Mangelernährung gefährdet Therapieerfolge |
Essen soll Genuss bereiten – und den Körper stärken. Das ist insbesondere vor Eingriffen im Krankenhaus wichtig. / Foto: Getty Images/Ian Hooten/SPL
Zahlreiche Menschen, vor allem Ältere, gelten als mangelernährt. Ob fehlender Appetit, Kau- und Schluckbeschwerden, Übelkeit, Therapie-Nebenwirkungen oder ein erhöhter Energieverbrauch bei auszehrenden Erkrankungen – die Ursachen sind vielfältig. Die Prävalenz der Mangelernährung bei Aufnahme ins Krankenhaus beträgt laut Studien zwischen 20 und 60 Prozent, auch in Abhängigkeit von den Lebensjahren.
Eine gezielte Ernährungstherapie kann die Heilungs- und auch Überlebenschancen kranker Menschen wesentlich steigern, betont Professor Dr. Anja Bosy-Westphal, Kiel. Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) fordert daher die verbindliche Einführung der professionellen Bestimmung des Ernährungsstatus zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme und – sollte es sich als notwendig erweisen – die gleichzeitige Einleitung einer gezielten Ernährungstherapie.
Die Erhebung des Ernährungsstatus müsse fester Bestandteil jeder ärztlichen Erst-Untersuchung und Anamnese sein, damit bereits manifeste oder drohende Ernährungsdefizite rechtzeitig erkannt und die Prognose durch entsprechende ernährungstherapeutische Maßnahmen verbessert werden kann, unterstreicht Bosy-Westphal in einem aktuellen DGEM-Statement.
Das Ausmaß, in dem Klinikpatienten an Mangelernährung leiden, werde noch immer unterschätzt, zumal längst nicht jeder mangelernährte Patient auch untergewichtig sei, so die Ökotrophologin mit Verweis auf eine bereits Ende vergangenen Jahres in »The Lancet« erschienenen Übersichtsarbeit, die erneut die große Bedeutung des professionellen Screenings auf Mangelernährung als klinisches Standardinstrument belege.
Auf der Grundlage von Erkenntnissen zu längerfristigen oder auch plötzlichen Gewichtsveränderungen, zur Art der Nahrungszufuhr, zum gegebenenfalls verminderten Ausmaß der Leistungsfähigkeit, aber auch zu gastrointestinalen Symptomen, der Beschaffenheit des Unterhautfettgewebes, der Muskelmasse oder Ödeme lässt sich der Allgemein- und der Ernährungszustand des Patienten einschätzen.
Validierte, von der DGEM und internationalen Fachgesellschaften empfohlene Screening-Instrumente bezögen darüber hinaus auch die Schwere der Krankheit mit ein – denn wer das Bett nicht verlassen kann oder gar auf der Intensivstation behandelt werden muss, sei noch einmal mehr von Mangelernährung bedroht als weniger stark erkrankte Menschen.
Zu den bewährten Screening-Instrumenten zählen unterschiedliche Tools wie etwa der Nutritional Risk Score (NRS), das Mini Nutritional Assessment (MNA), das Malnutrition Universal Screenings Tool (MUST) oder die Subjektive Global Assessment (SGA)-Methode mit Erfassungsbögen nicht nur für Krankenhäuser, sondern auch für den ambulanten Bereich und speziell für geriatrische Patienten.
Basierend auf den Ergebnissen, so Bosy-Westphal, muss der individuelle Nährstoffbedarf bestimmt und in entsprechenden Ernährungsplänen festgehalten werden. »Im Idealfall können die so definierten Ernährungsziele mit Hilfe von Mahlzeiten, Snacks und proteinreichen Shakes erreicht werden, die den Vorlieben des Patienten angepasst sind«, sagt die DGEM-Vorsitzende.
Bei speziellen Indikationen hingegen könne eine (zusätzliche) Verabreichung von Nährstoffen per Magensonde oder Infusion unumgänglich werden. »Gutes Essen ist von zentraler Bedeutung für Wohlbefinden und Lebensqualität. Das gilt unumstritten für Gesunde – noch viel mehr muss es für Menschen gelten, die mit einer Krankheit zu kämpfen haben«, betont die DGEM.