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Brennende Schmerzen

Lästig, quälend oder alarmierend

Schmerzen sind ein wichtiges Warnsignal des Körpers. Brennende Schmerzen begleiten eine Reihe von akuten und chronischen Erkrankungen und können sehr quälend sein. Auch Medikamente kommen als Auslöser infrage. Die Apotheke kann die Betroffenen unterstützend beraten.
Barbara Staufenbiel
12.03.2023  08:00 Uhr

Unter Nozizeption versteht man die durch bestimmte Rezeptoren (Nozizeptoren) vermittelte Wahrnehmung eines Reizes aus schmerzempfindlichem Gewebe sowie die Weiterleitung dieses Reizes über das Rückenmark bis in das Zentralnervensystem (ZNS). Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen und reagieren auf thermische und mechanische Reize; deren Weiterleitung wird beeinflusst durch zahlreiche Botenstoffe wie Prostaglandine, Serotonin, Histamin oder Neuropeptide. Hier greifen verschiedene Arzneimittel (nicht-steroidale Antirheumatika, Antikonvulsiva, Antidepressiva) zur Schmerzlinderung an.

Nozizeption und Schmerz sind nicht identisch. Während der Schmerz immer verbunden ist mit Nozizeption, bedeutet Nozizeption auch die Weiterleitung von Wahrnehmungen aus schmerzunempfindlichen Geweben. Neuropathische und psychogene Schmerzen entstehen unabhängig von einer Aktivierung der Nozizeptoren.

Dauern Schmerzen länger als drei Monate an, kann sich ein chronisches Schmerzsyndrom entwickeln. Es entsteht das Schmerzgedächtnis mit verringerter Schmerzschwelle und intensiveren Schmerzen. Um dies zu verhindern, sollten Schmerzmittel rechtzeitig und ausreichend dosiert verabreicht werden. Darauf kann das Apothekenteam hinweisen, muss aber auch dringend zum Arztbesuch raten, wenn Alarmsymptome auftreten oder sich die Beschwerden nicht innerhalb von zwei bis drei Tagen deutlich bessern.

Die Schmerzempfindung wird individuell beeinflusst von genetischer Disposition, Erwartungshaltung, Lebensumständen und Emotionen. Somatische Schmerzen werden oft hell und stechend wahrgenommen, viszerale Schmerzen eher dumpf und drückend, neuropathische Schmerzen dagegen brennend und einschießend. Brennender Schmerz ist nicht immer neuropathisch bedingt, sondern kann viele Ursachen haben (Tabelle 1).

Brennende Schmerzen Ursache
Kopf Trigeminusneuralgie, Begleitsymptom anderer Kopfschmerzarten
Hals virale Infektionen, Scharlach-Exanthem, Mononukleose, Sinusitis, falsche Inhalationstechnik von Corticoiden, Chemotherapie, Reflux
Augen Entzündung des Sehnervs, Infektionen der Augenbindehaut, verminderte Tränenflüssigkeit
Haut Gürtelrose, Sonnenbrand, Verbrennung
Muskeln Myopathie, Muskelverspannungen
Brustbein Herzinfarkt, Refluxkrankheit (erosiv und nicht-erosiv: GERD und NERD), Refluxösophagitis
Bauch Bauchfellreizung, akute oder chronische Gastritis, Pankreatitis, Divertikulitis
Harnblase Zystitis, interstitielle Zystitis, Urethritis, Harnblasensteine
Füße Polyneuropathie, Vaskulitiden, Tarsaltunnelsyndrom am Innenknöchel
Zunge Vitamin-B12-Mangel
Tabelle 1: Brennende Schmerzen an verschiedenen Organsystemen und mögliche ­Ursachen

Quälende neuropathische Schmerzen

Sind Nervenstrukturen des Zentralnervensystems oder der Peripherie entzündet oder krankhaft verändert, resultiert eine Übererregbarkeit dieser Nerven. Verschiedene pathophysiologische Mechanismen können zugrunde liegen. Ursachen sind eine genetische Veranlagung, Vitaminmangel (Vitamin B12, B6) oder -überdosierung (Pyridoxin), Alkohol, Toxine (Arsen, Blei, Quecksilber), Erkrankungen (Diabetes, Gürtelrose) und Medikamente (arzneimittelbedingte Neuropathien) sowie immunologische Vorgänge. Es kommt im ZNS zu neuroplastischen Veränderungen mit Störungen der erregenden und hemmenden Neuronen.

Um nozizeptive oder neuropathische Schmerzen voneinander abgrenzen zu können, ist eine sorgfältige leitlinienbasierte Diagnostik wichtig. Dabei sind verschiedene Abstufungen neuropathischer Schmerzen möglich, periphere von zentralen zu unterscheiden sowie zu berücksichtigen, dass es gemischte Schmerzsyndrome mit nozizeptiven und neuropathischen Komponenten gibt (Tabelle 2, Seite 32).

Schmerzhafte Neuropathie Erkrankungen und Auslöser (Beispiele)
peripher, fokal oder multifokal postzosterische Neuralgie
Phantomschmerz
Trigeminusneuralgie
Bandscheibenvorfall
degenerative Wirbelsäulenveränderungen
diabetische Mononeuropathie
Engpass-Syndrome
peripher, generalisiert Diabetes mellitus, Hypothyreose, Vitaminmangel
Medikamente: antiretrovirale Substanzen, Chemotherapeutika (Cisplatin, Oxaliplatin, Taxane, Thiouracil, Vincristin), Disulfiram, Antibiotika (Ethambutol, Isoniazid, Nitrofurantoin, Chloramphenicol, Metronidazol), Thalidomid, Gold
Toxine wie Alkohol, Acrylamid, Arsen, Clioquinol, Dinitrophenol, Ethylenoxid, Pentachlorphenol, Thallium
genetische Disposition
infektiös oder postinfektiös, autoimmunologisch
Malignom
zentrale Ursachen Entzündungen: Multiple Sklerose, Abszesse, Myelitis
Hirninfarkt, Blutungen, Traumata
»Mixed Pain«-Syndrome chronische Rückenschmerzen
Tumorschmerzen
Tabelle 2: Klassifikation neuropathischer Schmerzen nach der S2k-Leitlinie »Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen«, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Stand Juni 2022

Seit 2019 zeigt die aktuelle S2k-Leitlinie »Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen« der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) verschiedene Behandlungsoptionen auf. Die Therapie richtet sich auch nach den bestehenden Grunderkrankungen; so sollte ein Diabetes optimal eingestellt werden.

Mittel der ersten Wahl sind die Antikonvulsiva Gabapentin und Pregabalin sowie trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Nortriptylin, Clomipramin und Imipramin. Hier wird zur Schmerzreduktion eine deutlich niedrigere Dosis benötigt als für die antidepressive Wirkung. Mittel erster Wahl ist auch der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin, der allerdings nur bei schmerzhafter diabetischer Polyneuropathie zugelassen ist und ansonsten im Off-Label-Use eingesetzt wird. Topika wie Lidocain-5-Prozent- und Capsaicin-8-Prozent-Pflaster sind bei lokalen neuropathischen Schmerzen Mittel zweiter Wahl, können laut Leitlinie aber auch zur Erstlinientherapie erwogen werden.

Medikamente dritter Wahl sind niederpotente Opioide wie Tramadol, höher potente Opioide mit besonderer Indikation und off Label Botulinumtoxin bei lokalen Schmerzen. Carbamazepin und Oxcarbazepin sind bei geringer Evidenz nur in Einzelfällen zu empfehlen. Carbamazepin ist jedoch weiterhin erste Wahl bei Trigeminusneuralgie. Die Leitlinie sieht den Nutzen von Cannabinoiden eher gering, bei Therapieversagen können sie off Label mit anderen Schmerzmitteln kombiniert werden.

Aufgrund der neuroplastischen Veränderungen können neuropathische Schmerzen medikamentös nur etwa um 30 Prozent reduziert werden. Gegebenenfalls sollte ein Wechsel der Medikation versucht werden. Der Patient sollte in der Apotheke über potenzielle starke Nebenwirkungen informiert werden, um die Adhärenz nicht zu gefährden. Ebenso sollte er wissen, dass manche Medikamente zeitverzögert wirken oder bis zur vollständigen Wirkung auftitriert werden müssen.

Diabetische Neuropathie

Eine Spätkomplikation, vor allem bei Menschen mit nicht optimal eingestelltem Diabetes mellitus, ist die diabetische Neuropathie. Sie ist eine der häufigsten Polyneuropathien in Europa und manifestiert sich in verschiedenen Formen (Tabelle 3, Seite 32). Der dauerhaft erhöhte Glucosespiegel im Blut verursacht eine irreversible Glykierung und Ablagerungen von »advanced glycation endproducts« (AGE). Dies sind Verbindungen von Glucose mit Fetten oder Eiweißen, die Nervenstrukturen angreifen und schädigen.

Die sensomotorische Neuropathie betrifft die peripheren Nerven mit Symptomen wie brennenden Schmerzen, Kribbeln oder Taubheitsgefühl, vor allem in Füßen und Unterschenkeln, aber auch in Händen und Fingern. Die Gefahr für die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms ist erhöht, auch weil die Wahrnehmung von Gewebeschäden stark abnimmt.

Beschwerden der autonomen Neuropathie betreffen verschiedene Organsysteme, zum Beispiel Niere, Augen, Herz und Gastrointestinaltrakt. Störungen des neuroendokrinen Systems führen zu verringertem Sympathikus-gesteuerten Schwitzen oder Zittern; damit ist eine Hypoglykämie schwerer wahrzunehmen.

Das metabolische Syndrom erhöht das Risiko für diabetische Nervenschäden. Daher sollten Diabetespatienten regelmäßig an einem Screening teilnehmen und für einen optimalen HbA1c-Wert sorgen. Die Apotheke kann sie begleitend unterstützen, um die Adhärenz aufrechtzuerhalten.

Diabetische Polyneuropathie Symptome
symmetrische sensomotorische PNP: erhöhter Blutzucker schädigt direkt die Nerven. Betroffen sind sensorische, motorische und vegetative Nerven Parästhesien, brennende und stechende Schmerzen, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche
asymmetrische PNP durch Mikroangiopathien mit Ablagerungen und Veränderungen der kleinsten arteriellen Gefäße diabetische Retinopathie, Nephropathie und/oder Neuropathie
autonome Neuropathie durch Schäden an inneren Organen Herz-Kreislauf-Störungen, Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung einer Hypoglykämie, gastrointestinale Probleme, Schwindel, Inkontinenz, nächtliche Schweißausbrüche, Sehstörungen
fokale Neuropathie mit plötzlich auftretenden Beschwerden diabetische Amyotrophie mit Durchblutungsstörung eines Beinnervengeflechtes, diabetische Augenmuskelparese mit Sehen von Doppelbildern
Tabelle 3: Einteilung und Symptome der diabetischen Polyneuropathien (PNP)

Postzosterische Neuralgie

Die postzosterische Neuralgie kann infolge einer Gürtelrose, ausgelöst durch das Varizella-Zoster-Virus, auftreten. Nach der Primärinfektion (Windpocken) verbleibt das Virus in den Ganglien des Rückenmarks und der Hirnnerven und kann bei entsprechender Disposition, zum Beispiel eingeschränktem Immunsystem, höherem Alter oder Stress, reaktiviert werden. Es kommt zur Entzündung des Nervengewebes mit struktureller und biochemischer Veränderung. Die Patienten leiden an starken Schmerzen und Brennen in den vom infizierten Nervenstrang versorgten Hautgebieten, auf denen sich zumeist auch Bläschen zeigen. Man spricht von Zoster-assoziierten Schmerzen.

Das Apothekenteam sollte den Patienten vermitteln, dass die Schmerzen rechtzeitig und ausreichend behandelt werden, da sonst das Risiko für irreversible Nervenveränderungen steigt. Treten Schmerzen länger als drei Monate nach Abheilung der betroffenen Hautstellen auf, spricht man von einer postzosterischen Neuralgie (PZN), heißt es in der S2k-Leitlinie »Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie« (Stand 2019).

Die Behandlung einer Zosterinfektion erfolgt laut Leitlinie mit den Virustatika Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir, Brivudin oral oder auch Aciclovir intravenös. In der Apotheke ist darauf hinzuweisen, dass die gleichzeitige Anwendung des Zytostatikums 5-Fluorouracil und des Antimykotikums Flucytosin mit Brivudin kontraindiziert ist; so wird Fluorouracil auch als Warzentherapeutikum verwendet. Begleitende nozizeptive Schmerzen werden entsprechend ihrer Stärke nach dem Stufenschema der WHO mit NSAR oder Opioiden behandelt. Die Therapie von neuropathischen Schmerzen folgt den Empfehlungen der DGN-Leitlinie.

Phantomschmerz

Unter Phantomschmerzen versteht man Schmerzen in Gliedmaßen, die nicht mehr vorhanden sind. Diese Missempfindungen können auch nach einer Brustamputation, Zahnextraktion (Phantomzahnschmerz) oder nach der Exstirpation eines Auges (Phantomaugen-Syndrom) auftreten. Die Patienten beschreiben sie als brennend schmerzhaft, juckend oder kribbelnd. Stress, Angst oder Wetterveränderungen verschlechtern die variierenden Beschwerden. Je länger die Amputation zurückliegt, desto mehr lassen die Missempfindungen nach.

Erklärt wird der Phantomschmerz durch die Umorganisation von Arealen im sensomotorischen Kortex der Gehirnrinde, in denen Berührungs- und Schmerzreize verarbeitet werden. Der Bereich, der normalerweise die Reize aus den amputierten Gliedmaßen erhält, bleibt zunächst ohne Zustrom; durch die Umorganisation sind jedoch Impulse aus Nachbarregionen nachweisbar. So kann es sein, dass der Patient ohne oder mit Berührung eines anderen Körperteils Schmerzen in den amputierten Gliedmaßen empfindet.

Zur Therapie werden Medikamente wie zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt. Früher übliche Verfahren, den Schmerz durch weitere Amputationen auszuschalten, waren wenig erfolgreich und erwiesen sich nach dem Erklärungsmodell der Umstrukturierung im Gehirn als ungeeignet. Heute versucht man, die zentrale Umorganisation wieder rückgängig zu machen. Das Tragen einer myoelektrischen Prothese reaktiviert die veränderte Hirnregion. Beim Spiegeltraining bewegt der Patient die noch vorhandene Gliedmaße, zum Beispiel den Arm. Durch den Spiegel »sieht« das Gehirn zusätzlich den amputierten Arm.

Arzneimittel als Auslöser

Manche Arzneimittel können als Nebenwirkung brennende neuropathische Schmerzen verursachen. Dies hängt von der Dosis und der Einnahmedauer ab und ist nicht immer eindeutig zu erklären. Das Risiko einer Polyneuropathie ist bei allen Statinen erhöht; nach Absetzen der Medikation verschwinden die Symptome. Beim Antiarrhythmikum Amiodaron gehören periphere sensorische Neuropathien zu den gelegentlichen Nebenwirkungen, die vor allem nach längerer Therapiedauer auftreten und reversibel sind.

Periphere Polyneuropathien mit Parästhesien und Sensibilitätsstörungen sind häufige Nebenwirkungen bei der Behandlung der Tuberkulose mit dem Antibiotikum Isoniazid, das auch den Vitamin-B6-Stoffwechsel stört. Daher wird Isoniazid immer mit Pyridoxin zusammen verabreicht. Auch unter Ethambutol, Linezolid, Nitrofurantoin und Metronidazol können Polyneuropathien auftreten; bei Metronidazol sind bis zu 85Prozent der Patienten in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Im Allgemeinen sind diese Nebenwirkungen reversibel; bei Linezolid können sie irreversibel sein.

Chemotherapie-induzierte, akute und chronische Neuropathien verursachen heftige Beschwerden und gewinnen an Bedeutung aufgrund neuer Substanzen in der Tumorbehandlung und der Zunahme maligner Erkrankungen. Bei der Behandlung mit Vinca-Alkaloiden und Taxanen erleidet die Hälfte der Patienten periphere Neuropathien und Parästhesien. Der Prozentsatz ist noch höher bei Platinverbindungen. Unter Bortezomib oder Thalidomid zeigen Patienten zum Teil heftige Symptome einer Polyneuropathie.

Alarm: brennende Schmerzen hinter dem Brustbein

Typische Symptome eines Herzinfarkts sind Atemnot, Druck und Engegefühl in der Brust sowie heftige Schmerzen, die in den linken Arm, Oberbauch, Rücken, Hals, Kiefer oder die Schulterblätter ausstrahlen können. Hinter dem Brustbein (retrosternal) treten starke brennende Schmerzen auf. Kalter Angstschweiß und blasse Gesichtshaut sind häufig. Eher untypisch – zumindest bei Männern – sind Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen im Oberbauch.

Der typische starke und ausstrahlende Brustschmerz ist bei Frauen oft weniger heftig als bei Männern. Frauen berichten eher von einem Druck- oder Engegefühl in der Brust, Rücken- und Oberbauchbeschwerden mit Übelkeit und Erbrechen. Daher ist die Gefahr groß, dass die Symptomatik verkannt wird.

Halten die Schmerzen länger als fünf Minuten an oder werden die Beschwerden als besonders heftig erlebt, sollte der Notarzt (Telefon 112) gerufen werden. Je schneller ein Herzinfarkt behandelt wird, umso besser kann das Herz sich wieder erholen.

Obwohl ein Herzinfarkt eher plötzlich aufzutreten scheint, berichten viele Patienten von Vorboten wie Brustenge oder brennenden Beschwerden in Ruhe, bei leichter Belastung oder nachts einen bis zwei Tage vor dem Akutereignis. Mit dem EKG und der Bestimmung des Troponin-Werts im Serum, der spezifisch die Proteine untergegangener Herzmuskelzellen anzeigt, kann der Myokardinfarkt eindeutig identifiziert werden.

Magensäure am falschen Ort

Brennende Schmerzen hinter dem Brustbein können auch eine weniger bedrohliche Ursache haben, nämlich Magensäure, die unphysiologischerweise vom Magen zurück in die Speiseröhre fließt und die Schleimhaut reizt. Differenzialdiagnostisch ist eine gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) von einer NERD (non-erosive reflux disease), definiert als gesicherte Refluxkrankheit ohne endoskopischen Nachweis einer Refluxösophagitis, zu unterscheiden (siehe Titelbeitrag in PZ19/2022).

Bei der Refluxkrankheit führt der Rückfluss des Mageninhalts zu einer Entzündung des Ösophagus und typischen Beschwerden wie Sodbrennen, brennenden retrosternalen Schmerzen, Dysphagie, Übelkeit, Erbrechen und Hustenreiz. Eine GERD ist primär eine Erkrankung des Übergangs vom Magen zur Speiseröhre, also der mechanischen Antirefluxbarriere. Der Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre löst Symptome und Schäden aus.

Spiralförmig angeordnete Muskeln des unteren Ösophagussphinkters verhindern den Reflux. Jedoch können etliche Faktoren den Sphinkter negativ beeinflussen, zur Pathogenese von GERD oder NERD beitragen oder eine Gastritis begünstigen. Dazu gehören eine Helicobacter-pylori-Infektion, Alkohol, Nikotin, fettreiche und zu große Mahlzeiten, vor allem vor dem Schlafengehen, Stress, scharfe Gewürze, Adipositas, Schwangerschaft (letztes Trimenon), die Einnahme von NSAR und zu eng anliegende Kleidung.

Sind die Epithelzellen des Magens intakt und wird ausreichend Schleim produziert, ist die Magenschleimhaut vor dem sauren Magensaft geschützt. Bei einer Dysbalance der Schutzfaktoren kommt es zur Entzündung. Eine akute oder chronische Gastritis verursacht brennende Schmerzen im Oberbauch oder kann sich untypisch mit Heiserkeit oder Husten zeigen.

In der Akuttherapie aller Refluxerkrankungen sind Protonenpumpeninhibitoren (PPI) Mittel der Wahl. Für einen Einnahmezeitraum bis zu 14 Tagen stehen in der Selbstmedikation Esomeprazol, Omeprazol und Pantoprazol (jeweils 20 mg) zur Verfügung. In der Apotheke ist darauf hinzuweisen, dass PPI morgens nüchtern 30 bis 60 Minuten vor dem Frühstück und abends in gleichem Abstand vor einer großen Mahlzeit eingenommen werden. Mit der vollen Wirkung ist erst nach drei bis fünf Tagen zu rechnen. Darauf sollte das Apothekenteam bei der Abgabe der apothekenpflichtigen Präparate achten, da diese immer wieder für Akutbeschwerden verlangt werden.

Bei Personen mit Polymedikation ist Pantoprazol wegen des geringeren Interaktionspotenzials dem Omeprazol vorzuziehen. Dies ist wichtig bei der Beurteilung eines Medikationsplans.

Das Absetzen der PPI sollte zur Vermeidung eines Säure-Rebounds schrittweise erfolgen. PPI sind nur bei besonderer Indikation und ärztlich verordnet zur Langzeittherapie geeignet.

Bei leichterer Symptomatik binden Antazida (Hydrotalcit, Alginate, Sucralfat) die Magensäure. Sie werden anderthalb bis zwei Stunden nach einer Mahlzeit und im Abstand von zwei Stunden zu anderen Medikamenten eingenommen. Auch Prokinetika wie Metoclopramid oder Domperidon werden verordnet. Sie blockieren Dopamin-Rezeptoren im oberen Gastrointestinaltrakt und normalisieren Peristaltik, Ösophagussphinkter und Entleerung des Magens.

Störendes Brennen in Hals und Blase

Halsschmerzen haben vielfältige Ursachen. In der Apotheke sind die »Red Flags« (Scharlach-Exanthem, Mononukleose, Infektionen wie Pneumonie, Bronchitis, Otitis, Sinusitis, Immunsuppression, Chemotherapie, orale Corticoidtherapie, hohes Fieber, Atemnot) zu hinterfragen und damit die Grenzen der Selbstmedikation festzustellen. Die aktualisierte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) zu Halsschmerzen (Stand 2020) stellt klar, dass Antibiotika auch bei einer bakteriellen Infektion nicht immer indiziert sind und zurückhaltend verordnet werden sollten. Die mitunter heftige Entzündung der Rachenschleimhaut ist meistens viral bedingt und verläuft selbstlimitierend.

Die Beratung in der Apotheke sollte auf eine effektive Symptomlinderung abzielen. Die Lokalbehandlung mit Lutschtabletten (Lokalanästhetika, Ambroxol, NSAR) wirkt kurzzeitig. Bei starken Schmerzen empfiehlt die Leitlinie die orale Therapie mit Ibuprofen oder Naproxen; dabei sind Kontraindikationen zu beachten. Da sich die Entzündung vorwiegend in tieferen Gewebsschichten abspielt, sind Lokalantiseptika oder -antibiotika nicht effektiv.

Klagt eine nicht schwangere erwachsene Frau ohne anatomische oder funktionelle Besonderheiten über wiederkehrende Schmerzen beim Urinieren, spricht die S3-Leitlinie der DEGAM »Brennen beim Wasserlassen« (Stand 2018) von einer unkomplizierten Harnwegsinfektion. Als kompliziert gelten Infekte bei Schwangeren, älteren oder immunsupprimierten Menschen.

In der Apotheke sollte folgende Symptomatik hinterfragt werden: Schmerzen beim Wasserlassen, Häufigkeit der Miktionen und vaginale Beschwerden. Wird Letzteres bejaht, ist die gynäkologische Differenzialdiagnose wichtig. Klinische Studien zeigen, dass die Symptome einer unkomplizierten Infektion auch ohne antibiotische Therapie ausheilen. Schmerzmittel (Diclofenac, Ibuprofen) wirken gegen die Entzündung. Der Zucker D-Mannose ummantelt Bakterien und verhindert ihr Anhaften in der Harnblase. Phytotherapeutika, zum Beispiel mit Bärentraubenblättern (maximal einen Monat anwenden), Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel, wirken antibakteriell und diuretisch. Wärmezufuhr lindert die Schmerzen durch Entspannung der Muskulatur, ausreichende Flüssigkeitszufuhr (Tee) fördert das Ausspülen der Erreger.

Bei der akuten unkomplizierten Zystitis ist laut Leitlinie die antibiotische Kurzzeittherapie mit Fosfomycin-Tromethamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin oder Pivmecillinam indiziert. Die Therapiedauer variiert zwischen einem und sieben Tagen. Trimethoprim soll nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden, wenn die lokale Resistenzsituation von Escherichia coli über 20Prozent liegt.

Auch viele schwangere Frauen klagen in der Apotheke über Blasenbeschwerden. Sie sind ebenso wie geriatrische oder multimorbide Patienten sowie Personen mit wiederholt auftretenden Infektionen an den Arzt zu verweisen.

Symptom eines Mangels

Mundwinkelrhagaden oder Zungenbrennen können auf einen Mangel an Vitamin B12 hinweisen. Andere Symptome wie Blässe, verminderte Leistungsfähigkeit oder Müdigkeit sind unspezifisch. Tierische Proteine versorgen den Körper mit dem Vitamin. Dafür wird es im Magen aus der Proteinbindung gelöst, an den Intrinsic Factor (IF) gebunden und im Dünndarm resorbiert. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) schätzt die erforderliche tägliche Zufuhr bei Jugendlichen und Erwachsenen auf 4,0 μg, bei Schwangeren auf 4,5 μg und bei Stillenden auf 5,5 μg.

Werden diese Zufuhrwerte nicht erreicht, sorgt ein Depot in der Leber für vorübergehenden Ausgleich. Bei langfristiger Unterversorgung entsteht ein Vitamin-B12-Mangel. Risikofaktoren sind eine vegan/vegetarische Ernährung, Resorptionsstörungen durch Erkrankungen mit unzureichender Säureproduktion im Magen (Gastritis, Infektion mit Helicobacter pylori) oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Gefährdet sind auch Patienten mit einer Dauermedikation mit Metformin oder PPI. Das Apothekenteam kann gefährdete Personen darauf hinweisen, den Vitamin-B12-Titer ärztlich überprüfen zu lassen.

Die Dosierung von Vitamin B12 richtet sich nach der Ursache des Mangels. Bei einem Ernährungsdefizit sind regelmäßig verabreichte, niedrig dosierte Präparate ausreichend. Liegen Resorptionsstörungen vor, gelangt nur bei hoch dosierten Präparaten eine ausreichende Menge über passive Diffusion in den Körper; die parenterale Gabe ist nicht zwingend erforderlich. Die tägliche Dosis von 25 μg sollte in der Selbstmedikation nicht überschritten werden.

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