Lauterbach steht Rede und Antwort |
Ev Tebroke |
14.09.2022 17:10 Uhr |
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach war heute online beim DAT zugeschaltet und nahm sich nach seinen Grußworten Zeit, um mit den Apothekerinnen und Apothekern zu diskutieren. Usula Funke, Präsidentin der hessischen Landesapothekerkammer, forderte hinsichtlich des GKV-Spargesetzes eine Kurskorrektur. / Foto: PZ/Alois Mueller
Er wurde mit Spannung erwartet: Der Auftritt und die anschließende Rede von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag (DAT) in München. Erstens hatte sich Lauterbach rar gemacht und sich vor ein paar Tagen zum ersten Mal überhaupt mit Vertretern der ABDA ausgetauscht. Zweitens ist die Apothekerschaft absolut empört über die mit dem geplanten Spargesetz zur Stabilisierung der Kassenfinanzen angedachten Einsparungen auf Apothekenseite. Um das auf 17 Milliarden Euro geschätzte Finanzdefizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu beseitigen, sollen auch die Apotheken ihren Beitrag leisten. Dazu soll der Abschlag, den sie pro Rx-Packung an die Kassen abführen müssen, von derzeit 1,77 Euro für zwei Jahre auf 2 Euro ansteigen. 170 Millionen Euro will Lauterbach so einsparen. »Effizienzreserven heben« heißt es dazu im Gesetz.
Das stößt den Apothekerinnen und Apothekern übel auf: »Wir haben keinen Effizienzreserven«, betonte etwa die Präsidentin der hessischen Landesapothekerkammer,Ursula Funke, gegenüber dem Minister. Sie unterstrich, wenn er die Struktur der wohnortnahen Apotheken erhalten wolle, dürfe kein Geld aus dem Versorgungssystem fließen, sondern das Gegenteil sei notwendig. Sie erinnerte an das politische Versprechen, die Vor-Ort-Apotheken stärken zu wollen. Dieses politische Bekenntnis, manifestiert im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG), wird aus Sicht der Apothekerinnen und Apotheker mit der drohenden Vergütungskürzung konterkariert. »Korrigieren Sie diesen Fehler, Herr Minister!«, forderte Funke unter Beifall.
Lauterbach zeigte Verständnis für den Unmut, betonte aber, dass alle am GKV-System beteiligten Gruppen zur Stabilisierung der Kassenfinanzen herangezogen werden müssten. »Ich hätte es Ihnen gern erspart«, betonte er – sicher auch im Hinblick auf die wichtige Rolle, die er den Vor-Ort-Apotheken im Gesundheitswesen zuspricht, und für deren Unterstützung er sich zuvor in seinen Grußworten ausgiebig bedankt hatte. Aber es sei nicht anders möglich gewesen. Grundlage sei es stets gewesen, bei den Sparbelastungen nur an Leistungen heranzugehen, wo sich durch die Kürzungen, respektive die »Hebung der Effizienzreserven«, die Gesundheitsversorgung nicht verschlechtere. Gleichzeitig würde geschaut, welche Bereiche es gibt, um die Kürzungen an anderer Stelle zu kompensieren.
Bei den Apotheken hat der Minister dabei nach eigenen Angaben die Hochpreiser im Sinn. Das gesamte Arzneimittel-Preisvolumen, das über die Apotheken abgegeben würde, wachse und damit könne man auch von einer stabilen oder auch wachsenden Einnahmebasis sprechen. Diese Einschätzung stieß auf Apothekenseite auf Unverständnis. Hannes Müller, Vorstandsmitglied der Bundesapothekerkammer (BAK), rechnete dem Minister hier eine Fehleinschätzung vor. Seit 2019 bis 2021 sei das Teilergebnis der GKV trotz gleichbleibendem Fixhonorar der Apotheken um 5000 Euro gesunken von 84.000 auf 79.000 Euro, obwohl auch in diesen Jahren der Packungspreis im Schnitt und die Hochpreiser massiv zugenommen hätten (Quelle: ABDA-Zahlen-Daten-Fakten). Fazit: Durch wegfallende Packungen sei deutlich mehr Effekt zu spüren als durch ein paar Hochpreiser, die noch teurer würden. Lauterbach entgegnete, ihm lägen im Ministerium andere Zahlen als Grundlage für seine Berechnungen vor, versprach aber, diese Kompensationsmöglichkeit noch einmal zu prüfen.
Grundsätzlich will der Minister nach eigenen Angaben künftig die Rolle der Apotheke als pharmazeutischen und auch medizinischen Dienstleister stärken. Deshalb könne er sich auch gut vorstellen, dass die Apotheken mit den bundesweit geplanten 1000 Gesundheitskiosken verstärkt kooperieren. Damit entgegnete er auf eine Frage von Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin. Sie wollte einerseits wissen, warum statt in Gesundheitskioske in städtischen Problemgebieten nicht zuerst in die Services der dort ebenfalls ansässigen Apotheken investiert würde. Zudem wundere es sie, dass die Apotheken bislang nicht in die Planung der Gesundheitskioske einbezogen wurden.
Lauterbach betonte, die Kioske würden auf jeden Fall kommen. Sie wären keine Maßnahme gegen die Apotheken, sondern verkörperten eine Struktur, die an die Apotheken andocken könnten. Die Kioske böten vieles an, was man in den Brennpunktgebieten bündeln müsse, weil es dort zu wenig Kliniken, Ärzte und auch Apotheken gebe. Lokale Kooperationen mit den Apotheken habe er jüngst selbst angeregt.
Lauterbach favorisiert die Rolle des Versorgungsapothekers, wie er selbst betont. Vorbild sind ihm hier die Apotheker in den USA, wo er lange gelebt hat. Der Heilberuf des Apothekers müsse stärker auf den Versorgungsaspekt ausgerichtet werden. Ginge es nach ihm, sollte die Vorbereitung auf diese Rolle auch zentraler Bestandteil des Pharmaziestudiums sein, sagte der Minister mit Blick auf die Frage aus dem Auditorium, ob er eine Notwendigkeit für eine Reform des Pharmaziestudiums sehe.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bedankt sich im Anschluss an die Diskussion für die konstruktive Atmosphäre und die vom Minister jüngst bei dem Treffen bekräftigte Absicht, die Gespräche mit der ABDA in Zukunft intensivieren zu wollen. »Nutzen Sie unsere Expertise. Nutzen Sie, was wir an Kraft auf die Straße bringen können.«