Mehr als nur ein Name? |
Einige Apotheken tun sich schwer mit dem »M-Wort«. / Foto: Picture Alliance/Uwe Zucchi
Die einen, das sind vor allem junge Aktivisten und Aktivistinnen, die in dem Namen eine rassistische Beleidigung sehen. Die anderen, das sind vor allem Apothekeninhaber und -inhaberinnen, die den Namen mit Tradition verknüpfen. Beide Lager scheinen verhärtet und führen verschiedene Argumente zur Begriffsherkunft und Interpretation des Namens an.
Im Sommer dieses Jahres ging die Black-Lives-Matter-Bewegung auch in vielen Städten des deutschsprachigen Raums auf die Straße. Die Proteste richteten sich nicht nur gegen die Ermordung des Afroamerikaners George Floyd und rassistische Polizeigewalt. Es ging auch darum, auf das Problem des institutionellen oder strukturellen Rassismus hinzuweisen, der derartige Taten begünstigt und ermöglicht. Plötzlich tauchte das Thema in Talkshows und in auflagenstarken Zeitschriften auf und erreichte auf diese Weise eine breite Öffentlichkeit. Im Zusammenhang mit dieser Diskussion wurden auch Apotheken mit dem Namen »Mohr« im Namen, die schon seit einigen Jahren in der Kritik stehen, verstärkt mit der Forderung ihrer Umbenennung konfrontiert.
Ähnliche Forderungen gibt es auch in anderen Bereichen, wie etwa bei bestimmten Firmenlogos oder der Mohrenstraße in Berlin. Dort nimmt man sich die Kritik zum Teil zu Herzen und stimmt einer Umbenennung zu. Im Ulmer Münster werden die Figuren der Heiligen Drei Könige in diesem Jahr nicht ausgestellt, da sie rassistische Stereotype bedienen. In einem Interview räumt der Dekan ein, dass dies schon früher hätte erkannt werden können. Letztendlich habe die Black-Lives-Matter-Bewegung für das Problem sensibilisiert. Auch einige Inhaber und Inhaberinnen betroffener Apotheken in Wien, Kiel und München gingen auf die Forderungen nach einer Umbenennung ein.
Wer eine Umbenennung befürwortet, verweist auf die rassistischen Verwicklungen des Worts »Mohr« beziehungsweise des M-Worts. Die Bedeutung des Worts »Mohr« hat sich in seiner mehrere hundert Jahre alten Geschichte gewandelt. Ein wichtiger Kritikpunkt ist, dass es sich hierbei um eine Fremdbezeichnung handelt. Europäisch geprägt, bezeichnete es zunächst Menschen aus dem äthiopischen Raum, später Menschen aus dem nordafrikanischen und spanischen Raum und schließlich Schwarze Menschen.
Es wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Ausdruck bereits im Mittelalter abwertend war. Im Christentum benutzten sie ihn damals für das Feindbild der Mauren. Mit dem europäischen Kolonialismus und dem Sklavenhandel wurde der Begriff dann anders abgesteckt. Wie im Nachschlagewerk »Afrika und die deutsche Sprache« von Susan Arndt und Antje Hornscheidt zusammengefasst, wird der Begriff infolgedessen heute mit Schuld, mit dem Bild des »noblen Wilden« und mit der Vorstellung des unterwürfigen afrikanischen Dieners in Verbindung gebracht.1
Die letztgenannte Assoziation kommt auch in zahlreichen Logos von M-Apotheken zum Ausdruck. Hier werden »Mohren« in unterwürfiger Pose, beispielsweise eine Schale herbeitragend, und in stereotypisierender Weise mit großen Lippen, Ohrringen und Federschmuck gezeigt. In diesen Verbildlichungen wird vielleicht am deutlichsten, wie sehr das M-Wort mit der kolonialen Ausbeutung von Schwarzen Menschen verwoben ist. Es lässt sich nicht von der Kolonialgeschichte und einem europäischen Überlegenheitsdenken trennen.
Während für das 16. Jahrhundert ungewiss ist, wie das M-Wort in Apothekennamen gemeint war, stellt sich diese Frage für spätere Jahrhunderte nicht. Hier ist gut belegt, dass der »Mohr« rassistisch aufgeladen wurde. Die Namen sind Ausdruck eines strukturellen oder institutionellen Rassismus, der sich in den öffentlichen Raum eingeschrieben hat.
In den letzten Jahren hat die kritische Auseinandersetzung mit dem M-Wort und den entsprechenden bildlichen Darstellungen dazu geführt, dass es im öffentlichen Raum allmählich ersetzt wird. Betroffene Apothekeninhaber und -inhaberinnen weisen den Vorwurf des Rassismus jedoch oft mit einem Verweis auf die Pharmaziegeschichte von sich. Demnach bringe das Wort »Mohr« in Apothekennamen eine Ehrung der Mauren zum Ausdruck, die im Mittelalter pharmazeutisches Wissen nach Europa brachten.
Bei dieser Erklärung wird die etymologische Herleitung des Begriffs betont. Das Wort »Mohr« wird hier vom lateinischen Wort »maurus« abgeleitet, das mit »mauretanisch« oder »afrikanisch« übersetzt wird. Dies fungiert oft als Beleg dafür, der jeweilige Name könne nicht rassistisch sein. Nicht beachtet wird hingegen, dass das Wort »Mohr« ebenfalls aus dem griechischen »moros« für »töricht«, »dumm«, »gottlos«, »einfältig« abgeleitet werden kann.
Mehrere Inhaber und Inhaberinnen betroffener Apotheken geben auch zu erkennen, dass Aufwand und Kosten der Umbenennung häufig im Wege stehen. Aber letztendlich geht es nicht alleine um die etwa 100 »Mohren«-Apotheken hierzulande, sondern auch um die Apotheke allgemein, die dadurch in ein schlechtes Licht gerückt werden könnte.
Wie steht es nun um das zunächst plausibel erscheinende Argument, das Wort »Mohr« bringe in Apothekennamen eine Ehrung der Mauren zum Ausdruck? Angesichts der Selbstsicherheit, mit der das Argument vorgetragen wird, überrascht es, dass sich die Pharmaziegeschichte bislang nicht sehr ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt hat, wie die M-Apotheken zu ihren Namen kamen.
Konrad Krause und Monika Hagen behandeln die Frage im Zusammenhang einer allgemeinen Auseinandersetzung mit Apothekennamen. Krauses Artikel von 1938 führt die Namen auf Hausnamen zurück.2 In der 1969 publizierten Studie von Monika Hagen stehen sie für die Heiligen Drei Könige.3 Allerdings stellt Hagen auch fest, dass Apothekennamen durchaus mehrdeutig waren und sich die Beweggründe für die Namensgebung aufgrund der Quellenlage kaum nachvollziehen lassen.4
Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Ethnologe und Religionswissenschaftler Peter J. Bräunlein.5Bräunlein, der neben den M-Apotheken auch das den Kopf eines Schwarzen darstellende Wappen der Tucher behandelt, zieht in seiner 1991 erschienenen Publikation mehrere Erklärungen in Betracht. Während er bezüglich der ältesten überlieferten M-Apotheken keine Zusammenhänge zum Heiligen Mauritius und zu Heilmitteln aus fernen Ländern sieht, hält er eine Ableitung von den Heiligen Drei Königen für möglich. Und zwar könnte der Name für Caspar stehen, der als der Überbringer der heilsamen Myrrhe und als Verkörperung der Jugend galt.6 Letztendlich kann aber auch Bräunlein keine klare Antwort auf die Frage geben, warum die ersten »Mohren«-Apotheken im 16. Jahrhundert so genannt wurden. Seitdem wurde die Frage nicht weiter erforscht.
Auf der Grundlage pharmaziehistorischer Studien muss also zunächst ungewiss bleiben, warum die ersten M-Apotheken so genannt wurden. Ohne Zweifel war der Einfluss der Mauren sehr wichtig für die europäische Pharmazie. Aber wurden »Mohren« zu dieser Zeit mit den Mauren assoziiert oder standen sie eher allgemein für Schwarze? Zudem ist das Auftreten des M-Worts im öffentlichen Raum kein apothekenspezifisches Phänomen. Auch Wirtshäuser und Straßen wurden damals so benannt. Manche Wappen schlossen den Kopf eines Schwarzen Menschen mit ein. Hinsichtlich dieser »Ursprungsfrage« besteht Forschungsbedarf.
Die Pharmaziegeschichte steht an diesem Punkt vor vielen offenen Fragen. Es gilt zu erforschen und wissenschaftlich zu belegen, woher diese Namen kommen und welche Bedeutungen ihnen über die Jahrhunderte zukamen. Ein Forschungsprojekt in der Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte der TU Braunschweig soll diese Fragen beleuchten.
Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte,
TU Braunschweig,
Beethovenstr. 55, 38106 Braunschweig,
E-Mail-Adresse: apothekennamen(at)posteo.net