Medikamente per Lostrommel |
Per Los sollten knappe Arzneimittel wie beispielsweise Remdesivir innerhalb der USA an Patienten vergeben werden, fordern die Mediziner und Wissenschaftler Douglas White und Derek Angus von der Universität Pittsburgh. / Foto: Getty Images/belchonock
Bislang haben insbesondere Lieferschwierigkeiten und Engpässe die Diskussion um Medikamente gegen Covid-19 dominiert. Nun schlagen ein US-amerikanischer und ein britischer Wissenschaftler vor, das Problem zu lösen, in dem der Zufall über die Vergabe der Arzneimittel entscheidet.
Die Idee des Artikels »A Proposed Lottery System to Allocate Scarce COVID-19 Medications«: Ein Lotterie-System, das die Zuteilung von knappen Medikamenten, die nicht für alle Patienten ausreichen, auslost. Denn die Mediziner Douglas White und Derek Angus der University of Pittsburgh School of Medicine finden, dass die derzeitige Verteilungspraxis von beispielsweise Remdesivir als Medikament gegen Covid-19 problematisch ist. Sie kritisieren die aktuelle »first-come, first-served«-Strategie der US-Bundesstaaten. Einerseits ist die Verteilung der knappen Medikamente an die Patienten bei diesem Verfahren ungerecht, andererseits vergibt es die Chance, daraus Wissen über die mögliche Reduzierung der Mortalitäts- und Morbiditätsrate abzuleiten. Auch welchen Patientengruppen das Medikament am besten helfe, könne nicht gemessen werden, so die Wissenschaftler.
Wie das Lotterie-System genau aussehen könnte, erklären White und Angus konkret für den US-amerikanischen Kontext. Die Lotterie – und damit die entsprechende Wahrscheinlichkeit das Medikament zu erhalten – müsste erst auf Grundlage der vorhandenen Daten berechnet werden. Einbezogen wird dabei, wie viele Dosen des Medikaments verfügbar sind, hier am Beispiel Remdesivir, sowie die zu erwartete Anzahl von Coronavirus-Infektionen für den Zeitraum, für den der Arzneimittel-Vorrat ausreicht.
Die Zuständigkeit für das Lotterie-System sollte laut Autoren bei den US-Bundesstaaten liegen. Denn diese verfügen über einen Gesundheitsbeauftragten, der die Auslosungen koordinieren könnte. An dieser zentralen Stelle könnte ein Register, dass alle demographischen und klinischen Erkenntnisse aus den Krankenhäusern festhält, aufzeigen, welche Patienten für die Lotterie in Frage kommen.
Das Ziel der Lotterie soll dabei eine faire Verteilung von knappen öffentlichen Mitteln sein, heißt es. Zudem funktioniere die Medikamentenvergabe über dieses System randomisiert. Das Vorhaben entspräche einem Experiment und dementsprechend könnten Aussagen über die kausalen Effekte der Wirkung des Medikaments im Nachgang getroffen werden, heben die Wissenschaftler hervor.
Trotz der Zufälligkeit wäre es möglich, auch bestimmte Public Health-Ziele in die Wahrscheinlichkeiten miteinzubeziehen, indem etwa bestimmte Gruppen, die besonders hart von der Pandemie betroffen sind, bevorzugt werden.
Verglichen mit dem möglichen Ergebnis, wäre der zusätzliche bürokratische Aufwand von Seiten der Bundesstaaten relativ klein, argumentieren White und Angus. Sie gehen sogar einen Schritt weiter und sind der Überzeugung, dass die Randomisierung der Medikamentenvergabe den Verwaltungsaufwand in den US-Kliniken im Vergleich zu einem strikten Medikamentenvergabeprotokoll erheblich reduzieren könnte.
Ende 2019 hatte der Schweizer Pharmakonzern Novartis ein ähnliches Vorgehen vorgeschlagen. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kritisierte damals, das teure Medikament Zolgensma™ über die Lostrommel zu verteilen. Das Paul-Ehrlich-Institut gab jedoch grünes Licht.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.