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SARS-CoV-2-Varianten

Mehrfacher Viruskontakt schützt breiter

Die dritte Corona-Impfdosis erhöht nicht nur den Antikörpertiter, sondern verbessert den Immunschutz gegen den Pandemieerreger insgesamt. Das machten deutsche Experten am heutigen Freitag deutlich. Die Omikron-Welle könne ebenfalls dabei helfen, die Grundimmunität zu stärken. 
Christina Hohmann-Jeddi
21.01.2022  18:00 Uhr

Aufgrund der starken Immunflucht-Fähigkeiten der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 können sich auch geimpfte Personen infizieren und tragen immer mehr zum Infektionsgeschehen bei. Schon seit Längerem arbeiten Impfstoff-Hersteller an einer Anpassung ihrer Covid-19-Impfstoffe an die neue Variante. Inwieweit es sinnvoll ist, sich trotz der Variante jetzt noch mit den bislang zugelassenen Covid-19-Impfstoffen grundimmunisieren zu lassen und auf welche Strategien man bei der Anpassung der Impfstoffe an Omikron setzt, diskutierten Experten am Freitag bei einer Veranstaltung des Science Media Center Deutschland.

Die gute Nachricht sei, dass eine durch Impfungen – am Besten mit Booster – erworbene Grundimmunität sehr gut vor schweren Covid-19-Verläufen auch bei Omikron-Infektionen schütze, berichtete Professor Dr. Leif Erik Sander von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das zeigten epidemiologische Daten aus Großbritannien. Daher sei es weiterhin wichtig, sich mit den bisher zugelassenen Coronaimpfstoffen immunisieren zu lassen, um sich vor solchen schweren Erkrankungen mit Hospitalisierung oder Tod zu schützen. Wie lange dieser Schutz anhalte, sei noch nicht bekannt. Sander geht davon aus, dass spezielle Risikogruppen wie Ältere und Immungeschwächte daher von einer weiteren Impfung mit einem Omikron-Impfstoff profitieren würden.

An solchen angepassten Impfstoffen wird bereits seit Monaten gearbeitet. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) habe als regulatorische Behörde schon die Weichen gestellt, um eine schnelle Umstellung auf an Varianten adaptierte Coronaimpfstoffe zu ermöglichen, berichtete der PEI-Präsident Professor Dr. Klaus Cichutek. Die Herstellerfirmen Moderna, Biontech/Pfizer und Janssen hätten bereits gewisse Teile der Herstellung auf Varianten-Impfstoffe umgestellt, um deren klinische Prüfung in den nächsten Wochen zu beginnen.

Für das zweite Quartal erwarte man, dass die für die Zulassung benötigten Daten vorliegen. Wann große Teile der Produktion oder die gesamte Herstellung auf einen adaptierten Impfstoff umgestellt würden, sei noch unklar. Hierzu sei eine globale Übereinkunft wichtig. Das entsprechende Signal sollte von der Weltgesundheitsorganisation ausgehen, so Cichutek.

Drei Impfungen zur Grundimmunisierung

Sander berichtete, dass erste Untersuchungen und eigenen Daten seiner Arbeitsgruppe zeigten, dass Doppeltgeimpfte, die Kontakt mit Omikron hatten, durch die Infektion ihre Immunantwort deutlich verbreitern können, sagte Sander, sodass sie ältere Varianten und Omikron gut neutralisieren können. Derselbe Effekt sei von einem Variantenimpfstoff zu erwarten.

Auch die Virologin Professor Dr. Ulrike Protzer von der Technischen Universität München (TUM) und  Helmholtz Zentrum München betonte, wie wichtig der mehrfache Kontakt des Immunsystems mit dem Erreger sei. Es sei ein früher Fehler in der Kommunikation gewesen, die zweifache Impfung als vollständige Impfung zu bezeichnen. Von vielen Erregern sei bekannt, dass ein zweifacher Kontakt mit dem Antigen nicht ausreiche und eine dritte Impfung zur Grundimmunisierung benötigt werde.

In einer Publikation, die in Kürze im Fachjournal »NEJM« erscheinen werde, sehe man, dass ein dritter Kontakt nicht nur zur Verbreiterung der Antikörperantwort führe, sondern auch zur Bildung von qualitativ hochwertigeren Antikörpern, die verstärkt am Antigen haften. »Diese erhöhte Avidität der Antikörper sieht man nach dem dritten Kontakt mit dem Antigen«, sagte Protzer. Immunologisch sei es hier egal, ob der Kontakt durch Impfung oder natürliche Infektion erfolge.

Omikron wird nicht die Impflücke schließen

Die Omikron-Welle werde mit Sicherheit die Immunantwort bei vielen Menschen verstärken – sowohl in Richtung Schutz vor Omikron, als auch insgesamt, sagte die Virologin. Eine vierte Impfdosis sei bei einigen Personengruppen wie Älteren und Immunsupprimierten sinnvoll, aber derzeit nicht generell zu empfehlen, zumal erste Daten aus Israel enttäuschend gewesen seien.

Auch Sander geht davon aus, dass die starke Zirkulation der Omikron-Variante die Grundimmunität der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 verbessere. Er warnte aber davor, darauf zu hoffen, dass Omikron die in Deutschland bestehende Impflücke, die es durch die vielen Ungeimpften noch gebe, schließt. »Das wird nicht passieren. Es ist eine Illusion, dass wir jetzt quasi in kurzer Zeit die Bevölkerung durch natürliche Infektionen immunisieren«, sagte er.

Wenn das passiere, breche nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch die gesamte kritische Infrastruktur zusammen, warnte der Experte. »Das ist überhaupt keine Strategie.« Natürlich werde das Virus weiter zirkulieren und nach und nach die Grundimmunität vieler erzeugen oder auffrischen. Dennoch gebe es gerade keine Alternative zur Impfung.

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