Mehr Nebenwirkungen nach zweiter Covid-19-Impfung |
Erschöpfung ist eine mögliche Nebenwirkung der Impfung mit Comirnaty. Sie tritt bei Geimpften im Alter bis 55 Jahren häufiger auf als bei älteren. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Grundsätzlich müssen alle Impfwilligen vor jeder Impfung über Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Covid-19-Schutzimpfung. Das Robert-Koch-Institut stellt ein entsprechendes Aufklärungsblatt auf seiner Internetseite bereit. Alle Verdachtsmeldungen auf Nebenwirkungen werden erfasst und künftig auf monatlicher Basis vom Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bewertet. Der erste Bericht soll Ende Januar veröffentlicht werden, kündigte die EMA heute an.
Mit bestimmten Nebenwirkungen ist häufig zu rechnen, wie bereits aus den Zulassungsstudien bekannt ist. Diese sind aber in der Regel nur leicht bis mäßig ausgeprägt und von kurzer Dauer. Darauf wies gestern noch einmal der Präsident des für die Impfstoffüberwachung zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Dr. Klaus Cichutek, in den »Tagesthemen« der ARD hin. »Erwartet werden Nebenwirkungen intensiver Art, häufigerer Art, ähnlich wie bei den Grippeimpfungen, vorwiegend bei Jüngeren und nach der zweiten Dosis. Aber diese sind alle vorübergehend und setzen keine Schäden«, fasste Cichutek zusammen.
Biontech selbst gab am Donnerstagabend bei einem Online-Seminar für Ärzte und Apotheker noch einmal einen detaillierten Überblick über die Nebenwirkungen, die in den Zulassungsstudien aufgetreten sind. Einer der Prüfärzte, Hausarzt und Internist Dr. Lars Pohlmeier aus Stuhr in der Nähe von Bremen, stellte dabei eine Auswertung der von den Probanden selbst gemeldeten Nebenwirkungen vor. Die Teilnehmer hatten eine App installiert, über die sie in den Tagen nach den Impfungen jeden Abend ihr Befinden mitteilen sollten. Unterließen sie dies, wurden sie angerufen. Am häufigsten waren demnach Schmerzen an der Einstichstelle gefolgt von Erschöpfung, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, Fieber und Durchfall.
8183 Probanden machten bis jeweils sieben Tage nach der ersten und der zweiten Dosis entsprechende Angaben. Fieber trat bei 3,7 Prozent der 16- bis 55-Jährigen und 1,4 Prozent der Über-55-Jährigen nach der ersten Impfung auf gegenüber 0,9 und 0,4 Prozent nach der Placeboimpfung. Nach der zweiten Impfung berichteten 15,8 Prozent der jüngeren und 10,9 Prozent der älteren Probanden nach der Verumimpfung über Fieber (Placebo: 0,5 und 0,2 Prozent).
Schüttelfrost kam häufiger vor: nach der ersten Impfdosis in der Verumgruppe bei 14,0 der Jüngeren und 6,3 Prozent der Älteren sowie in der Placebogruppe bei 6,4 und 3,2 Prozent; nach der zweiten Dosis bei 35,1 und 22,7 Prozent unter Comirnaty sowie 3,8 und 2,8 Prozent unter Placebo.
Unter Erschöpfung litten nach der ersten Dosis 47,4 Prozent der jüngeren und 34,1 Prozent der älteren Teilnehmer unter Verum (Placebo: 33,4 und 22,6 Prozent) gegenüber 59,4 und 50,5 Prozent nach der zweiten Dosis (Placebo: 22,8 und 16,8 Prozent).
Kopfschmerzen meldeten nach der ersten Dosis 41,9 der 16- bis 55-Jährigen und 25,2 Prozent der Über-55-Jährigen nach Comirnaty-Impfung (Placebo: 33,7 und 18,1 Prozent). Nach der zweiten Dosis waren dies 51,7 und 39,0 Prozent unter Verum gegenüber 24,1 und 13,9 Prozent unter Placebo.
Über Muskelschmerzen klagten nach der ersten Dosis 21,3 und 13,9 Prozent der mit Comirnaty Geimpften gegenüber 10,8 und 8,3 Prozent der Placebo-Geimpften. Nach der zweiten Dosis waren es 37,3 und 28,7 Prozent unter Verum sowie 8,2 und 5,3 Prozent unter Placebo. Etwas weniger Probanden litten unter Gelenkschmerzen: 11,0 und 8,6 Prozent unter Verum versus 6,0 und 6,1 Prozent unter Placebo nach Dosis 1 sowie 21,9 und 18,9 Prozent versus 5,2 und 3,7 Prozent nach Dosis 2.
Durchfall trat bei 11,1 und 8,2 Prozent der Teilnehmer nach der ersten Impfdosis auf (Placebo: 11,7 und 6,6 Prozent) sowie bei 10,4 und 8,3 Prozent nach der zweiten Dosis (Placebo: 8,4 und 6,0 Prozent). Die meisten gaben diese systemischen Symptome als leicht bis moderat an.
Rötungen und Schwellungen an der Einstichstelle traten dagegen etwas häufiger bei älteren als bei jüngeren Impflingen auf, insgesamt lag die Häufigkeit aber im einstelligen Prozentbereich mit nur geringen Unterschieden zwischen erster und zweiter Dosis. Schmerzen an der Einstichstelle waren das am häufigste berichtete unerwünschte Symptom: Darüber klagten nach der ersten Dosis 83,1 der 16- bis 55-Jährigen und 71,1 Prozent der Über-55-Jährigen (Placebo: 14,0 und 9,3 Prozent); in diesem Punkt gab es weniger Probleme nach der zweiten Dosis (77,8 und 66,1 versus 11,7 und 7,7 Prozent).
»Vor allem am Tag der Impfung selbst als auch am nächsten Tag ist also mit Nebenwirkungen zu rechnen«, so Impfarzt Pohlmeier. Die Beschwerden seien zwar vorübergehend, aber: »Es ist sicherlich sinnvoll, für die Nacht und den Tag nach der Impfung Ibuprofen 400 mg oder Paracetamol 500 mg bereit zu halten. Damit sind die Beschwerden gut beherrschbar.« Die Einnahme müsse auch nicht erst mit dem Arzt besprochen werden, solange die üblichen Hinweise und Kontraindikationen eingehalten würden.
Schwere unerwünschte Ereignisse seien in einer anderen Auswertung mit allen mehr als 40.000 Probanden äußerst selten gewesen. Unter den 21.621 Teilnehmern, die Comirnaty bekamen, kam es nach Dosis 1 zu 126 schweren unerwünschten Ereignisse (0,6 Prozent) gegenüber 111 unter den 21.631 Probanden der Placebogruppe (0,5 Prozent). In einen Zusammenhang mit der Impfung wurden dabei nur vier Ereignisse gebracht.
Zu den gelegentlichen Nebenwirkungen, die bei bis zu einem von 100 Behandelten auftreten können, zählen vergrößerte Lymphknoten, Unwohlsein, Gliederschmerzen, Schlaflosigkeit und Juckreiz an der Injektionsstelle. Als seltene Nebenwirkung (bis zu einer von 1000 Behandelten) trat ein vorübergehendes, einseitiges Herabhängen des Gesichts auf. Unbekannt sei noch die Häufigkeit schwerer allergischer Reaktionen.
Seit 2002 sind Coronaviren auch Nicht-Fachleuten bekannt. Vertreter dieser Virusfamilie lösten damals eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.