Kurzfristige Nebenwirkungen bei Schwangeren untersucht |
Theo Dingermann |
15.08.2022 17:00 Uhr |
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Schwangere sind durch SARS-CoV-2 besonders gefährdet. Für sie besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf. Obwohl in den ursprünglichen klinischen Studien zum Nachweis der Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen Schwangere nicht eingeschlossen waren, wurde bald damit begonnen, wegen des erhöhten Krankheitsrisikos auch Schwangere zu impfen. Es stellte sich schnell heraus, dass dies sicher möglich war, und dass die schwangeren Frauen von einer Impfung stark profitierten.
Um diese Beobachtungen auf eine noch sicherere empirische Basis zu stellen, wurde vom Canadian National Vaccine Safety Network (CANVAS) in sieben kanadischen Provinzen und Territorien eine beobachtende Kohortenstudie initiiert, in der signifikante Nebenwirkungen der Impfung von drei Gruppen von Frauen ermittelt wurden. Neben geimpften schwangeren und nicht schwangeren Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren wurden auch Daten von nicht geimpften schwangeren Kontrollpersonen ermittelt. Die Studienergebnisse wurden jetzt in »The Lancet Infectious Diseases« publiziert.
Alle geimpften Teilnehmerinnen wurden gebeten, in den sieben Tagen nach der ersten und der zweiten Impf-Dosis selbst über gesundheitliche Ereignisse zu berichten. Die nicht geimpften Schwangeren wurde gebeten, gesundheitliche Probleme während der sieben Tagen vor dem Ausfüllen des Fragebogens zu melden.
Insgesamt beteiligten sich nach der ersten Impfdosis 191.360 Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren mit bekanntem Schwangerschaftsstatus und 94.937 Frauen nach der zweiten Impfdosis an der Umfrage.
Eine »starke Nebenwirkung« (significant health event) wurde definiert als ein neues oder sich verschlimmernde Gesundheitsereignis, das so stark ausgeprägt war, dass es zu Fehlzeiten bei der Arbeit oder in der Schule, zu einer ärztlichen Konsultation oder zur Verhinderung von Aktivitäten des täglichen Lebens führte. Als »schwerwiegende Nebenwirkungen« (serious health events) wurden Ereignisse definiert, die in den vorangegangenen sieben Tagen zu einer Vorstellung in der Notfallambulanz und/oder einem Krankenhausaufenthalt führten.
Mit Hilfe einer multivariablen logistischen Regression untersuchten die Autoren um Dr. Manish Sadarangani vom Vaccine Evaluation Center des BC Children’s Hospital Research Institute in Vancouver, Kanada, signifikante gesundheitliche Ereignisse, die mit mRNA-Impfstoffen in Verbindung gebracht wurden. Berücksichtigt wurde das Alter der Studienteilnehmerinnen ebenso wie frühere SARS-CoV-2-Infektionen und das jeweilige Schwangerschaftstrimester.
Dies ist eine der ersten Studie, in der die Nebenwirkungen der Impfung bei schwangeren Frauen untersucht wurden, und zwar gleichzeitig mit einer Gruppe ungeimpfter schwangerer Frauen und einer Gruppe geimpfter, nicht schwangerer Frauen.
Die Forschenden registrierten Meldungen über starke Nebenwirkungen bei 4,0 Prozent (226 von 5597) der mit mRNA geimpften Schwangeren innerhalb von sieben Tagen nach der ersten Dosis und bei 7,3 Prozent (227 von 3108) der geimpften Schwangeren nach der zweiten Dosis. Die häufigsten starke Nebenwirkungen nach der zweiten Dosis waren ein allgemeines Unwohlsein, Kopfschmerzen/Migräne und Atemwegsinfektionen.
Im Vergleich dazu berichteten 3,2 Prozent (11 von 339) der schwangeren, nicht geimpften Probandinnen über ähnliche Ereignisse in den sieben Tagen vor dem Ausfüllen des Fragebogens. In der geimpften, nicht schwangeren Kontrollgruppe meldeten 6,3 Prozent (10.950 von 174.765) eine starke Nebenwirkung in der Woche nach der ersten Dosis und 11,3 Prozent (10.254 von 91.131) nach der zweiten Dosis.
Schwerwiegende Nebenwirkungen waren in allen Gruppen selten (weniger als 1 Prozent) und traten bei geimpften Schwangeren, geimpften Nicht-Schwangeren und ungeimpften Kontrollpersonen nach der ersten und zweiten Dosis in ähnlicher Häufigkeit auf.
Eine Fehlgeburt/Totgeburt war die am häufigsten gemeldete unerwünschte Schwangerschaftsfolge, wobei kein signifikanter Unterschied zwischen den Raten bei geimpften und ungeimpften Frauen bestand; 2,1 Prozent (7 von 339) der ungeimpften schwangeren Frauen und 1,5 Prozent (83 von 5.597) der geimpften schwangeren Frauen erlitten innerhalb von sieben Tagen nach der ersten Dosis eines mRNA-Impfstoffs eine Fehlgeburt oder Totgeburt.
»In der Anfangsphase der Einführung des Covid-19-mRNA-Impfstoffs war die Inanspruchnahme des Impfstoffs bei Schwangeren aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit von Daten und der Sicherheit des Impfstoffs gering. Und nach wie vor ist die Bereitschaft zur Impfung bei nicht schwangeren Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter immer noch unterdurchschnittlich«, sagt Dr. Manish Sadarangani, die Erstautorin der Studie, in einer Pressemitteilung.
»Große Beobachtungsstudien wie die unsere sind wichtig, um die Häufigkeit unerwünschter gesundheitlicher Ereignisse bei schwangeren Frauen korrekt einordnen zu können. Diese Informationen sollten genutzt werden, um schwangere Frauen über die Nebenwirkungen zu informieren, die in der Woche nach der Impfung auftreten können«, ergänzt die Ärztin.
»Die niedrigere Rate signifikanter gesundheitlicher Ereignisse bei geimpften Schwangeren im Vergleich zu geimpften Nicht-Schwangeren ist unerwartet und erfordert weitere Untersuchungen. Frühere Studien zu anderen Impfstoffen bei schwangeren Frauen haben meist keine signifikanten Unterschiede bei den gesundheitlichen Ereignissen zwischen schwangeren und nicht schwangeren Frauen oder höhere Raten in der Schwangerschaft festgestellt«, sagt Dr. Julie Bettinger, Hauptautorin dieser Studie, in der Pressemeldung.
Die Forschenden weisen auch darauf hin, dass die meisten Teilnehmerinnen, die in dieser Studie Angaben zur ethnischen Zugehörigkeit machten, weiß waren und diese Daten daher möglicherweise nicht vollständig auf andere Bevölkerungsgruppen übertragbar sind. Außerdem konzentrierte sich diese Studie auf gesundheitliche Ereignisse, die innerhalb der ersten sieben Tage nach der Impfung auftraten, und lässt daher keine Rückschlüsse auf längerfristige Reaktionen zu. Eine längerfristige Nachbeobachtung dieser Kohorte ist jedoch im Gange.
Eine weitere Einschränkung dieser Studie besteht darin, dass die Daten auf Selbstauskünften der Studienteilnehmerinnen beruhen, ohne dass sie anhand von Krankenakten überprüft wurden.
In einem verlinkten Kommentar schreiben Dr. Sascha Ellington und Dr. Christine Olson von den Centers for Disease Control and Prevention in den USA, die nicht an der Studie beteiligt waren: »Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit der wachsenden Zahl von Belegen, dass Covid-19-mRNA-Impfstoffe während der Schwangerschaft sicher sind, und ergänzen diese. [...] Die Covid-19-Impfrate ist bei schwangeren Frauen nach wie vor niedriger als bei nicht schwangeren Frauen im gebärfähigen Alter.
Angesichts des Risikos erheblicher Erkrankungen und nachteiliger Schwangerschaftsfolgen ist es unerlässlich, dass weiterhin Daten über die Sicherheit und Wirksamkeit der Covid-19-Impfung in der Schwangerschaft gesammelt und verbreitet werden und dass dazu ermutigt, die Impfung in allen Trimestern der Schwangerschaft zu fördern.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.