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Orale Tumortherapeutika

Krebstherapie zu Hause

In der Krebstherapie gewinnen orale Tumortherapeutika an Bedeutung. Zugleich wird die Behandlung der Krebskranken immer komplexer. Mitten in diesem Wandel steht der Patient mit seiner Diagnose, den Ängsten und Medikamenten, die er eigenverantwortlich zu Hause einnehmen soll.
Alena Härtel
Gudrun Heyn
Franziska Ockert-Schön
07.11.2021  08:08 Uhr

Zu den oralen Tumortherapeutika zählen klassische Zytostatika, Immunmodulatoren, Hormonrezeptorantagonisten und -agonisten sowie Kinase-Inhibitoren (Tabelle 1). Derzeit sind mehr als 100 Wirkstoffe auf dem Markt. Sie haben oftmals eine geringe therapeutische Breite, meist ein erhebliches Neben- und Wechselwirkungspotenzial und zum Teil sehr komplexe Einnahmevorschriften. Zudem weisen einige von ihnen KMR-Eigenschaften (KMR: karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch) auf. Orale Tumortherapeutika sind daher besondere Medikamente mit einem hohen Erklärungsbedarf.

Wirkstoffgruppe Arzneistoffe (Beispiele)
Klassische Zytostatika
Alkylanzien Busulfan, Chlorambucil, Melphalan
Antimetabolite 5-FU-Derivate (Capecitabin, Trifluridin/Tipiracil), 6-Mercaptopurin, Methotrexat
Immunmodulatorische Substanzen Lenalidomid, Pomalidomid, Thalidomid
Mitosehemmstoffe (Vinca-Alkaloide) Vinorelbin
Podophyllotoxin-Derivate Etoposid
Topoisomerase-I-Hemmer Topotecan
Topoisomerase-II-Hemmer Idarubicin
Sonstige Hydroxycarbamid, Hormone und Antihormone
Enzyminhibitoren
Poly-(ADP-ribose)-Polymerase-Inhibitoren (PARPi) Olaparib, Rucaparib, Talazoparib
Proteasomen-Inhibitoren Ixazomib
Histon-Deacetylase-Inhibitoren (HDACi) Panobinostat
DNA-Methyltransferase-Inhibitoren (DNMTi) Azacitidin
Hemmstoffe regulatorischer Proteine Venetoclax
Hedgehog-Inhibitoren (Hhi) Glasdegib, Sonidegib, Vismodegib
Kinase-Inhibitoren
Tyrosinkinase- und Serin-Threoninkinase-Inhibitoren Acalabrutinib, Bosutinib, Cabozantinib, Crizotinib, Encorafenib, Imatinib, Lapatinib, Palbociclib, Selpercatinib, Tucatinib
Tabelle 1: Beispiele von in Deutschland zugelassenen Wirkstoffen zur oralen Behandlung von Krebserkrankungen (Quellen: ABDA-Datenbank, Stand 27.6.2021, Oralia-Datenbank der DGOP, Stand 4.8.2021)

Vor der Verordnung prüft der behandelnde Onkologe, ob der Patient in der Lage ist, die Therapie eigenverantwortlich allein auszuführen. Löst der Patient anschließend die Verordnung in der Apotheke seiner Wahl ein, kann das pharmazeutische Personal mit seinem Fachwissen die ärztliche Betreuung unterstützen. Dafür sprechen auch psychologische Gründe: So können Kranke beim Erstgespräch mit ihrem Arzt oft nur wenige Fakten aufnehmen. Sie müssen die Diagnose verarbeiten und machen sich Sorgen, wie es zu Hause und in der Arbeit weitergeht. Viele Patienten haben anschließend noch Gesprächs- und Informationsbedarf. Genau da kann die öffentliche Apotheke als niederschwelliger Zugang beratend und betreuend zur Seite stehen.

Wie bedeutend eine engmaschige pharmakologisch-pharmazeutische Therapiebegleitung ist, zeigt die Ambora-Studie (1). Patienten in der Interventionsgruppe, die ausführlich betreut wurden, hatten im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich weniger (schwerwiegende) Nebenwirkungen, ein deutlich besseres Befinden und wussten mehr über die Therapie. Therapieabbrüche, ungeplante Klinikaufenthalte und Todesfälle traten seltener auf.

Auch wegen der spezifischen Besonderheiten der Tumortherapeutika ist die Betreuung von Krebskranken für jede Apotheke eine Herausforderung. Insbesondere für das Personal in öffentlichen Apotheken ist es daher wichtig, sich auf dem Gebiet der oralen Onkologika fortzubilden und zuverlässige Informationsquellen zu nutzen.

Gezielt beraten

In der Regel bestellt die Apotheke orale Onkologika erst, wenn der Patient das Rezept einlöst. Die Zeit bis zur Abholung des Medikaments bietet die Chance, sich zuverlässige Informationen für die Beratung zu beschaffen und diese zu planen. Eine Richtschnur gibt auch die Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Beratung des Patienten bei Abgabe auf ärztliche Verordnung (2).

So hat es sich besonders beim Erstkontakt bewährt, mit dem Kunden einen Termin zur Abholung des Medikaments auszumachen und dann alles Wichtige persönlich zu besprechen. Um eine vertraute Atmosphäre zu schaffen und Diskretion zu wahren, geht der Apotheker mit ihm bevorzugt in einen Beratungsraum mit Sitzgelegenheit.

Ob spontan oder geplant: Wichtige Aspekte der Beratung sind der Umgang mit oralen Tumortherapeutika einschließlich Aufbewahrung und Entsorgung, die richtige Einnahme sowie Wechsel- und Nebenwirkungen. Empfehlenswert ist es, Handzettel zu den Nebenwirkungen, deren Vorbeugung und Behandlung und gegebenenfalls Proben von Pflegemitteln gegen trockene Haut vorzubereiten. Ein Handzettel zum Umgang mit oralen Tumortherapeutika im häuslichen Umfeld sollte nicht fehlen. Während des ersten Beratungsgesprächs kann der Apotheker zudem einen tagesgenauen Einnahmeplan für seinen Kunden erstellen.

Tatsächlich ist eine gute Beratung und Betreuung eine Gradwanderung. Bei der Entscheidung, welche Informationen der Patient benötigt, können Fragebögen eine gute Grundlage sein. Beispielsweise erhalten Patientinnen am Brustzentrum des Campus Lübeck vor einer Komplementär-Integrativen Sprechstunde einen solchen Fragebogen, den sie ausgefüllt zur Sprechstunde mitbringen (3). Anzugeben sind persönliche Daten inklusive Diagnose, Komorbiditäten und Medikation sowie zu welchen Symptomen und/oder komplementären Maßnahmen eine Beratung erwünscht ist.

Der Einstieg in das Gespräch sollte mit offenen orientierenden Fragen erfolgen, sodass der Kunde nicht mit Ja und Nein antworten kann. Fragen wie »Wie sollen Sie das Medikament einnehmen? Wofür sollen Sie es einnehmen?« haben sich bewährt. Zudem sollte der Patient selber viel erzählen, auch zur Art der Anwendung, zu Dosierung und Anwendungsdauer. Ein mitgebrachter Medikationsplan kann dabei sehr hilfreich sein.

Im Gespräch sollten Apotheker die Adhärenz des Kunden stärken, etwa mit Sätzen wie: »Das Medikament ist stark wirksam und daher nicht ohne Risiken für Familienangehörige oder das Pflegepersonal. Gerne erkläre ich Ihnen gewisse Verhaltensregeln, damit die Therapie optimal klappt.« Wichtig ist auch, Ängste offen anzusprechen, die der Patient nach dem Arztgespräch und der Diagnosestellung mitbringt.

Tipps zur Aufbewahrung und Einnahme

Tumortherapeutika sollten die Patienten in der Original-Blisterpackung aufbewahren, um den Inhalt vor Licht und Feuchtigkeit zu schützen und um Kontaminationen zu vermeiden. Bei der Einnahme müssen die Kranken beachten, dass sie ihre Zytostatika/KMR-Arzneimittel weder teilen noch zerdrücken oder kauen dürfen. Zerbrochene oder beschädigte Tabletten dürfen nicht eingenommen und Kapseln nicht geöffnet werden. Schwangeren und Stillenden ist der Umgang untersagt (4).

Die Kranken sollten ihre Zytostatika/KMR-Arzneimittel nach Möglichkeit nur selbst anfassen und sich danach die Hände waschen. Werden die Medikamente von Dritten, beispielsweise vom Pflegedienst, gestellt, so empfiehlt es sich, dabei Handschuhe zu tragen und die Tablette direkt aus dem Blister in einen kleinen Einmalbecher auszudrücken und dem Patienten zum Einnehmen anzubieten. So kommen Angehörige oder Pflegedienst mit dem potenziell karzinogenen Arzneimittel nicht in Kontakt. Alle benutzten Einmalutensilien sind nach Gebrauch in einem verschlossenen Plastikbeutel zu entsorgen (4).

Sollen Onkologika in Dosierboxen gereicht werden, sollten sie möglichst im Blister belassen und die Blisterpackungen beim Richten der Arzneimittel zerschnitten werden. Die vorbereiteten und abgezählten Zytostatika sollten nur in separate, gekennzeichnete Dosierboxen gegeben werden (4).

Bis auf einige wenige Onkologika, die bei 2 bis 8 Grad Celsius gelagert werden müssen (Beispiel: Chlorambucil in Leukeran® Tabletten), erfordern die meisten Präparate keine besonderen Lagerungsbedingungen bezüglich der Temperatur. Wichtig ist jedoch, sie für Kinder unzugänglich aufzubewahren.

Umgang mit Ausscheidungen

Zytostatika und deren Abbauprodukte werden hauptsächlich mit dem Urin und den Fäzes ausgeschieden (5). In anderen Körperflüssigkeiten wie Tränenflüssigkeit, Schweiß, Speichel, Sperma und Vaginalsekret können Spuren nachgewiesen werden.

Normalerweise ist die Konzentration des Zytostatikums aufgrund des Verdünnungseffekts in den Ausscheidungen nicht sonderlich hoch und somit sind diese nicht als Gefahrstoffe einzustufen. Sie können ganz normal über die Toilette in die Kanalisation entsorgt werden. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass Patienten eine separate Toilette benutzen. Die Toilette ist jedoch immer sauber zu halten und nach jedem Toilettengang mit geschlossenem Deckel zweimal zu spülen. Verunreinigungen sind mit Seife oder Haushaltsreiniger und Wasser gründlich abzuwaschen. Schwangere und Stillende dürfen aus Sicherheitsgründen nicht mit den Ausscheidungen in Kontakt kommen.

Anders verhält es sich mit dem Mageninhalt, wenn der Patient innerhalb von zwei Stunden nach der Einnahme eines oralen Zytostatikums brechen muss. Dieser kann noch Konzentrationen des Zytostatikums aufweisen, die als gesundheitsgefährdend einzustufen sind. Dann ist besondere Sorgfalt beim Umgang mit den Ausscheidungen geboten. Es sollten immer Einmalhandschuhe getragen und die Hände nach dem Saubermachen der kontaminierten Stellen und Gegenstände sowie Kontakt mit den Ausscheidungen gewaschen werden. Erbrochenes ist von außen nach innen mit einem Einmaltuch aufzuwischen. Dann wird die Fläche mit Seife oder einem Haushaltsreiniger gewischt und gründlich mit Wasser nachgespült.

Zur Dekontamination gebrauchte Utensilien sind in einem verschlossenen Plastiksack dem Hausmüll zuzuführen (4). Kontaminierte Kleidung sollte separat und nach Möglichkeit sofort gewaschen werden. Ansonsten muss diese bis zum Waschvorgang in einem dicht verschlossenen Sack aufbewahrt werden. Ein normales Waschprogramm reicht zur Reinigung aus.

Was tun, wenn Zytostatika in die Umgebung gelangen?

Gelangen Zytostatika in die Umgebung, beispielsweise beim Verschütten von Kapselinhalt, ist genauso wie bei Erbrochenem vorzugehen. Die Person, die den Unfall beseitigt, muss Handschuhe tragen und einen Plastiksack bereithalten (4). Handelt es sich um ein trockenes Zytostatikum (Pulver, Tabletten), nimmt man zum Aufwischen feuchtes, mit Wasser getränktes Haushaltspapier. Bei Flüssigkeiten reicht ein trockenes Papier aus.

Bei Augen- und Hautkontakt ist die betroffene Stelle mit reichlich kaltem Wasser zu spülen, am besten mehrere Minuten lang. Danach sollte mit Seife (nur bei Hautkontakt) und kaltem Wasser nachgespült werden. Die betroffene Stelle sollte nicht gerieben werden, um sie nicht unnötig zu reizen und zu erwärmen. Bei Augenkontakt ist zu beachten, dass während des Spülvorgangs von der Nase weg nach außen gespült wird, um das andere Auge nicht zu kontaminieren (6). Bei Verletzungen ist umgehend ein Arzt zu konsultieren.

Hilfen für die Einnahme

Medikationspläne wie der bundeseinheitliche Medikationsplan dienen dazu, bei einer Polymedikation den Überblick zu behalten, Ärzte und Apotheker zu informieren und Apotheker bei der Überprüfung von Wechselwirkungen zu unterstützen (7). Dagegen helfen tages- und zeitpunktgenaue Einnahmepläne wie der Einnahmeplan der Oralia-Datenbank der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) den Patienten ganz praktisch bei der korrekten Einnahme ihrer Medikamente (Abbildung). Erst die Kalenderform ermöglicht das Abhaken jeder einzelnen Einnahme. Dies hilft den Kranken, keine Tablette zu vergessen oder zu viel einzunehmen, die Einnahme zu verschiedenen Einnahmezeitpunkten am Tag mit unterschiedlichen Dosierungen zu bewältigen und therapiefreie Zeiten korrekt zu beachten.

Ihre Onkologika sollten die Kranken möglichst immer zur gleichen Uhrzeit einnehmen. Ob sie zu, nach, vor oder unabhängig vom Essen einzunehmen sind, ist wirkstoffspezifisch und muss unbedingt beachtet werden. Oftmals sind die oralen Onkologika lipophil. Eine Einnahme zu einer fettreichen Mahlzeit kann die Resorption verbessern (Einnahme zur Nahrung), zum Beispiel von Imatinib, Bosutinib und Capecitabin, oder die Toxizität erhöhen (nüchtern einnehmen), zum Beispiel von Nilotinib, Lapatinib und Pazopanib.

Ein Ausblistern direkt in den Mund ist zu vermeiden. Tumortherapeutika sind direkt aus dem Blister in einen kleinen Becher oder in ein Plastikgefäß zu drücken. Dies kann auch ein Eierbecher sein. Das Gefäß sollten die Patienten nur dafür verwenden. Unmittelbar im Anschluss sind die Oralia zu schlucken, sodass niemand damit direkt in Kontakt kommen kann.

Damit die Medikamente die Speiseröhre ungehindert passieren und diese nicht reizen, sollten die Kranken diese immer mit einem Glas Wasser einnehmen. Dies gewährleistet auch, dass sich die Medikamente im Magen auflösen und dort nicht unnötig lange verweilen. Sinnvoll ist eine aufrechte oder erhöhte Position des Oberkörpers. Wenn Patienten liegen müssen und/oder unter Übelkeit und Erbrechen leiden, ist es ratsam, dass sie nach der Einnahme auf der linken Seite liegen. Dies erleichtert die Magenentleerung, da sich dort der Magenausgang befindet. Übelkeit lässt sich auf diese Weise oft abmildern.

In der Regel dürfen Patienten nicht die doppelte Menge einnehmen, wenn sie die vorherige Einnahme vergessen haben. Bei einer vergessenen Dosis, Erbrechen oder Einnahme der doppelten Menge sind unbedingt die Hinweise in der Packungsbeilage zu beachten.

Einnahme bei Schluckbeschwerden

Bei Schluckbeschwerden können Patienten manche oralen Onkologika mit Nahrungsmitteln wie Joghurt, Apfelmus oder kaltem Kartoffelbrei mischen, etwa beim Nilotinib (Tasigna®) den Inhalt der Hartkapsel mit Apfelmus. Welches Medikament sich mit welchem Lebensmittel verträgt, ist oft in der Fachinformation nachzulesen oder lässt sich bei der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung des Herstellers erfragen (8).

Manche Oralia (Beispiele: Imatinib in Glivec® und Treosulfan in Ovastat®) lassen sich auch in eine flüssige Form überführen und mit einer Oralspritze verabreichen. Nicht nur ältere Menschen profitieren davon. Auch Kinder können bisweilen nur begrenzt Tabletten oder Kapseln schlucken.

Wechselwirkungen in der Selbstmedikation

Viele orale Onkologika haben ein hohes Wechselwirkungspotenzial. Die Mechanismen können vielfältig sein, wobei die Wechselwirkungen über die CYP-Enzyme am bedeutendsten sind. Auch in der Selbstmedikation werden Substanzen eingesetzt, die als CYP-Inhibitoren oder -Induktoren fungieren.

Das bekannteste Beispiel für einen Induktor aus der Selbstmedikation ist Johanniskraut. Grapefruit(extrakt) als Inhibitor von CYP450-Enzymen sollte ebenfalls bei der Beratung erwähnt werden. Beispielsweise wird der Wirkstoff Palbociclib über das CYP450-System metabolisiert. Die Kombination mit einem Johanniskrautpräparat kann die Wirksamkeit von Palbociclib abschwächen oder verhindern (9). Bei der Kombination mit Grapefruit steigen dagegen die Blutspiegel von Palbociclib an, was zu mehr Nebenwirkungen führt.

Andere problematische Wechselwirkungspartner aus der Nahrung sind unter anderem Grüner Tee, Koffein, Milchprodukte, Goji-Beeren und Alkohol. Auch Nahrungsergänzungsmittel sollte das pharmazeutische Personal unter die Lupe nehmen. Beispielsweise können Folsäure-haltige Präparate die Toxizität von Capecitabin erhöhen (10).

Tipps zu Nebenwirkungen

Informationen zur Vorbeugung und Linderung unerwünschter Wirkungen bieten beispielsweise Fachgesellschaften wie die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) mit ihrer Broschüre »Nebenwirkungsmanagement bei zielgerichteten Therapien in der gynäkologischen Onkologie« (11). Tabelle 2 zeigt beispielhaft, wie breit das Spektrum der möglichen Nebenwirkungen sein kann und dass diese bei einer Kombinationstherapie auch von anderen Substanzen mitbestimmt werden.

Nebenwirkung Lapatinib
Monotherapie mit Capecitabin mit Trastuzumab mit Aromatase-Inhibitor (Letrozol)
Anorexie +++
Diarrhö +++ +++
Fatigue, Asthenie +++ +++
Hitzewallungen +++
Hautausschlag (inkl. akneforme Dermatitis) +++
Kopfschmerzen ++ +++
Obstipation +++ ++
Schlaflosigkeit +++
trockene Haut +++ +++
Übelkeit, Erbrechen, Dyspepsie, Stomatitis, Bauchschmerzen +++
verringerte linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) ++ +++
Tabelle 2: Häufigkeit von klinisch relevanten Nebenwirkungen (Auszug) laut Fachinformation zu Lapatinib (nach 11). +++: sehr häufig, ++: häufig, +: gelegentlich

Wichtig ist, dass die Patienten die Beratungshinweise ihrer Apotheke zur Prophylaxe richtig verstehen und zwischen einer Begleit- und Bedarfsmedikation unterscheiden können. Als Beispiel: Ein Antiemetikum zur Prophylaxe ist zwingend täglich einzunehmen, während ein Motilitätshemmer nur bei einer akuten Diarrhö zur Anwendung kommt. Aber auch Art und Schweregrad ihrer Nebenwirkungen sollten die Kranken richtig einschätzen können. So müssen sie wissen, ab welcher Stuhlfrequenz sie den Motilitätshemmer einnehmen müssen und wann sie welche Nebenwirkungen ihrem Arzt unverzüglich mitteilen sollen.

Hilfreich sind einfache Tipps, etwa bei der Einnahme von Tyrosinkinase-Inhibitoren gegen den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR). Hier treten Hautnebenwirkungen besonders häufig auf. Um Mikrotraumen der Haut zu vermeiden, sollten sich die Patienten beispielsweise trocken statt nass rasieren, Haare nur lauwarm föhnen und Okklusionseffekte durch weites offenes Schuhwerk ausschließen (12).

Wo gibt es zuverlässige Informationen?

Zuverlässige Informationen sind die Basis jeder guten Beratung. Digitale Angebote wie die Oralia-Datenbank der DGOP und die ONKO-App des St.-Johannes-Hospitals Dortmund bieten besondere Softwarefunktionen, etwa zur Erstellung von Merkblättern für die Beratung. Auch das Leitlinienprogramm Onkologie mit der S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen (13) und der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (KID) halten zuverlässige Informationen für Fachkreise und Patienten bereit.

Oralia-Datenbank der DGOP

Die intuitiv zu bedienende Oralia-Datenbank der DGOP wurde von Apothekern für Apotheker und PTA entwickelt, um diese bei der Beratung von Krebskranken und deren Angehörigen zu unterstützen. Sie enthält Monografien zu allen in Deutschland zugelassenen oralen Krebsmedikamenten. Diese ermöglichen einen schnellen Überblick über die wichtigsten Angaben aus den Fachinformationen der Präparate, zum Beispiel zu Dosierung und sehr häufigen Nebenwirkungen. Die Daten werden regelmäßig aktualisiert und um neu zugelassene Medikamente erweitert.

Außerdem lassen sich patientenindividuelle Einnahmepläne in Form einer pdf-Datei erstellen, die anonymisiert gespeichert werden können. Die Funktion des Duplizierens in der Datenbank ermöglicht das einfache Erstellen von Folgeplänen auf Basis der vorhandenen Daten. Im Einnahmeplan sind die Einnahmetage der oralen Krebsmedikation mit Datum und Uhrzeit einzeln aufgeführt (Abbildung oben). Die erfolgte Einnahme kann der Kranke zeitgenau abhaken. Auch Begleit- oder Bedarfsmedikation, zum Beispiel Loperamid bei Durchfällen, lassen sich im Einnahmeplan integrieren. Die »Smilie-Skala« dient zur Dokumentation des täglichen Befindens und von Nebenwirkungen, um sie später in der Apotheke oder beim Arzt zu besprechen.

Der zweite Teil der pdf-Datei enthält Beschreibungen möglicher Nebenwirkungen in Patientensprache. Die Nebenwirkungen kann das Fachpersonal der Apotheke gezielt auswählen. Zudem gibt es Hinweise zur Vorbeugung und zum Umgang mit Beschwerden.

Die Onko-App

Die Onko-App des St.-Johannes-Hospitals Dortmund ist ein Werkzeug für onkologisch tätige Ärzte und Klinikapotheker. Das System basiert auf Entscheidungspfaden, die möglichst viele patientenindividuelle Parameter berücksichtigen und diagnostische Pfade unter Berücksichtigung aktueller Leitlinien einschließen. Die Onko-App umfasst Lokalisationen von soliden Tumoren sowie maligne und nichtmaligne hämatologische Erkrankungen (14). Die Daten passt das Team der Zentralapotheke des Hospitals regelmäßig an aktuelle Leitlinien an.

Der Servicebereich der Onko-App umfasst etwa 300 Wirkstoffe, zu denen auch die therapeutisch relevanten Interaktionen aufgeführt sind. Nutzer können für ihre Patienten Aufklärungstexte zu Wirkstoffkombinationen und Hinweise zu ambulanten oralen onkologischen Therapien abrufen. Ebenso sind Steckbriefe zu Wirkstoffen mit den wichtigsten Fakten für Ärzte und Pflegekräfte abrufbar. Patientendaten und die zugehörigen Entscheidungspfade lassen sich anonymisiert in der App speichern.

Infoblätter des KID

Der Krebsinformationsdienst.med unterstützt alle, die an der Versorgung von Krebspatienten beteiligt sind. Für Patienten und Fachkreise stehen zudem Broschüren und Informationsblätter bereit. Zum Beispiel bieten die Informationsblätter »Behandlung einzelner Tumorerkrankungen« Informationen für Patienten zu Themen wie »Krebsschmerzen wirksam behandeln« und »Schleimhautentzündungen bei Krebspatienten: Vorbeugen und lindern«. Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) haben sie in Kooperation mit der DGOP erstellt (15). So müssen vor allem nicht spezialisierte Apotheken nicht jedes Detail zu häufigen Beschwerden selbst recherchieren und können die Infoblätter an die Patienten weitergeben. Die Einzelblätter und das Servicepaket können Interessierte kostenfrei unter www.krebsinformationsdienst.de/service/iblatt/index.php einsehen und bestellen.

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