Klinische Studien helfen weiter |
Brigitte M. Gensthaler |
29.01.2020 13:36 Uhr |
Jede Teilnahme an einer klinischen Studie setzt eine ausführliche Aufklärung voraus und erfolgt immer freiwillig. / Foto: Getty Images/FatCamera
Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland und die am stärksten gefürchtete Krankheit in der Bevölkerung. Die Zahl der Erkrankten von derzeit 500.000 pro Jahr wird laut Prognosen bis 2030 auf etwa 600.000 ansteigen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwartet weltweit gar eine Verdopplung der Zahl der Neuerkrankungen.
Die gute Botschaft: »Etwa die Hälfte der Tumoren bei Erwachsenen und 80 Prozent bei Kindern können geheilt werden«, informierte Professor Dr. Volker Heinemann, Direktor des CCC, bei einer Pressekonferenz des CCC und der Bayerischen Krebsgesellschaft Ende Januar in München. Um die Krebsforschung zu stärken und deren Ergebnisse schneller zum Patienten zu bringen, habe das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die »Dekade gegen Krebs« ausgerufen, berichtete Heinemann. Unter anderem fördere das BMBF praxisverändernde Studien zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krebs mit bis zu 62 Millionen Euro und erweitere die Zahl der Nationalen Zentren für Tumorerkrankungen (NCT).
Der Onkologe warb eindringlich für die Beteiligung an Studien. »Klinische Studien dienen dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und ermöglichen den Patienten einen möglichst frühen Zugang zu neuen Therapien.« Dies gelte beispielsweise für neue zielgerichtete Substanzen bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs, informierte Privatdozentin Dr. Rachel Würstlein vom Brustzentrum der LMU Klinikum München. Es gehe in klinischen Studien aber auch darum, Übertherapien, vor allem durch Chemotherapie, oder Untertherapien zu vermeiden und der Frau eine an die individuelle Tumorbiologie angepasste Therapie anzubieten. »Unsere Erkenntnisse kommen direkt bei den Patienten an.« Diese erhielten zudem eine sehr engmaschige, umfangreiche Betreuung durch erfahrene Studienärzte und -pflegepersonen. »Dies gibt den Patienten Sicherheit.«
Viele Patienten befürchten, in einer klinischen Studie in der Placebogruppe zu landen. Doch sie könnten darauf vertrauen, dass sie immer die bestmögliche Therapie bekommen, auch wenn sie randomisiert der Vergleichsgruppe zugeteilt werden, betonte Professor Dr. Stephanie E. Combs, Direktorin der Klinik für Radio-Onkologie und Strahlentherapie, Klinikum rechts der Isar der TU München. Die Placebogabe sichere allen Studienteilnehmern die gleiche Zuwendung und Betreuung und solle »weiche Faktoren« ausschließen, die das Therapieergebnis verfälschen könnten. Um den Patienten die Entscheidung für oder gegen eine Studienteilnahme zu erleichtern und um deren Vertrauen zu stärken, rate sie ihnen oft, eine zweite Meinung einzuholen. »Eine Zweitmeinung ist völlig in Ordnung.«
Zudem ist es für Patienten wichtig zu wissen, dass sie sich nach einer ausführlichen ärztlichen Aufklärung freiwillig für oder gegen eine Studienteilnahme entscheiden können und dass sie jederzeit ohne Angabe von Gründen ausscheiden können. »Aus dem Studienabbruch darf den Patienten kein Nachteil entstehen«, betonte Combs.
Ein weiteres Ziel der Dekade gegen Krebs ist es, Patienten viel stärker am Innovationsprozess zu beteiligen. Für Heinemann ist dies essenziell, um deren Bedürfnisse in klinischen Studien zu erfahren und berücksichtigen zu können. Würstlein bestätigte dies: »Die Patientenvertretung oder Patient Advocacy ist beim Mammakarzinom inzwischen auf allen Ebenen bis hin zur Entscheidung über internationale Empfehlungen etabliert.« Wenn beispielsweise eine neue Therapie das Überleben um einen Monat verlängert, könnten Patienten mitentscheiden, ob dieses Ergebnis für die betroffene Frau wirklich ein Vorteil ist, und damit die Therapieempfehlungen mitgestalten.