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Covid-19-Impfung

Lässt sich voraussagen, wer eine Thrombose bekommt?

Wie genau kommen die ungewöhnlichen Thrombosen nach der Covid-19-Impfung zustande – und lässt sich voraussagen, wer sie bekommen könnte? Eine bestimmte Prädisposition wird vermutet, auf diese lässt sich aber nicht screenen. 
Christina Hohmann-Jeddi
09.04.2021  16:36 Uhr

Laut Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts wurden bis zum 31. März in Deutschland insgesamt 38 Fälle von Sinusthrombosen mit oder ohne begleitende Thrombozytopenie gemeldet, die mit einer Impfung mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff Vaxzevria® in zeitlicher Verbindung stehen. Davon waren 31 Frauen und sieben Männer betroffen. Insgesamt traten acht Todesfälle auf. 

Schon bald nach Bekanntwerden der ersten Fälle lieferte ein Team um Professor Dr. Andreas Greinacher von der Universität Greifswald eine erste Hypothese zum Pathomechanismus. Das Team hatte neun Patienten mit thromboembolischen Komplikationen nach der Vaxzevria-Impfung untersucht und bei diesen hohe Titer an verdächtigen Autoantikörpern entdeckt. Diese richteten sich gegen einen Komplex aus dem Blutgerinnungsfaktor Plättchenfaktor 4 (PF4) und Heparin, obwohl die Patienten kein Heparin zur Therapie erhalten hatten. Damit ähnelte die Situation einer bekannten Komplikation, der Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT).

Privatdozent Dr. Robert Klamroth vom Vivantes Klinikum im Friedrichshain in Berlin und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) erklärte bei einer Veranstaltung des Science Media Center Germany, dass die Evidenzlage aufgrund der wenigen Publikationen zum Thema noch recht dünn sei. Aber der Mechanismus lasse sich für einen Großteil der Fälle durch die Hypothese, dass es sich um ein HIT-ähnliches Syndrom handle, erklären. »Plättchenfaktor 4 ist ein normales Protein«, betonte der Mediziner. Erst durch die Bindung an Heparin entstehe ein Neoantigen, gegen das sich Autoantikörper bilden, die über den Fc-Rezeptor Thrombozyten aktivieren und so Gerinnsel auslösen können.

Die Hypothese sei nun, dass sich statt des Heparins etwas anderes, etwa ein Bestandteil des Impfstoffs, der Vektor oder das gebildete Spike-Protein, an PF4 bindet und die Thrombozytenaktivierung auslöse, erklärte Klamroth. Das Phänomen wird auch als Impfstoff-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie (VIPIT) bezeichnet. Die Autoantikörper könnten leicht im Blut nachgewiesen werden und seien auch in vielen Fällen bei Patienten mit den Sinusthrombosen gefunden worden, wie ihm Kollegen berichtet hätten.

Wenn die verantwortlichen Autoantikörper so leicht zu detektieren sind, könnte dann nicht vor Impfung auf ein Vorliegen getestete werden? Nein, sagte Klamroth: Wenn der Analogieschluss mit HIT stimme, könne nicht gescreent werden, weil diese Antikörper vor der Impfung negativ wären und schon drei Monate nach einer Heparin-Exposition auch wieder nicht mehr nachweisbar seien.

Auch STIKO-Mitglied Dr. Marianne Röbl-Mathieu, niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in München, meinte, es sei außerordentlich schwierig, Risikofaktoren für eine schwere Komplikation herauszufiltern. Bislang wurden noch keine Risikofaktoren außer dem Alter (unter 60 Jahre) identifiziert. Sie würde es eher andersherum betrachten: Wenn aufgrund einer Vorerkrankung ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf bestehe, falle die Nutzen-Risiko-Abschätzung für die Astra-Zeneca-Impfung eher positiv aus. 

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