KV: »Staatlich geförderte Abzocke in Apotheken« |
Cornelia Dölger |
14.06.2022 17:00 Uhr |
Mehr als nur die Arzneimittelabgabe: Beratende Dienstleistungen in Apotheken werden ausgebaut – das bringt die Ärzte auf die Barrikaden. / Foto: Getty Images/Cecilie_Arcurs
»Offensichtlich erleben wir gerade die nächste Aufführung aus dem Tollhaus Gesundheitspolitik«, heißt es in einer entsprechenden Pressemeldung der KV, die unter dem Titel »Staatlich geförderte Abzocke in Apotheken« läuft. »Nun sollen also Apothekerinnen und Apotheker für Leistungen, für die ihnen fachlich die Qualifikation fehlt, deutlich besser honoriert werden als die Ärztinnen und Ärzte, die dafür ein jahrelanges Studium zu absolvieren haben«, kritisieren die beiden KV-Vorstandsvorsitzenden Frank Dastych und Eckhard Starke in dem Schreiben. Dass die Apotheker umfangreiche Beratungsleistungen ab sofort anbieten dürfen und dafür vergütet werden sollen, sei »ein fatales Signal Richtung Ärzteschaft«. Stärker könne man die Missachtung eines gesamten Berufsstandes nicht dokumentieren.
Mit den pharmazeutischen Dienstleistungen sei das hohe Risiko verbunden, dass das Vertrauen in die ärztlichen Behandlungen verloren gehe. Denn: Durch die fehlende Kompetenz der Apothekerschaft für die Beratungsleistungen könne es nur so enden, dass die Patienten letztlich aus der Apotheke in die Arztpraxis zurückgeschickt würden, um dort tatsächlich angemessen beraten zu werden.
Mit Misstrauen blicken die hessischen Ärzte auch in Richtung Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Kassen seien nicht gerade bekannt dafür, Geld zum Fenster hinauszuwerfen. »Es kann also eigentlich nur darum gehen, dass die Kassen durch die Abgabe billiger und gegebenenfalls auch minderwertiger Arzneimittel viel Geld sparen wollen«, argwöhnen die beiden KV-Vorstandschefs. Es sei selbstverständlich, dass die KV dieselben Beratungsleistungen »als zusätzliches Honorar für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen einfordern werden. Man freue sich bereits auf die entsprechenden Honorarverhandlungen mit den Kassen.
Klar ablehnend reagierte auch die Landesärztekammer Baden-Württemberg. Deren Präsident Wolfgang Miller betonte in einer Mitteilung: »Apotheker sind keine Hausärzte light.« Er befürchte, dass künftig die Versorgungsqualität leiden wird. Zudem sieht Miller durch die neuen Leistungen der Apotheken die Kompetenzbereiche der Ärzte verletzt und warnt vor einem Aufweichen der berufsständischen Grenzen. »Die Apotheker sollen demnach (haus-) ärztliche Leistungen erbringen – und das, obwohl nur Ärztinnen und Ärzte über eine qualifizierte Heilkundeerlaubnis verfügen.« Die vermeintliche Stärkung der vor Ort-Apotheken gefährde die qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten. »Die baden-württembergische Ärzteschaft lehnt daher die Beratung gerade von chronisch Kranken in Apotheken grundsätzlich ab.«
Bereits kurz nach dem schriftlichen Schiedsspruch, der den Start für die pharmazeutischen Dienstleistungen markierte, um die der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband lange gerungen hatten, hagelte es seitens der Ärzte Kritik an den neuen Kompetenzen in den Offizinen. KBV-Chef Andreas Gassen nannten die Dienstleistungen am gestrigen Montag »inhaltlich fragwürdig und teuer«. und forderte eine Honorarerhöhung für Ärzte. Auch der Hausärzteverband übte Kritik.