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PhiP im HV

Medikamente auf Reisen

Sommerzeit ist Urlaubszeit. Was es bei der pharmazeutischen Beratung von Urlaubern in spe zu beachten gilt, verrät der 17. Teil der Campusserie »PhiP im HV«. 
Laura Rudolph
01.08.2022  09:00 Uhr

In Deutschland sind Arzneimittel sicher und gut verfügbar – im Ausland leider nicht immer. Je nach Urlaubsziel ist es daher sinnvoll, sich mit einer Reiseapotheke für häufige gesundheitliche Beschwerden auf Reisen zu wappnen. Vor Reiseantritt sollte zudem dafür gesorgt sein, dass alle dauerhaft individuell benötigten Medikamente ausreichend vorhanden sind. Außerdem gilt: andere Länder, andere Krankheiten. Entsprechende Vorsorgemaßnahmen wie Impfungen oder eine Chemoprophylaxe können abhängig vom Reiseziel ratsam sein.

Typische Reisebeschwerden (Wirkstoff-)Beispiele für die Packliste
Übelkeit und Erbrechen Dimenhydrinat, Diphenhydramin, Ingwerpräparate, Scopolamin-Pflaster (rezeptpflichtig)
Durchfall Prophylaxe: Probiotika
Akutversorgung: Elektrolytpulver, Kohletabletten, Loperamid, Racecadotril
Verstopfung Macrogol, Lactulose, Bisacodyl, Natriumpicosulfat
Sodbrennen Hydrotalcit, Magaldrat, Natriumalginat, Pantoprazol, Omeprazol, Calciumcarbonat/Magnesiumcarbonat
Schmerzen und Fieber Paracetamol, Ibuprofen
Allergie Cetirizin, (Des)loratadin, Dimetinden
Wunden und Verbrennungen sterile Wundauflagen, elastische Binden, Pflaster, Blasenpflaster, Wundschnellverbände, Schere, Pinzette, Wunddesinfektionsmittel, Brandgel
Insektenstiche Prophylaxe: Repellenzien
Akutversorgung: Topika mit Dimetinden oder Tripelennamin, niedrig dosierte Hydrocortisoncreme
Ohrenschmerzen auf Flugreisen abschwellendes Nasenspray
Sonstiges befeuchtende Augentropfen, Händedesinfektionsmittel, Fieberthermometer, Ohrstöpsel, Sonnenschutz- und After-Sun-Präparate
Reiseapotheke

Medikamente: Handgepäck oder Koffer?

Dringend während der Reise benötigte Medikamente gehören auf Flugreisen ins Handgepäck. Koffer können verloren gehen und lebenswichtige Arzneimittel mit ihm. Für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel im Handgepäck benötigen Reisende ein Attest oder Rezept des verschreibenden Arztes, das den Bedarf nachweist. Selbiges gilt für Hilfsmittel wie Pen-Nadeln. Besonders strengen Regelungen unterliegen Flüssigkeiten im Handgepäck. Dazu zählen nach europäischer Verordnung auch halbfeste Arzneiformen sowie Dosieraerosole. Ein Flüssigkeitsbehältnis darf maximal 100ml fassen und alle Behältnisse insgesamt müssen in einen transparenten, wiederverschließbaren 1-Liter-Plastikbeutel passen.

Von dieser Regelung ausgenommen sind flüssige Medikamente oder Spezialnahrung, die Reisende während des Flugs benötigen. Diese Präparate dürfen Betroffene zusätzlich in der für die Flugdauer erforderlichen Menge im Handgepäck mitführen. Auch hier benötigen sie ein Attest, das das Mitführen allerdings nicht garantiert. Wer sichergehen möchte, informiert sich vorab bei der Fluggesellschaft. Das gilt auch in Bezug auf Kühlakkus zum Transport kühlpflichtiger Arzneimittel. Kühlakkus sollten Arzneimittel nie direkt berühren, sondern zum Beispiel durch ein Stück Karton oder ein Tuch abgeschirmt werden. Es gibt zudem spezielle Medikamenten-Kühltaschen.

Sonderfall Betäubungsmittel

Reisende benötigen zur Ein- und Ausfuhr von Betäubungsmitteln (BtM) verschiedene Dokumente:

  • Bei Reisen in Mitgliedsstaaten des Schengener Abkommens: Reisende benötigen vom verschreibenden Arzt eine Bescheinigung nach Artikel 75 des Schengener Durchführungsübereinkommens. Sie ist durch die oberste Landesgesundheitsbehörde oder eine von ihr beauftragte Stelle zu beglaubigen und gilt für maximal 30 Tage. Sie ist für jedes einzelne BtM gesondert auszustellen.
  • Bei Reisen in Länder außerhalb des Schengenraums: Da es keine international einheitlichen BtM-Mitnahmeregelungen gibt, ist es unbedingt ratsam, sich vor Reisebeginn bei der jeweiligen diplomatischen Vertretung des Ziellandes in Deutschland nach den Formalitäten zu erkundigen.
  • Beim Mitführen von Substitutionsmitteln: Sofern dies ärztlich vertretbar ist, kann ein Arzt eine Verschreibung über ein Substitutionsmittel für maximal 30 Tage aushändigen. In manchen Ländern ist die Einfuhr allerdings verboten. Auch hier empfiehlt es sich dringend, sich bei der zuständigen diplomatischen Vertretung des Ziellandes in Deutschland zu erkundigen.

Tipps für bestimmte Personengruppen

Patienten, die Antikoagulantien einnehmen, sollten wissen: Ungewohnte Hitze kann die Blutgefäße weiten und die Blutgerinnung erschweren. Zudem ist wichtig, die Einnahmezeitpunkte bei Fernreisen an die Zeitverschiebung anzupassen. Das sollten auch Menschen mit Diabetes bedenken. Für sie ist außerdem ratsam, die während des Urlaubs benötigte Menge an Medikation vorab mit dem Arzt abzusprechen.

Menschen mit erhöhtem Thromboserisiko sollte pharmazeutisches Personal vor langen Flugreisen auf prophylaktische Maßnahmen wie Thrombosestrümpfe oder medikamentöse Prophylaxe, über die ein Arzt entscheidet, hinweisen. Ein erhöhtes Risiko liegt zum Beispiel bei Thromboseanamnese, Blutgerinnungsstörungen, starken Krampfadern, immobilisierten Extremitäten oder während der Schwangerschaft vor. Während des Flugs empfiehlt es sich, die Extremitäten regelmäßig zu bewegen.

Kürzlich operierte Menschen sollten Flugreisen frühestens antreten, wenn die Operationsnarben so stabil sind, dass sie der Druckdifferenz beim Fliegen standhalten. Das ist meist nach drei bis sechs Wochen der Fall. Wer in der Vergangenheit einen Herzinfarkt erlitten hat, sollte sich vor einer Flugreise ärztlich untersuchen lassen. Herzschrittmacher hindern nicht am Fliegen, sind allerdings am Sicherheitscheck zu melden.

Malariaprophylaxe

Bei Reisen in Malaria-Risikogebiete kann das Apothekenteam neben der Chemoprophylaxe, die ein Arzt verordnen kann, auf die Expositionsprophylaxe hinweisen. Dazu gehört, möglichste lange, helle, stichfeste oder mit Insektiziden wie Permethrin imprägnierte Kleidung zu tragen. Auf unbedeckte Haut sollten Repellenzien aufgetragen werden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt N,N-Diethyl-m-toluamid (DEET) in einer Konzentration von 30 bis 50 Prozent. Zur Nacht sollten Reisende ein etwa mit Permethrin oder Cyfluthrin imprägniertes Mosquitonetz über dem Bett aufhängen. Kommt es bei Reisenden in Risikoregionen trotz Vorsorgemaßnahmen zu Kopf- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit sowie zu unregelmäßigem Fieber oder Durchfall, sollten sie schnellstens einen Arzt aufsuchen.

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