationen, wenn ein Patient über Beschwerden klagt, die eventuell auf die Einnahme eines seiner Arzneimittel zurückzuführen sind. Eine neue Recherchefunktion gleicht die Symptome eines Patienten automatisch mit allen Nebenwirkungen ab, die bei seinen Präparaten hinterlegt sind. Das verursachende Arzneimittel lässt sich somit schnell und unkompliziert erkennen. Auch die Beratung von Patienten, die ein Arzneimittel aufgrund einer bestimmten Nebenwirkung ablehnen, wird erleichtert. So lassen sich Präparate mit gleicher Indikation ermitteln, die diese unerwünschte Wirkung nicht aufweisen und als Alternative infrage kommen (Kasten 1).
Mit der ABDADatenbank² lässt sich automatisch überprüfen, ob die Medikation eines Patienten plausibel ist. Auch hier wird vorausgesetzt, dass alle Merkmale des Patienten erfasst sind. So wird auf eine potenzielle Überversorgung mit Arzneimitteln hingewiesen, wenn der Patient ein Präparat erhält, ohne dass bei ihm eine entsprechende chronische Erkrankung dafür vorliegt. Ist bei ihm hingegen eine Erkrankung bekannt, ohne dass sie medikamentös therapiert wird, warnt das System vor einer Unterversorgung (Kasten 2). Eine weitere Prüfung ist relevant für Präparate, die zwingend in Kombination mit einem anderen angewendet werden müssen. Wenn ein Patient dieses zweite Präparat nicht erhält, macht eine Meldung auf den fehlenden Kombinationspartner aufmerksam.
Foto: PZ
Eine Interferenz liegt vor, wenn die Indikation des einen Arzneimittels eine Kontraindikation eines anderen Arzneimittels ist. Dieser Fall ist nicht zu verwechseln mit einer Interaktion. Stattdessen ist die Ursache für diese Art der Arzneimittel-Fehlversorgung eine Erkrankung des Patienten, aufgrund der er eines der beiden Arzneimittel erhält (Kasten 3, Beispiel 1). Eine weitere Form der Interferenz wird auch als Verordnungskaskade bezeichnet. Hierbei ist die Indikation des einen Arzneimittels die Nebenwirkung eines anderen (Kasten 3, Beispiel 2). Beide Arten einer Arzneimittel-Interferenz lassen sich mit der ABDADatenbank² aufdecken.
Foto: PZ
Wenn Patienten mehrere Arzneimittel einnehmen, lassen sich die Folgen oftmals nur schwer abschätzen. Eine Vielzahl von Nebenwirkungen und Interaktionen kann auftreten, die durch die Erkrankungen des Patienten potenziell verstärkt werden. Verschiedene Faktoren können sich zu klinisch relevanten Risiken addieren, die im schlimmsten Fall irreversible Schäden oder lebensbedrohliche Ereignisse auslösen. Zukünftig werden alle relevanten Faktoren übergreifend betrachtet, sodass sich die kumulativen Risiken einer Medikation ermitteln lassen. Dies betrifft zum Beispiel die Risiken für Stürze, anticholinerge Nebenwirkungen, ein Serotoninsyndrom oder Torsade de pointes. Falls keine näheren Informationen über den Patienten zur Verfügung stehen, können diese Risiken ausschließlich auf Basis der Medikation ermittelt werden. Wenn zusätzlich Patientenmerkmale berücksichtigt werden, ist das Ergebnis der Risikoprüfung umso spezifischer (Kasten 4).
Foto: PZ
Derzeit arbeiten die Softwarehäuser daran, die ABDADatenbank² umzusetzen. In einigen Apothekensystemen sind die neuen Interaktions- und CAVE-Daten bereits angekommen. Die weiteren Funktionen folgen schrittweise.
Die ABDADatenbank² ist kein Anwendungsprogramm, das in jeder Apotheke in gleicher Form zur Verfügung steht. Vielmehr ist sie die gemeinsame Datenbasis, auf der alle Apotheken-Softwarehäuser ihre Systeme programmieren. Die Such- und Recherchefunktionen hingegen sind in jeder Software unterschiedlich umgesetzt.
Kein Arzneimittelinformationssystem kann pharmazeutischen Sachverstand, Praxiserfahrung oder Fachwissen ersetzen, auch nicht die ABDADatenbank². Die neuen Funktionen können jedoch entscheidende Hinweise für eine optimale Arzneimitteltherapie liefern und lassen sich auch für Medikationsanalysen nutzen. Zudem stellen sie auf Knopfdruck eine Fülle von Informationen zur Verfügung, die sonst aufwendig recherchiert und bewertet werden müssten. So bleibt mehr Zeit, um auf den Patienten einzugehen, ihn umfassend zu beraten und alle seine Fragen zu klären.
Dieser Beitrag ist der vierte Teil einer Serie zur ABDADatenbank2. Bereits erschienen sind Teil 1 (PZ 11/2020), Teil 2 (PZ 37/2020) und Teil 3 (PZ 39/2020). Weitere Beiträge folgen.
Dr. Marina Bayer, Dr. Sittah Czeche-Wimmer, Astrid Feller-Becker und Dr. Bettina Krieg