Nasaler Anti-CD3-Antikörper dämpft Entzündung |
Theo Dingermann |
09.03.2023 14:00 Uhr |
In einer kleinen Studie kam es unter dem nasal verabreichten Antikörper Foralumab bei Covid-19-Patienten zu weniger Lungenentzündungen. / Foto: Getty Images/Nicole Lienemann/EyeEm
Aktivierte T-Zellen spielen wegen der schnellen Abnahme der Antikörpertiter nach einem SARS-CoV-2 Antigenkontakt vor allem in frühen Stadien der Infektion eine wichtige Rolle — sowohl für den Krankheitsverlauf als auch für die langanhaltende Immunität. Bekannt ist, dass SARS-CoV-2-spezifische CD4+ und CD8+ T-Zellen nach vorangegangenem Antigenkontakt in frühen Stadien der Infektion bereits vorhanden sind und dass ihre Zahl mit der Zeit zunimmt.
Ihre Wirkung ist allerdings zweischneidig: Zum einen sind sie wichtig für die Kontrolle der Infektion, zum anderen zeigen sie eine starke Reaktogenität gegenüber viralen Proteinen. Diese trägt zur Immunpathologie von Covid-19, beispielsweise in Form von Atemnot und Organschäden bei. Zudem hat sich gezeigt, dass erhöhte Konzentrationen dieser Zellen während der Rekonvaleszenz nicht auf ein normales Niveau zurückgehen.
Wünschenswert wären also neben Impfstoffen und antiviralen Strategien Wirkstoffe, die die T-Zellfunktion modulieren und infolge die Entzündung dämpfen. Einer scheint der monoklonale Anti-CD3-Antikörper Foralumab zu sein. In einer Pilotstudie konnte seine nasale Verabreichung an Covid-19-Patienten die entzündliche T-Zell-Reaktion dämpfen. Dies zeigte sich unter anderem daran, dass bei den mit dem Antikörper behandelten Patienten weniger Fälle einer Lungenentzündung beobachtet wurden. Zudem wurden die hohen Konzentrationen von Entzündungsmarkern im Serum deutlich gesenkt, darunter Interleukin-6 (IL-6) und C-reaktives Protein. Die Ergebnisse sind im Fachjournal »Proceedings of the National Academie of Sciences U.S.A. (PNAS)« publiziert.
Des Weiteren konnten die Forschenden mithilfe von Serumproteomik- und RNA-Sequenzierungsmethoden zeigen, dass sich während der Phase, in der Foralumab nasal verabreicht wird, die Immunsignatur bei den Patienten deutlich ändert. Und zwar dahingehend, dass die Effektor-CD8+-Funktion moduliert und ein regulatorisches Transkriptionsprogramm in T-Zellen induziert wird.
In der randomisierten Pilotstudie erhielten 39 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Covid-19 an zehn aufeinanderfolgenden Tagen pro Tag 100 µg Foralumab nasal verabreicht. Als Kontrollgruppe dienten Patienten, die kein Foralumab erhielten.
Die Forschenden konnten zeigen, dass in der Interventionsgruppe die Genexpression von Entzündungswegen herunterreguliert war. Bei den Kontrollen war dies nicht der Fall. So zeigte sich, dass Caspase-1, ein proteolytisches Enzym, das in die Vermittlung von Entzündungsreaktionen durch die Aktivierung proinflammatorischer Interleukine involviert ist, nicht nur in T-Zellen, sondern auch in B-Zellen und Monozyten bei den Foralumab behandelten Patienten herunterreguliert war. Bekannt ist, dass Caspase-1 mit einer immunvermittelten Covid-19-Pathogenität und einem schlechteren Krankheitsverlauf assoziiert ist.
Die Analyse an Monozyten zeigte, dass unter Foralumab der Pathogenese-Weg des Coronavirus im Vergleich zu unbehandelten Personen leicht abgeschwächt verlief. Diese Ergebnisse wurden auch durch RNA-Sequenzierungsanalysen bestätigt. Auch hier zeigte sich, dass die nasale Verabreichung von Foralumab zu einer Herunterregulierung von Genen im Zusammenhang mit Entzündungen und der Pathogenese des Coronavirus führte.
Die immunmodulatorischen Wirkungen einer Foralumab-Behandlung waren am stärksten in CD3+-T-Zellen ausgeprägt, darüber hinaus aber auch in Monozyten und B-Zellen. Auf die T-Zellen wirkte sich die Foralumab-Behandlung besonders im Expressionsmuster der Gene für GIMAP7, NKG7 und TGFB1 aus. Alle drei von diesen Genen kodierten Proteine scheinen somit mit den immunmodulatorischen Wirkungen von Foralumab assoziiert zu sein.
Interessanterweise zeigten sich die transkriptomischen Veränderungen von TGFB1, GIMAP7 und NKG7 auch bei gesunden Freiwilligen und Multiple-Sklerose-Patienten.
Die Ergebnisse zeigen, dass nasales Foralumab die Entzündungsreaktion bei Covid-19 moduliert und einen neuen Therapieansatz zur Behandlung der Krankheit darstellen könnte.
In einer Pressemitteilung des Bingham and Womens’s Hospitals äußert sich Erstautorin Dr. Thais Moreira: »Wir haben einen Weg entdeckt, Entzündungen nicht nur bei Covid-19, sondern auch bei Patienten mit Multipler Sklerose sowie bei gesunden Patienten zu stoppen.« Das sei sehr spannend, denn die Studie lege nicht nur nahe, dass der neue Therapieansatz mit monoklonalen Antikörpern sicher ist und das Immunsystem ohne größere Nebenwirkungen modulieren kann, sondern mit ihm auch Entzündungen reduziert werden können, die die Pathologie ganz unterschiedlicher Erkrankungen bestimmen.«
Angesichts der Einschränkungen der untersuchten kleinen Stichprobengrößen beginnt das Team mit einer placebokontrollierten Doppelblindstudie bei progressiver Multipler Sklerose und plant eine neue Studie zur Untersuchung von Long-Covid.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.